Endstation Einsamkeit von angel

#1 von Petra-Andreas , 07.05.2007 20:32

Endstation Einsamkeit I

von angel


Typ/Kategorie: Romance Harm/Mac


JAG HAUPTQUARTIER,
FALLS CHURCH, VIRGINIA
16.37 Ortszeit

Seit einer Woche nun versuchte er herauszufinden, welche Sorgen sie mit sich herumtrug. Es war kurz nach Dienstschluss jetzt, es war Freitag und seit Tagen arbeitete Mac bis spätabends. Er hatte lange genug gewartet. Sie mehrmals versucht auf ihre Probleme anzusprechen, aber jedes Mal hatte sie abgeblockt. Sorgenvoll blickte er hinüber zu ihrem Büro. Die Tür war geschlossen, die Jalousien waren heruntergelassen. Offensichtlich versuchte Mac zu vermeiden, überhaupt auf irgendetwas angesprochen zu werden. Die Diskussionen um ihre aktuellen Fälle hielt sie auf ein Minimum beschränkt. Nur das Nötigste sprach sie überhaupt mit ihren Kollegen.

Aber Harm hatte das Gefühl, dass sie mit ihm noch viel weniger sprach. Es fiel ihr schwer, ihm gegenüber ihre Emotionen zu verbergen. Und genau deshalb vermied sie wohl auch den Kontakt zu ihm. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, musste er sich eingestehen, dass er ebenfalls den Kontakt zu Mac reduzieren müsste, wenn er ihr etwas verheimlichen wollte. Aber da gab es nichts zu verheimlichen. Na gut, vielleicht eine Kleinigkeit… Darüber konnte er sich momentan jedoch nicht den Kopf zerbrechen. Es gab Wichtigeres. Macs Probleme… Was auch immer das für Probleme seien.

Er ließ noch einmal den Blick durchs Bullpen schweifen. Hier und da packten die Kollegen ihre Sachen zusammen, nur vereinzelt schienen noch JAGs in ihre Akten vertieft. Und wieder blieb sein Blick an Macs Büro haften. *Das hat doch keinen Sinn Rabb, jetzt geh endlich zu ihr herüber und sprich mit ihr. Du bekommst doch kein vernünftiges Wort für dein Plädoyer zusammen, ehe du das geklärt hast*, sagte ihm sein Inneres.

Also machte er sich auf den Weg zu ihr herüber. Zaghaft klopfte er an ihre Bürotür… Normalerweise wäre er einfach hineingegangen, hätte einen kleinen Scherz gemacht und wäre dafür mit dem umwerfendsten Lächeln, das er je gesehen hatte, belohnt worden. Heute war er froh, wenn sie überhaupt mit ihm über irgendetwas sprach. Er wagte gar nicht zu hoffen, ein Lächeln von ihr zu sehen.
„Herein“, kam es von innen.

Harm öffnete die Tür und trat langsam ein. Bei ihrem Anblick zog sich sein Herz zusammen. Tiefe Augenringe konnte man in ihrem Gesicht sehen, die Augen glänzten nicht, Mac wirkte insgesamt sehr abgespannt.
„Harm, wir hatten doch bereits alles für den Lewis – Fall geklärt, was gibt es noch, ich habe noch zu tun.“
„Mac“, seine Sorgen standen ihm ins Gesicht geschrieben, „bitte, mach mal eine Pause. Lass uns in die Teeküche gehen und miteinander reden.“
„Erstens, Commander, habe ich keine Zeit für eine Pause, zweitens hat mir Bud vorhin schon einen Kaffee vorbeigebracht, drittens gibt es nichts zu reden. Wäre das alles?“

Das war auch wieder so eine Sache. Seit wann war er wieder nur der ‚Commander’ für sie?
„Nein Mac. Ich mach mir Sorgen. Seit Tagen redest du kaum noch mit mir, du lächelst nicht, wenn du…“
„Es gibt keinen Grund zum Lächeln“, unterbrach ihn Mac.
*Das reicht*, dachte er sich. Harm ging um ihren Schreibtisch herum, nahm ihr die Akte aus den Händen, bevor sie darauf reagieren konnte. Er wusste, er sollte Mac eigentlich nicht drängen, etwas preiszugeben, dass sie lieber für sich behalten wollte. Aber das hier konnte er definitiv nicht mit ansehen. Er legte die Akte außer Reichweite, wendete sich ihr dann wieder zu. Er fasste sie an ihren Oberarmen, drehte Mac zu sich herum und ging in die Hocke.

„Harm was soll das alles?“, erst jetzt kam Mac zum protestieren und Harm wusste, wenn er nicht die passenden Worte finden würde, um mit ihr zu reden, würde Mac so wütend werden, dass sie noch viel weniger mit ihm redete.
„Mac“, *was hatte er sich nur dabei gedacht? Mac war doch kein kleines Kind mehr, Mac war ein Marine! Und einen Marine behandelt man nicht so, Rabb!* Harm haderte mit sich selbst, wie er nun heil aus der Situation entkommen und dennoch mit ihr reden könnte, „entschuldige.“

Beim Anblick des sonst so stolzen Navy – Piloten, der da nun wie ein Häufchen Elend vor ihr hockte, und nicht wusste, was er tun sollte, zerbrach es ihr schier das Herz. Er meinte es ehrlich. Sorgte sich um sie. Aber er würde ihr doch nicht helfen können…
„Harm, es gibt keinen Grund, warum du dir sorgen machen müsstest. Es tut mir leid, wenn ich mich in den letzten Tag nicht so verhalten hab, wie du es von mir, von einem Freund erwartest. Ich bekomm das allein in den…“ *Griff*, dachte sie sich. *Oh man, Mac, das hättest du dir nun sparen können.* Und genau in diesem Moment sah Harm auf.
“Was bekommst du in den Griff, Mac?“

Sie wusste es. Anwalt und bester Freund, nie wäre ihm diese Bemerkung entgangen.
„Ich kann darüber nicht sprechen, Harm. Nicht jetzt, nicht hier, nicht mit dir. Bitte, frag nicht weiter nach.“ Sie versuchte zu Lächeln. Doch sie scheiterte kläglich.
Harm erhob sich nun. Sah Mac an, wie sie da vor ihm saß, Hilfe brauchte, aber nicht mit ihm sprach. *Also gut, sie wird nie danach fragen…* Er nahm ihre Hände in seine, zog sie ebenfalls nach oben: „Bitte um Erlaubnis Sie umarmen zu dürfen, Colonel.“
Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie wusste, warum er das tat – und das machte sie verlegen. Sie blickte nach unten. Das reichte Harm als Antwort und er zog sie ihn seine Arme…

Einen Moment verspannte sich Mac noch mehr als sie es ohnehin schon war, und Harm befürchtete schon, er wäre zu weit gegangen. Doch als er mit seinen Händen beruhigend ihren Rücken streichelte, entspannte sie sich wieder, genoss das Gefühl der Geborgenheit. Geborgen sein. Seit langem mal wieder.

Aber Mac erlaubte sich nicht lange, die Umarmung zu genießen. Warum schaffte es dieser gutaussehende Navy – Pilot immer wieder, die Fassaden zu durchbrechen, die Sie mühsam aufbaute? Ein Blick, eine Berührung, ein liebes Wort… und ihre Knie wurden weich wie Pudding. Mac legte Harm kurz ihre Hände auf die Brust, nur um sich dann von ihm wegzudrehen und die Akte zurückzuholen, die Harm vorhin beiseite gepackt hatte.
„Ich gehe jetzt besser nach Hause, Harm“, meinte sie, ihre Sachen bereits zusammenpackend, "ich werde mir ein paar Akten mitnehmen und dort weiter arbeiten. Wir sehen uns Montag früh bei der Verhandlung.“

Er hätte sich vielleicht täuschen lassen, würde er seinen Marine nur halb so gut kennen. Aber all die Jahre hatten sie einander so nahe gebracht, dass er nun wusste, dass sowohl ihr plötzlicher Aufbruch als auch ihr Arbeitseifer wieder nur Ablenkungsmanöver waren. Macs Fälle waren zu einem Großteil abgeschlossen, nur der Lewis – Fall erforderte im Moment noch ihre Aufmerksamkeit. Den hatten sie heute zusammen durchgesprochen, neue Fälle würden erst am Montag Morgen verteilt werden. Er zog es für den Moment vor, sie nicht danach zu fragen. Besorgt blickte er ihr hinterher, wie sie zum Aufzug eilte.


MACS WOHNHUNG,
GEORGETOWN, WASHINGTON D.C.
19.25 Ortszeit

Mac lag auf ihrer Couch und starrte die Decke an. Sie dachte über ihre momentane Situation nach. Sollte sie mit Harm darüber sprechen? Oder mit jemand anderem? Oder mit niemandem? Sie wog die Vor- und Nachteile aller möglichen Lösungen ab. Bevor sie jedoch zu einer Entscheidung finden konnte, klopfte es an der Tür. *Wer immer du auch bist, besser du gehst wieder*, ging es Mac durch den Kopf. Ihr abendlicher Besucher blieb hartnäckig.
Nach einiger Zeit hörte sie eine ihr wohl bekannte Stimme: „Mac, komm schon, mach die Tür auf. Ich bin es, Harm.“
*Es hat wohl eh nicht viel Sinn ihn dort stehen zu lassen. Das einzige was dann passiert, ist, dass sich die Nachbarn gestört fühlen.* Also stand sie etwas widerwillig auf und öffnete ihm die Tür.
„Hey Ninja – Girl, störe ich?“
„Nein, schon okay, ich war nur grad… ähm… auf der Toilette.“
Harm glaubte ihr kein Wort. Zu deutlich waren die Spuren, die sich auf ihren Wangen abzeichneten. Sein Marine hatte geweint. Um nicht sofort die Standard – „Ich – bin – ein – Marine – ich – kann – mir – selbst – helfen“ – Rede zu hören, zog er es aber vor, nicht weiter darauf einzugehen: „Ich dachte mir, so geschafft wie du heute nach Haus gefahren bist, hast du bestimmt wenig Lust gehabt, dir noch etwas zu kochen. Deswegen gibt es jetzt leckeres Abendessen für dich. Darf ich vielleicht reinkommen?“
„Oh, entschuldige. Klar darfst du reinkommen.“ Sie öffnete die Tür ein wenig weiter und ließ ihn an sich vorbei eintreten. „Das mit dem Essen wäre gar nicht nötig gewesen, ich habe keinen großen Hunger, Harm.“
Der aber ließ sich nicht beirren, stellte das mitgebrachte Essen auf dem Tisch ab, ging geradewegs in Richtung Küche um zwei Flaschen Wasser zu holen. *Also gut, spielen wir das Spiel weiter…* „Du hast schon gegessen?“
„Nein, nicht direkt, ich hab wirklich keinen Appetit.“
„Mein Marine und keinen Appetit haben? Das passt aber nun gar nicht zusammen“, zog er sie auf.
„Reicht es nicht, wenn ich einmal sage, dass ich keinen Hunger hab?“, gab sie ihm patzig und gereizter, als sie es beabsichtigte, zurück.
Erschrocken sah er auf. Und er sah, dass ihr ihr Ausbruch leid tat. Genau dies zeigte ihm aber umso mehr, wie es eigentlich um seine Partnerin stand.
„Okay, wenn du nichts essen magst… ich hätte da noch eine Frage bezüglich unsere Anklage gegen Master Chief Lewis.“
Just in diesem Moment klopfte es erneut an der Tür. Mac zuckte unwillkürlich zusammen, eine Reaktion die Harm keineswegs entging. Sie zögerte, die Tür zu öffnen.
„Was ist los Mac, erwartest du jemand bestimmtes?“
*Reiß dich zusammen Marine, er muss ja nicht sofort mitbekommen, was los ist.*
Zielstrebig ging Mac zur Tür, während sie Harm bedeutete, schon einmal die Teller aus der Küche zu holen.
*Für wen ziehst du diese Show ab, Ninja – Girl*, fragte sich Harm zum wiederholten Male, als er langsam aber sicher doch Richtung Küche ging. Am liebsten wäre er bei Mac geblieben, hätte sich hinter sie gestellt, als sie die Tür aufgemacht hat. Da er jedoch wusste, wie sie auf seine zeitweiligen Beschützerinstinkte reagierte, beschloss er doch lieber die Teller zu holen. *Wenigstens isst sie dann etwas.*
Als er zurückkam, fand er Mac allein vor. In ihrem Gesicht standen verschiedene Emotionen geschrieben: Unsicherheit, Verwirrung, Angst. Alles Dinge, die Harm eigentlich nicht in Verbindung mit ihr brachte. Sie registrierte gar nicht, dass er bereits wieder im Raum stand und sie beobachtete.
Erst kurze Zeit später sah sie erschrocken auf, starrte ihn einen Moment an, bis sie meinte: „Na los, Flyboy, lass uns essen, bevor die ganzen leckeren Sachen kalt werden.“
*Schauspieler* Harm wusste es. So leicht konnte man ihm nichts vormachen. Und dieser Marine Colonel dort erst recht nicht. „Maaac“, er zog ihren Namen ermahnend in die Länge.
„Ja?“
„Lass das.“
„Was?“
„Die Schauspielerei, die du hier veranstaltest.“
Sie wusste, wann sie verloren hatte. Sie fixierte angestrengt den Fußboden vor sich.
„Willst du mir nicht endlich erzählen, was los ist?“
Ein vorwurfsvoller Blick ihrerseits brachte ihn jedoch sofort wieder davon ab, sie weiter zu drängen. Er stellte leise die Teller auf dem Tisch ab, ging hinüber zum Kamin und zündete ein kleines Feuer an. Dann begab er sich wieder zu Mac, setzte sich zu ihr aufs Sofa. Harm war bemüht, ihr nicht zu nahe zu kommen: Sie sollte nicht denken, dass er sie für schwach hielt. Und dass er den Beschützer mal wieder nicht unter Kontrolle hatte.
„Du hattest eine Frage zum Fall, Harm?“, wandte sie sich nach einer Weile wieder an ihn.
„Wer war vorhin an der Tür, Mac?“
„Eine Frage beantwortet man nicht mit einer Gegenfrage, Herr Anwalt. Und zu deiner Beruhigung, vor meiner Tür stand vorhin ein junger Mann, der ursprünglich zu einer Ms. Kean wollte. Wohnt genau eine Etage unter mir.“
„Meine Frage konnte ich mir inzwischen…“, weiter kam Harm nicht, da Macs Telefon die Stille in ihrer Wohnung jäh unterbrach.
Wieder zögerte Mac. Nur nicht gar so lang dieses Mal, dennoch lang genug, dass es Harm bemerkte.
Sie stand auf, nahm ihr Telefon mit ins Nebenzimmer. „MacKenzie.“, hörte er sie sich melden. Stille. Schließlich kam sie wieder zurück in die Stube, setzte sich auf ihren Platz auf der Couch. Um Harms Frage zuvorzukommen, meinte sie nur kurz: „Verwählt.“
*Das sind mir ein bisschen zu viele Zufälle, Colonel.*, ging es Harm durch den Kopf, aber er zog es wieder vor, nichts zu sagen. Stattdessen blieben beide ruhig auf dem Sofa sitzen. Nach einiger Zeit bemerkte Harm, dass sein Marine eingeschlafen war. Mac rutschte immer weiter zur Seite, bis sie schließlich gegen seinen Arm gelehnt liegen blieb.
*Du musst ja ziemlich fertig sein, Mac. Aber so liegst du unmöglich bequem…* Ganz vorsichtig versuchte er sie zumindest einigermaßen bequem hinzulegen, legte ihren Kopf auf seinen Schoß und hielt ihn mit seinem linken Arm. Kurz schien es, als würde sie aufwachen. Er flüsterte ihr zu: „Schlaf weiter, Marine. Niemand tut dir weh. Hier bist du sicher,“ *und hoffentlich siehst du das genauso, wenn du aufwachst. Also reiß mir bitte nicht den Kopf ab… ich mein es doch nur gut mit dir*, fügte er in Gedanken hinzu.
Mit seinem rechten Arm strich er Mac über die Wange, versuchte sie weiter zu beruhigen. Bis auch er schließlich einschlief…

Irgendwann wachte Harm dann wieder auf, sein Rücken protestierte gegen die momentane Schlafposition. Er konnte nicht sagen, wie spät es war… Bei diesem Gedanken musste er lächeln und flüsterte Mac leise zu: „Das könnte dir nicht passieren Marine, hm?“
Er versuchte vorsichtig aufzustehen, ohne sie zu wecken. Dieses Unterfangen gestaltete sich zu Beginn etwas schwierig, aber Mac schien in ihren Träumen so weit weg zu sein, dass er es schließlich doch schaffte. Er ging kurz hinüber ins Schlafzimmer, um ihr wenigstens eine Decke zu holen. Unterwegs checkte er die Uhrzeit, kurz vor halb elf sagte seine Armbanduhr.
Auf dem Weg zurück in die Stube fiel Harms Blick auf das Telefon, das Mac vorhin wohl hier liegen gelassen haben musste. Die Decke überm rechten Arm fasste er nach diesem um es ebenfalls mit hinüber zu nehmen.

>ring ring ring – ring ring ring<

Harm benötigte einen kleinen Augenblick, um zu registrieren, dass das Telefon in seiner Hand läutete. *Wer ruft denn um diese Uhrzeit noch hier an? Und Mac schläft, hoffentlich ist sie noch nicht wach geworden…*
Er zögerte nicht weiter, drehte sich um, ging wieder ein Stück von der Tür weg und meldete sich:
„Rabb.“
„Ah, Commander, was tun sie denn um diese Uhrzeit bei ihrer ‚Kollegin’?“
Die Art und Weise wie der Kerl das Ganze ins Telefon säuselte gefiel Harm überhaupt nicht. Noch weniger gefiel ihm seine Betonung des Wortes ‚Kollegin’…
Er beschloss nicht weiter darauf einzugehen und fragte stattdessen: „Mit wem spreche ich?“ Irgendwoher kam ihm auch die Stimme bekannt vor, aber einordnen konnte Harm sie momentan nicht.
„Nicht dass Sie das etwas anginge, Commander, schließlich habe ich doch beim Colonel angerufen, oder? Wo ist Ihre hübsche Partnerin überhaupt?“
„Sagen Sie mir, wer Sie sind und was Sie von Mac wollen!“
„Eigentlich kann ich meine Bitte dieses Mal auch an Sie richten. Es reicht, wenn Sie einfach tun, was ich Ihnen sage und alles wird gut werden…“
*Dieses Mal?* Harms Gedanken überschlugen sich. War das vielleicht auch der Typ, der sich vorhin ‚verwählt’ hatte?
„Was wollen Sie?“, fragte er gereizt nach.
„Lassen Sie die Anklage gegen Master Chief Jenny Lewis fallen und die Sache ist gegessen.“
„Das werden wir mit Sicherheit nicht tun!“
„Dann werden Sie mit der gleichen Sicherheit am eigenen Leib erfahren, was ich gerade durchmache.“
„Hören Sie,…“, weiter kam Harm nicht, denn in diesem Moment wurde ihm das Telefon ruckartig aus der Hand gerissen. Er drehte sich um und sah in die Augen seines anscheinend wütenden Marines: „Mac…“, er wusste nicht was er nun davon halten sollte. Sie drückte den roten Hörer und beendete damit das Gespräch.
„Wer war am Apparat, Harm?“, fragte sie gereizt nach.
„Ich weiß es nicht. Irgend so ein Kerl, der wollte, dass wir die Anklage gegen Master Chief Lewis fallen lassen…“
„Wieso gehst du überhaupt an mein Telefon?“, seine Antwort machte sie nur noch zorniger.
Harm dagegen staunte immer mehr darüber, wie sie reagierte. *Seit wann ist es ein Problem, wenn ich ans Telefon gehe? …Seit sie diese Anrufe bekommt, Rabb!* Trotzdem versuchte er sie erst einmal zu besänftigen. *Einen Marine zu besänftigen ist wohl schwieriger als einen Löwen zu zähmen.* „Mac, du hast geschlafen. Ich war nur kurz hier im Zimmer um dir eine Decke zu holen. Da hat das Telefon geklingelt und ich dachte mir…“
„…dass du dich mal eben in meine Privatsphäre einmischen könntest und rangehst, richtig?“
„Nein!“, so langsam wurde er nun auch sauer, „Dass du vielleicht ein wenig Schlaf gebrauchen könntest, denn du siehst nicht so aus, als hättest du davon zuviel bekommen in letzter Zeit. Dass es besser ist, dich schlafen zu lassen. Wie oft hat der Kerl hier schon angerufen, hm?“
„Ich kann ganz allein darauf achten, wie viel Schlaf ich bekomme! Dazu brauche ich keinen großen starken Navy – Piloten!“, Mac redete sich immer mehr in Rage und Harm verstand immer weniger warum eigentlich. „Es ist besser du fährst jetzt nach Hause, Harm.“ Sie hatte nicht vor auf seine letzte Frage zu antworten.
„Wie oft hat er angerufen, Mac?“ Natürlich war ihm aufgefallen, dass sie seiner Frage auswich.
„Fünf oder sechs Mal. Na ja, vielleicht auch ein bisschen öfter. Das ist nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest, okay?“
„Und er hat auch von dir verlangt, dass du die Anklage gegen Jenny Lewis fallen lässt? Hat er dir gedroht?“
„Er wollte, dass wir die Anklage fallen lassen. Und gedroht hat er mir nicht so direkt… Er hat nicht gesagt, dass er mir etwas antun würde oder so etwas.“
*Das soll er sich wagen, dann…*, in seinem Kopf überlagerten sich sein Zorn auf diesen Kerl, weil er Mac belästigte und vielleicht sogar bedrohte, seine Sorgen um seinen Marine und auch die Wut auf Mac, weil sie ihm nichts gesagt hatte. Oder war er wegen Letzterem eher enttäuscht?
All diese Emotionen konnte Mac in seinen Augen lesen. „Darum habe ich dir nichts gesagt, Harm! Du steigerst dich da schon wieder in etwas hinein. Wahrscheinlich ist es nur der klägliche Versuch eines Freundes der Angeklagten, sie vor dem Gefängnis zu bewahren! Ich passe schon auf mich auf, Sailor", den letzte Satz sprach Mac etwas leiser aus. Sie legte Harm ihre Hand auf den Arm um ihn davon zu überzeugen, dass seine Sorgen unbegründet waren. Sie selbst hoffte es zumindest…
„Was hat er gesagt, Mac?“
„Er… er hat gesagt, dass…“ Sie vermied es ihm in die Augen zu sehen.
Mac hätte gar nicht weiter sprechen müssen, um Harm zu zeigen, dass seine Sorgen eben nicht unbegründet waren. Irgendetwas beunruhigte seinen Marine doch mehr, als dieser zugeben wollte. Deshalb legte er ihr seine Hand unters Kinn, strich mit dem Daumen sanft darüber und hob ihren Kopf soweit an, dass sie ihm in die Augen sehen musste: „Ja? Was hat er gesagt?“
„Dass… er uns trennen würde. Dass wir dann erfahren würden, was es bedeutet, einsam zu sein.“ Daraufhin wand sie sich von Harm ab, verließ das Schlafzimmer und nahm seine Jacke vom Kleiderhaken.
Harm folgte ihr in die Stube. Er wusste, dass sie nicht beschützt werden wollte und dass sie ihn deshalb jetzt nach Hause schicken würde. Er nahm ihr die Jacke wieder ab und hängte sie zurück an den Haken, was ihm einen fragenden Blick von Mac einbrachte.
„Er ruft nachts an, richtig? Du kommst nicht zum schlafen, weil du immer wieder vom Telefon geweckt wirst und findest auch danach keine Ruhe, weil du grübelst, wer es sein könnte und was der Kerl von uns will?“
„Ja“, antworte Mac leise.
„Ich…“, begann er, verlor dann kurzzeitig den Mut. Er versuchte sich selbst aufzumuntern, weiter zu reden *Was soll es schon werden, wäre ja nicht das erste Mal* „Ich könnte hier auf der Couch schlafen und das Telefon hier behalten. Dann würdest du etwas Schlaf finden und morgen früh fahren wir ins Hauptquartier und versuchen herauszufinden, wer dieser Typ ist. Bis Montag möchte ich nicht mehr warten…“
„Ich glaube nicht, dass ich dich von deinem Plan abbringen kann, oder, Sailor?“
„Nein, das glaube ich auch nicht“, und bei diesem Satz breitete sich ein Flyboy – Lächeln in seinem Gesicht aus. Er hatte gewonnen! Er hätte gar nicht gedacht, dass es so leicht werden würde Mac davon zu überzeugen. Das ging ja fast zu einfach. Aber wahrscheinlich zeigte das umso mehr, wie sehr Mac die Aussicht auf eine Nacht, in der sie durchschlafen kann, zusagte.
„Harm“, *oh oh ich wusste doch, dass noch ein großes Aber kommt* „du nimmst das Bett und ich stattdessen Couch und Telefon.“
Dann würde sie doch wieder nicht durchschlafen können.
„Also gut Marine, hier mein Kompromissvorschlag: Ich nehme das Bett, damit du dir keine Sorgen um mein Wohlergehen machen musst und das Telefon kommt dafür mit ins Schlafzimmer.“
Mac setzte schon wieder an zu protestieren.
„Keine Widerrede, Mac. Und nun ab ins Bad mit dir, möchte da ja auch heute noch hin!“


Macs Wohnung,
Georgetown, Washington D.C.
nächster Morgen 7.23 Ortszeit

Die Sonnenstrahlen weckten Harm am nächsten Morgen auf. Es war noch ruhig in der Wohnung, Mac schien noch zu schlafen. Das Telefon hatte in der Nacht nur noch ein einziges Mal geklingelt, das darauf folgende Gespräch brachte Harm aber keine weiteren Informationen über den Anrufer.
*Zeit um aufzustehen und einem bestimmt hungrigen Marine Frühstück zu machen*, dachte er sich und begab sich auf den Weg in die Stube. Das Sofa war leer. Da war kein hungriger Marine, der Frühstück haben wollte… Suchend schaute er sich um, ob Mac wenigstens eine Nachricht hinterlassen hatte, wo sie hingegangen sei. Hatte sie. Auf dem Wohnzimmertisch lag ein kleiner Zettel:

Guten Morgen Schlafmütze,

konnte nicht mehr schlafen, deshalb bin ich eine Runde joggen gegangen. Mach dir keine Sorgen, bin gegen halb acht wieder zurück. Mit Frühstück.

Mac

So ganz behagte ihm der Gedanke nicht, dass Mac dort draußen allein war, während so ein Typ frei rumlief, der sie bedrohte. Gut, er könnte genauso ihn bedrohen, so genau hatte er das am Telefon nicht gesagt, aber das machte ihm weniger Sorgen. Irgendwie war es ihm auch gar nicht so recht bewusst.
Fünf nach halb acht. *Mac ist überfällig… Das gefällt mir gar nicht.*
Während er darüber nachdachte, was er nun tun könnte, hörte er den Schlüssel im Türschloss und einen Moment später stand sein Marine vor ihm:
Verschwitzt, ein paar Haarsträhnen hingen ihr ins Gesicht, aber unversehrt und mit einer Brötchentüte in der Hand.
„Guten Morgen, Sailor. Na ausgeschlafen?“
„Morgen Mac. Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein, hörst du?“
„Harm… Ich war laufen. Das tue ich jeden Morgen und das weißt du. Was hältst du davon, wenn du uns jetzt was Leckeres zum Frühstück zauberst – ein paar Sachen hab ich ja mitgebracht, sogar ein wenig Hasenfutter für dich, und ich geh duschen?“
Er wusste, dass sie es so oder so nicht einsehen würde. Das einzige, was er erreichen könnte, wenn er noch weiter den Beschützer spielte, war, dass sie noch mehr Dummheiten machen würde.
„Einen Penny für deine Gedanken“, wurde er von Mac unterbrochen.
„Ach nichts, Mac“, er streckte seinen Arm nach der Tüte aus, „und nun los, wir wollen heute ja noch im Hauptquartier ankommen… nachdem wir mit der Polizei gesprochen haben.“
„Polizei?“
„Die sollen checken, wo diese ganzen Anrufe herkamen. Selbst wenn wir keinen Privatanschluss finden werden, so können wir doch das Suchgebiet einschränken.“


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
10.46 Ortszeit

„Also, Commander, was haben wir alles?“
„Zunächst einmal haben wir einen weiblichen Master Chief, der wegen Insubordination angeklagt ist. Wir klagen an, das Urteil wird nächste Woche erwartet. Wir haben die Aussage ihres COs, haben bisher auch keinen Grund an dieser zu zweifeln. Von einem weiteren Crew – Mitglied wissen wir, dass sich der Master Chief bereits des Öfteren negativ über den Führungsstil des Captains geäußert hat. Gegenbeweise gibt es kaum. Insgesamt sieht es nach einer klaren Sache aus.“
„Und nun haben wir jemanden, der meint, sie vor dem Gefängnis bewahren zu müssen.“
Harm lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah seinen Gegenüber an: „Was können wir über denjenigen schon sagen?“
„Er scheint in einem relativ engen Verhältnis zur Angeklagten zu stehen. Wieso sonst sollte er ein solches Risiko für sie eingehen? Wir sollten beginnen, uns in Jenny Lewis` Freundeskreis umzusehen, versuchen herauszufinden, mit wem sie in letzter Zeit in Kontakt stand. Der Mann hat davon gesprochen, dass er ohne Jenny ‚einsam wäre’.“
„Einsam wäre ich ohne meine Freunde oder meine Familie.“
„Oder ohne...“
„Oder ohne?“
„Oder ohne gute Arbeitskollegen.“
„Gute Arbeitskollegen?“
„Warum wiederholst du ständig alles, was ich sage? Der Kerl hat doch zu dir gesagt, wir würden durchmachen, was er momentan erlebt, wenn er uns trennen würde, hm?“
„Du hast Recht Mac“, er stand auf und ging um den Schreibtisch herum „Was hältst du davon, wenn wir uns nun eine kleine Mittagspause gönnen und anschließend eine Liste aller in Frage kommenden Personen erstellen?“
Vorsichtig legte er ihr seine Hände auf die Schultern und begann Mac ganz sanft zu massieren. Die ließ sich daraufhin etwas zurücksinken und genoss es sichtlich, nach einigen Minuten entfuhr ihr ein leichtes „Hmmm.“
Harm genoss es derweil nicht weniger, seinen Marine zu berühren. Seine Gedanken drifteten ab und er wurde erst durch Macs Stöhnen wieder in die Realität zurückgeholt. Er merkte, dass ihm die Röte ins Gesicht stieg und zwang sich deshalb, die Massage zu beenden. Möglichst schnell musste er an die frische Luft.

Etwa zwei Stunden und ein gutes Mittagessen später saßen die beiden Anwälte nun vor einer Liste möglicher Verdächtiger.
„Mac, ich kenn die Stimme des Mannes“, fiel Harm ein.
„Du weißt aber nicht woher?“
„Richtig.“
„Nun ja, ich habe ihn ja wenigstens auch am Telefon gehört und ich glaube, mir kommt gerade eine Idee…“ Und damit war Mac aus Harms Büro verschwunden.
„Bin gleich wieder bei dir“, hörte er sie noch rufen.

Harm ging zwischenzeitlich die Liste noch einmal durch. In einer Beziehung stand Jenny Lewis offiziell nicht. Sie hatte einige gute Freunde, soweit sie davon wussten. Auf der USS Truman hatte sie erst vor wenigen Monaten ihren Dienst begonnen, sich aber gut eingelebt. Sie war recht beliebt. Insgesamt schien die Liste jedenfalls viel zu lang.

Als er aufsah, stand Mac wieder vor ihm, einige Videokassetten in ihrer Hand: „Prozessaufzeichnungen. Wir haben die Namen all derer, die während der Verhandlung im Gerichtssaal waren. Vielleicht finden wir da noch etwas. Und – was noch viel besser ist – wir können die Zeugen noch einmal ‚hören’.“
„Du bist gut, Marine, wirklich gut.“
„Ich weiß,“ antwortete sie ihm mit einem Grinsen auf dem Gesicht.
Er war froh darüber, dass sie wieder Lachen konnte. Noch mehr erfreute es ihn, dass sie mit ihm lachte.
„Also dann, an die Arbeit!“ Damit legte er die erste Kassette ein.


Liebe Grüsse Petra

Kalorien sind kleine Tierchen, die nachts die Kleidung enger nähen.

 
Petra-Andreas
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RE: Endstation Einsamkeit von angel

#2 von Petra-Andreas , 07.05.2007 20:33

JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
17.03 Ortszeit

Harm drückte die Rückspultaste der Fernbedienung. Das war das letzte Video. Sie hatten ihn nicht gefunden. Warum sollte er es ihnen auch so leicht machen? Erst vor Gericht aussagen und dann anrufen?
Etwas hatte der Nachmittag aber doch gebracht: Sie konnten einige Namen von ihrer Liste streichen. Aber es blieben immer noch genug übrig…

„Was ist eigentlich mit deinem Telefon, Mac?“
„Oh… ich habe ganz vergessen den Officer zurückzurufen!“
Sie suchte einen Moment in ihrer Handtasche nach dessen Visitenkarte, um ihn umgehend anzurufen:
„Colonel Sarah MacKenzie hier. Ich habe heute morgen mit ihnen gesprochen…“
„…“
„Ja, richtig. Konnten Sie herausfinden, woher die Anrufe stammten?“
„…“
„Ich danke Ihnen. Auf Wiederhören.“
Harm sah sie mit fragendem Blick an.
„Die Anrufe kamen allesamt aus Telefonzellen in D.C. Eine genaue Auflistung der Standorte bekommen wir noch heute per E-Mail.“
„Das heißt wir können all diejenigen, die sich zu den fraglichen Zeitpunkten nicht in den Staaten aufgehalten haben, von der Liste streichen. Das beträfe dann wahrscheinlich alle Crew – Mitglieder, was sich leicht nachprüfen lässt.“
„Es sollte auch möglich sein, den Aufenthaltsort der anderen Männer auf der Liste herauszufinden,“ ergänzte sie, „derjenige muss sich ja seit mindestens neun Tagen in Washington befinden.“
„Neun Tage, Mac? Der Kerl droht dir seit neun Tagen?“
„Ich hatte dir gesagt, dass er schon einige Male angerufen hat.“
„Du hast von vielleicht sechs, sieben Anrufen gesprochen. Warum hast du mir nur nichts erzählt? Er hätte…“
„Harm, nicht jetzt. Wir haben zu tun. Wenn wir nicht bald anfangen, die Männer zu überprüfen, bleibt uns nicht mehr viel Zeit für einen gemütlichen Abend vorm Kamin.“ *Hab ich das gerade laut gesagt? Nein, das kann gar nicht sein.* Dennoch traute sie sich nicht aufzusehen und in Harms Gesicht zu schauen und vertiefte sich weiter in die Liste.
*Gemütlicher Abend vorm Kamin? Habe ich irgendetwas verpasst?* Da seine Partnerin aber nicht den Eindruck machte, als würde sie das weiter erklären wollen, begann auch er wieder zu arbeiten.

Die nächsten Stunden liefen die Telefone in beiden Büros heiß. Natürlich konnten sie ohne die Mithilfe anderer nicht sofort sämtliche Alibis überprüfen, also würden sie sich wohl noch ein wenig gedulden müssen, um wirkliche Klarheit zu bekommen. Im Moment sah es jedenfalls so aus, als blieben nur noch zwei, drei Namen auf der Liste stehen. Namen von Männern, die eventuell als Täter in Frage kämen.

Zum dritten Mal in der letzten Viertelstunde strich sich Harm mit der Hand über die Stirn, was Mac natürlich nicht verborgen blieb. Sie wusste auch, dass sie heute Abend mit ihrer Arbeit wohl nicht mehr sehr weit vorankommen würden. Daher konnten sie genauso gut Feierabend machen.
„Na, haben wir da einen müden Matrosen?“
Aber Harm reagierte gar nicht.
„Harm?“
„Hm? Hast du was gesagt, Mac?“
„Ich hatte dir eine Frage gestellt, Sailor, aber die kann ich mir nun auch selbst beantworten. Lass uns nach Hause fahren, was hältst du davon?“
„Wäre wohl das Beste für heute. Wir können auf dem Weg zu dir noch schnell einen Imbiss besorgen.“
*Weg zu mir?*, dachte sich Mac. *Einfach nicht näher drauf eingehen. Er hat sich bestimmt versprochen. Aber der gemütliche Abend vorm Kamin… würde mich doch reizen.*
„Das ist eine klasse Idee. Bin schon halb verhungert! Ich setz dich dann nach dem Essen bei dir zu Hause ab.“
„Wie war das mit dem gemütlichen Abend vor dem Kamin?“, er hatte es nicht vergessen und konnte es sich nicht verkneifen, sie damit aufzuziehen. Und er wusste ganz genau, dass ihr das mehr als peinlich war…
Er hatte sich nicht geirrt. Mac lief sofort rot an, war sprachlos. Nicht viele Menschen vermochten es, sie sprachlos zu machen.
„Nein mal im Ernst, Mac. Wenn es dir nichts ausmacht… uh… würde ich gern wieder mit zu dir kommen. Man weiß ja nie, was diesem Typ noch einfällt.“
„Das musst du nicht tun, das weißt du. Ich bin ein Marine…“
„… und du kannst dich selbst verteidigen, ja das weiß ich. Ich würde auch nie auf eine andere Idee kommen! Aber ich würde viel ruhiger schlafen. Bitte Mac.“
*Oh man, sieh mich nicht so an, Harm… Wie soll ich dir da noch eine Bitte abschlagen.* Sie verlor sich in seinen Augen.
„Deal?“, fragte er nach.
„Deal. Aber du lässt die Hände bei dir, Flyboy!“, antwortete sie grinsend.
„Na was soll denn da aus unserem Ruf werden? Ein Navy – Pilot verbringt den Abend mit einer schönen Frau und muss die Hände still halten?“ Nun breitete sich über seinem Gesicht ein breites Grinsen aus.
„Danke für das Kompliment, aber wenn du denkst, dass du es nicht schaffst, muss ich dich wohl doch bei dir zu Hause absetzen, damit du kalt duschen und dich abregen kannst!“ Sie wusste, dass sie ihn damit kriegen würde.
„Nein, nein, Mac, das war nur ein Scherz! Das weißt du doch, oder?“
*Ja, leider weiß ich das*, ging es ihr durch den Kopf. Aber sie antwortete nicht, blickte nur stumm auf irgendeinen imaginären Punkt an der Wand hinter Harm.
„Mac, ich würde nie…“, langsam begann er sich unsicher zu werden, ob Mac das Ganze wirklich als Spaß verstanden hatte.
„Lass es gut sein, Harm. Können wir los?“
*Wie darf ich denn diese Antwort nun verstehen?*, fragte er sich im Stillen, um dann aber nur laut zu antworten: „Ja, auf geht’s. Ich will mich ja nicht mit einem hungrigen Marine anlegen!“


Macs Wohnung,
Georgetown, Washington D.C.
21.04 Ortszeit

Mac schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf, öffnete sie dann weit genug, damit Harm eintreten konnte. Dieser legte seine Tasche auf eine kleine Kommode in der Stube, um sich dann wieder zu seiner Partnerin zu drehen und ihr den Mantel abzunehmen. Beide waren vom langen Arbeitstag sichtlich erledigt.
Mac ging hinüber zur Couch und ließ sich müde darauf fallen.
„Zündest du das Feuer im Kamin an?“, fragte sie ihn halb im Spaß, halb im Ernst.
Da Harm aber von einem ‚gemütlichen Abend vorm Kamin' auch nicht abneigt war, zögerte er damit nicht. „Aye, aye, Ma` am“, gab er ihr zur Antwort. Tat wie ihm befohlen und setzte sich dann zu ihr auf die Couch.
Als Mac sich den Nacken rieb, fragte er sie plötzlich: „Soll ich dich weiter massieren, Marine?“, um sich dann anschließend zu fragen, wie er denn auf die dumme Idee gekommen sei, sie das zu fragen.
Mac sah ihn leicht irritiert an, beschloss dann aber – ganz ohne Hintergedanken natürlich – das Angebot anzunehmen. „Deine Fliegerhände können das richtig gut. Wenn du es gern machen würdest…“
*Ich würde gern noch viel mehr mit meinen Fliegerhänden tun, Ninja – Girl.* Doch er hütete sich davor diesen Gedanken auch laut auszusprechen. Stattdessen sagte er nur: „Na klar, komm her, leg dich hin.“
Also legte sich Mac bäuchlings auf die Couch, Harm setzte sich auf die Kante und begann sie ganz sanft zu massieren. Das Umfeld brachte seine Gedanken dabei noch mehr in gefährliche Regionen, als das heute Nachmittag schon im Büro passiert war. Aber dieses Mal würde er nicht aufhören zu genießen.
Mac hatte die Augen geschlossen und war auf dem Weg ins Paradies. Nach einigen Minuten wandte sie sich dann wieder an ihn: „Harm?“
„Hm?“
„Würdest du… ach, vergiss es.“
„Nein, sag schon, was würde ich?“
„Mich hier unten massieren?“, sie zeigt auf ihre Lendengegend.
Nun war es an Harm leicht verwirrt dreinzuschauen.
„Ich hab es doch vorher gewusst, vergiss es einfach wieder.“
„Nein, nein, schon okay. Ich massier dich gern. Vielleicht hast du sogar etwas Massageöl hier? Dann ginge es noch besser.“
*Noch besser geht gar nicht, Fliegerheld.*
„Ja habe ich! Warte ich hole es“, und sie machte Anstalten, aufzustehen.
Er drückte sie jedoch sanft wieder zurück. „Schhhh, bleib liegen Marine, sag mir wo es steht und ich hol es.“
Sie erklärte es ihm, er stand auf und war zwei Minuten später mit dem Öl wieder da.
Nun saß er da, sein Marine lag vor ihm auf dem Sofa und er zögerte ihr Oberteil hochzuschieben. *Nun los, Rabb. Sonst bist du doch auch nicht so schüchtern!*, und dann tat er es schließlich doch, ganz langsam und vorsichtig. Mac sollte sich nicht überrumpelt fühlen und anschließend auch nicht bereuen, dass sie gefragt hatte. Dann legte er seine Hände auf ihren Rücken und begann wieder sie mit kreisenden Bewegungen zu massieren. Immer bemüht, sich nicht zu weit aus der gefahrenfreien Zone zu bewegen. Na ja, eigentlich war er immer außerhalb der gefahrenfreien Zone, wenn ein gewisser Marine Colonel sich mit ihm im gleichen Raum befand. Und so machten sich seine Gedanken wieder selbstständig. Dass es Mac nicht anders erging, wusste er ja nicht. Er sah sie nur genießen, die Augen wieder geschlossen. Und das machte ihn glücklich.
Schließlich befand Mac, dass Harm lange genug ‚gearbeitet’ hatte und drehte sich zu ihm um. Er war darauf allerdings nicht gefasst und hatte so seine Hände plötzlich auf Macs Bauch.
*Nicht bewegen, Marine, sonst kann ich für nichts mehr garantieren*, schoss es ihm durch den Kopf. Und er wusste, dass es wahr war.
„Danke, Harm“, hörte er sie sagen. Er hörte sie wie durch einen Nebelschleier und kam nur ganz langsam in die Realität zurück. Und plötzlich wurde er sich bewusst, wo sich seine Hände befanden. Er zog sie ruckartig zurück, wollte sich entschuldigen.
„Mac, ich, Entschuldigung, ich weiß, dass…“
Aber sein Marine wollte die Entschuldigung gar nicht hören. Sie legte ihm den Finger auf seine Lippen und bedeutete ihm so, nicht weiter zu reden. Zu schön war der Moment. Und wieder verlor sie sich in diesen ozeanblauen Augen…
Harm war es, als wäre er immer noch von diesem Schleier umgeben. Da lag eine Art Magie in der Luft. Eine Magie, die seinen Kopf immer näher zu Mac brachte. Seine Lippen näherten sich den ihren, nur noch wenige Zentimeter lagen zwischen ihnen…

>ring ring ring – ring ring ring<

…als sie jäh vom Telefon unterbrochen wurden. Weg war die Magie. Ersetzt durch das Bewusstsein, dass da draußen immer noch jemand war, der sie beide bedrohte.
Harm sah kurz zu Mac herüber, die nickte und er nahm das Telefonat an.
„Rabb.“
„Hallo Commander.“
*Dieser Mistkerl! Er soll mit dem Gesäusel aufhören!*
Mac konnte in seinen Augen sehen, dass er mit dem Stalker sprach.
„Genießen Sie die letzte Zeit mit ihrer Freundin?“
„Lassen Sie sie in Ruhe, zum Teufel!“
„Schauen Sie doch mal ins Schlafzimmer des Colonels.“
Und damit legte er auf.

Er blickte hinüber zum Schlafzimmer. Die Tür war geschlossen.
Noch einmal drehte er sich zu Mac um, bedeutete ihr, sitzen zu bleiben und stand dann auf um Richtung Schlafzimmer zu gehen.
„Wo willst du hin?“, fragte sie ihn.
„Nur nachsehen, ob hier alles in Ordnung ist. Ich erklär es dir sofort.“

Harm stand nun vor der Schlafzimmertür. Öffnete sie langsam und blickte herein. Es lag im Dunkeln, er konnte nichts erkennen. Also tastete er sich weiter vor zum Lichtschalter, machte das Licht an und ging dann ganz in das Zimmer herein.

Das letzte was er fühlte, war ein merkwürdig riechendes Tuch vor Nase und Mund. Da muss jemand hinter der Tür gestanden haben und… weiter konnte er nicht denken, der Ether wirkte bereits und Harm sackte zu Boden.
Als Mac dieses Geräusch hörte stand sie sofort auf um ebenfalls ins Schlafzimmer zu gehen. Doch dort kam sie nicht mehr an, denn Sekunden später sah sie plötzlich in die Mündung einer Pistole…


Macs Wohnung,
Georgetown, Washington D.C.
2.51 Uhr Ortszeit

Das erste was Harm wahrnahm, waren seine Kopfschmerzen. Er fasste mit einer Hand an seinen Hinterkopf, um dort eine heftige Beule zu ertasten. Er musste gegen den Bettrahmen gefallen sein. *Gefallen? Wieso bin ich gefallen?*
Beim nächsten Gedanken schoss er regelrecht in die Höhe: *Mac!* Der Kerl war hier gewesen, hatte ihn betäubt und… Die Hoffnung, dass Mac wohlbehalten im Nebenzimmer saß und vielleicht nur schlief, war verschwindend gering und wurde ganz zerstört, als er hinüber in die Stube ging und diese verlassen vorfand. *Oh mein Gott, Mac...*, an etwas anderes konnte er nicht denken.
Harm schaltete das Licht ein, um die Wohnung nach irgendeinem Hinweis darauf, wohin der Stalker Mac entführt haben könnte, abzusuchen. Er suchte nicht lange, fand einen Brief, der an ihn gerichtet war:

Commander Rabb,

kein Wort zu irgendjemandem, oder ihre Kollegin ist tod.
Oder sollte ich besser sagen Freundin? Ich habe Sie beide
beobachtet, gesehen, wie Sie miteinander umgehen. Also
Schluss mit dem Theater. Ich weiß, was Sie Ihnen bedeutet.
Mir war auch einmal jemand so wichtig.
Melden Sie den Colonel krank oder tun Sie, was immer
Sie möchten. Aber die Verhandlung gegen Jenny geht weiter.
Und Sie werden dafür sorgen, dass Sie freigesprochen wird.
Besser Sie tun was ich sage. Ich werde es beobachten.

Wer war dieser Mann nur? Und vor allem, was sollte er jetzt tun? Die Liste würde erst morgen früh vollständig bei JAG vorliegen, erst dann wären alle Alibis überprüft und er könnte mit der Suche nach den Verdächtigen beginnen. Gott sei Dank, ging die Verhandlung gegen Master Chief Lewis erst am Montag weiter. Es blieben ihm also noch etwas mehr als 24 Stunden, ehe er darüber entscheiden müsste, was er diesbezüglich tun würde. Aber er konnte doch jetzt nicht seelenruhig hier bleiben und nichts tun!
Unruhig ging er im Wohnzimmer auf und ab. Fünf Schritte hin, fünf Schritte zurück. Fünf Schritte hin… Irgendwann war er mal den Weg zur Haustür gegangen und hatte hier nach Spuren gesucht. Vergeblich. Das gleiche Ergebnis vor dem Haus. Nun war er wieder hier oben. Alleine. Fünf Schritte zurück.
Schließlich legte er sich wieder ins Bett, versuchte zu schlafen, die Zeit bis zum Morgen zu überbrücken. Er brauchte lange, um einzuschlafen.

…Irgendjemand rüttelte ihn sanft an der Schulter. Als er ihre vertraute Stimme hörte, wusste er, dass es Mac war.
„Harm, hey, was ist los, du bist ja völlig durchgeschwitzt.“
„Mac? Aber ich dachte,…“
Just in diesem Moment sah er eine große Gestalt in der Tür erscheinen. Ein Mann, kräftig gebaut. Aber sonst konnte er nichts erkennen. Dann ging der Typ auf Mac zu. Da sie aber immer noch zu Harm schaute, bemerkte sie davon nichts. Er wollte sie warnen… „Achtung! Mac! Pass auf!“ …doch sie schien ihn nicht zu hören. Der Kerl näherte sich ihr immer weiter. Er hielt einen Strick in den Händen und er hob nun seine Arme um diesen um Macs Hals zu legen. „Neeeeeeeein!“…

Von seinem eigenen Schrei geweckt war die Nacht für Harm viertel nach fünf am nächsten Morgen beendet. Er richtete sich im Bett auf, rieb sich mit den Händen das Gesicht. Schlafen würde er nicht mehr können. Also beschloss er aufzustehen, joggen zu gehen, zu duschen und dann keine Sekunde später als 7.30 Uhr im Hauptquartier zu erscheinen. Nein, eher würde er früher fahren, für den Fall, dass die Liste doch noch eher reinkommt. Vielleicht würden ja die Kollegen früher mit ihrer Arbeit beginnen, vielleicht…
Harm hoffte nur, dass er Mac finden würde. Und dass nicht nur vielleicht.


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
7.09 Ortszeit

Commander Harmon Rabb, jr. war der einzige, der um diese Zeit an diesem Sonntagmorgen bei JAG arbeitete. Bis jetzt hatte er bereits drei Mal die eMails gecheckt: seine und die seines Marines. Nichts.
Sein Magen knurrte. Verständlicherweise, denn das Frühstück hatte Harm heute morgen ausgelassen. Appetit hatte er immer noch keinen, aber er wusste auch, dass dies wohl ein langer Tag werden würde, ein Tag, der über Macs Schicksal entscheiden könnte. Dafür musste er fit sein. Und so begab er sich in die Teeküche, bereitete sich eine kleine Schüssel Müsli und zwang sich, diese zu essen.
Zurück in seinem Büro kontrollierte er wieder die Mails. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er das „Sie haben Post“ der Computerstimme hörte. Da war sie, die ersehnte Liste. Vielleicht ein Hinweis auf den Entführer. Ein Name war rot angestrichen. Es war anscheinend nur eine Name übrig geblieben: Steve Hughes. Noch kannte Harm diesen Hughes nicht, aber das wollte er ändern. Bald. Sehr bald.


Unbekannter Ort,
8.26 Uhr Ortszeit

Mac kam langsam zu sich. Zunächst sah sie die Dinge um sich herum nur verschwommen, brauchte einige Minuten um sich zu orientieren. Sie versuchte auch ihre Gedanken zu sortieren. *Kamin – Harm – Anruf – dumpfes Geräusch – Pistole*, weiter konnte sie sich nicht erinnern. Und nun war sie hier. Sie lag in einem großen, weichen Himmelbett in einem Zimmer, das sehr großzügig mit orientalisch anmutendem Ambiente eingerichtet war. Sie kam aber nicht dazu, all dieses nun genauer zu betrachten, denn als sie aufblickte, sah sie direkt in das Gesicht ihres Peinigers.
„Guten Morgen, Colonel.“
Ein Check ihrer inneren Uhr verriet ihr, dass es bereits Sonntagmorgen war. Halb neun. *Er muss dich betäubt haben, Marine.*
„Wer sind Sie und wo bin ich? Was haben Sie mit meinem Partner gemacht?“
„Wer ich bin, ist nicht wichtig. Ich habe Sie in meiner Gewalt und das zählt. Ihr erster Gedanke galt Ihrem Commander und das sagt mir, dass ich das Richtige tue. Er wird alle meine Wünsche erfüllen, nur um Sie heil wiederzubekommen.“
„Was haben Sie ihm angetan?“, schrie Mac ihn regelrecht an.
„Ich habe ihn nur ein wenig betäubt. Machen Sie sich keine Sorgen. Genießen Sie Ihren Aufenthalt hier.“
Er wandte sich zum Gehen. „Ach und Colonel? Versuchen Sie nicht aufzustehen. Es wird Ihnen nicht gelingen.“ Damit war er aus der Tür verschwunden.
Mac versuchte es dennoch. Für einen Moment hielt sie inne, als ihr ihre Kleidung in die Augen fiel. Genau genommen war das nicht ihre Kleidung. Jemand muss sie umgezogen haben. Er muss sie umgezogen haben… *Halt dich nicht daran auf, Mac, nutze lieber die Zeit, in der du hier allein bist!* Sie wollte gar nicht weiter darüber nachdenken, was der Scheißkerl noch alles mit ihr angestellt haben könnte…
„Aaaaah!“, durchfuhr sie ein starker Schmerz als sie ihr rechtes Bein zu bewegen versuchte.
*Was ist das denn?* Sie konnte sich den Schmerz zunächst nicht erklären. Es fühlte sich ein wenig so an, als ob ihr Bein gebrochen wäre. Aber das konnte ja nicht sein, oder?
*Es sei denn, der Typ war dafür verantwortlich! Du warst bewusstlos, Marine!* Im Moment war sie nicht in der Lage, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen.
Da sie aber zumindest ihren Oberkörper schmerzfrei bewegen konnte, versuchte sie sich bis zum Fenster zu quälen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Der nächste Weg führte zur Tür.
Vom Fenster aus sah man eine weite Grünfläche und in einiger Entfernung Wald. Mehr nicht. Kein Auto. Keine Straße. Keine Häuser. Und die Tür war abgeschlossen.
Mac sackte an der Wand zusammen. Die Schmerzen waren unerträglich. Noch viel schlimmer als die Schmerzen war ihre Hilflosigkeit hier.
*Harm…*, war das letzte, was sie dachte, bevor sie wieder bewusstlos wurde.


Wohnsitz von Steve Hughes,
14th Street, Washington D.C.
8.50 Uhr Ortszeit

Die Gegend, in der sich Commander Harmon Rabb, jr. befand, war ihm wenig geheuer. Die Blocks waren heruntergekommen, hier und da waren Fenster zerschlagen. Den Eigentümern fehlte offensichtlich das Geld, sie zu reparieren. Auf den Gehwegen sammelte sich allerhand Müll, aus den Gullis stank es ekelhaft nach Kloake.
*Also los Rabb, auf in den Kampf*, sagte er sich. Einen kleinen Zettel in der Hand machte er sich auf die Suche nach Hausnummer 1251. Im dritten Stock sollte Hughes wohnen.
Wenige Minuten später stand Harm vor der betreffenden Wohnung. In den Häusern sah es nicht besser aus als draußen auf der Straße, nur der Gestank war nicht ganz so unerträglich.
Er klopfte an.
Harm hörte, dass jemand zuhause sein musste. Er war sogar bereit, sich zwangsweise Zugang zur Wohnung zu verschaffen, falls ihm niemand öffnen würde.
Dann hörte er, wie jemand die Tür von innen aufschloss und Momente später sah er in das Gesicht eines jungen Mannes, Mitte dreißig vielleicht. Harm fragte sich, wie man in der Gesellschaft so weit sinken konnte, kam dann aber zu dem Schluss, dass er sich wohl kein Urteil erlauben dürfte, wenn er nicht die genauen Umstände kannte.
Der Mann sah ihn irritiert an.
„Mein Name ist Commander Harmon Rabb, ich komme vom Judge Advocate General Chorps der Navy. Spreche ich mit Steve Hughes?“
„Warum wollen sie das wissen?“
„Ich kann Ihnen leider nichts Genaues sagen. Mister Hughes steckt vielleicht bald in Schwierigkeiten, deswegen ist es wichtig, dass ich mit ihm sprechen kann. Darf ich vielleicht reinkommen?“
„Nein, dürfen Sie nicht. Der Penner ist vor ein paar Tagen hier abgehauen. Weiß nicht wohin. Er hat mich hier sitzen lassen, wie ich die Miete allein bezahlen soll, interessiert den wohl nicht. Ist mir also scheißegal, ob der Schwierigkeiten bekommt.“
„Mister…“
„John reicht. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen.“
„Also gut John, es ist wirklich sehr wichtig, dass ich Hughes finde. Es könnten Menschenleben davon abhängen. Also bitte, haben Sie eine Vorstellung, wo er hingegangen sein könnte?“, Harm flehte ihn regelrecht an. Vielleicht war das hier seine einzige Spur zu Mac, er musste diesen Hughes finden.
„Nee echt nicht. Und noch mal: es interessiert mich auch nicht die Bohne!“
Harm fasste in seine Hosentasche und zog einen $50 – Schein hervor, den er John vor die Nase hielt.
„Fällt Ihnen jetzt vielleicht etwas ein?“, fragte er leicht genervt von soviel Ignoranz nach. Aber wahrscheinlich begegnete John in der Gesellschaft solchem Verhalten jeden Tag. Er wusste nicht, ob er es ihm verübeln konnte, so zu handeln.
„Er meinte, er müsse seiner verlorengegangenen Liebe nachjagen oder so. Aber ich hab keinen Schimmer, von wem er da geredet hat. Hughes hat alle paar Tage ne andere angeschleppt. Die letzte vernünftige Frau hatte er wohl vor etwa nem halben Jahr oder so. Nachdem Schluss war, hats nur noch ein paar Wochen gedauert, bis er hier gelandet ist.“
„Haben Sie die Frau mal gesehen? Wissen Sie vielleicht sogar Ihren Namen?“
„Wenn man noch etwas nachhelfen würde, könnte mir vielleicht etwas einfallen.“, antwortete John auf diese Frage und bedeutete Harm mit der Hand, ihm noch mehr Geld zu geben. Ein schmieriges Grinsen breitete sich auf Johns Gesicht aus.
*Was soll` s. Wenn er mich zu Mac bringen kann, bekommt er was er haben will*, resignierte Harm und zog einen weiteren Schein aus der Tasche.
John fasste danach, doch Harm zog den Schein zurück. „Also?“, fragte er nach.
„Jenny hieß die Kleine damals. Ich hab Sie nie gesehen, aber ich hab ein Foto von den beiden da. Wären Sie damit zufrieden?“
Als Antwort gab ihm Harm die zweiten fünfzig Dollar.
John verschwand kurz in der Wohnung, kam dann mit einem leicht lädierten Foto zurück. Er reichte es Harm und meinte zum Abschied: „Wenn Sie mal wieder Hilfe brauchen, kommen Sie nur her.“
„Danke“, murmelte Harm leise, drehte sich dann um, um zu gehen. Er starrte auf das Foto in seinen Händen.
Das Foto zeigte ein anscheinend glückliches Pärchen vor einem Hotel… *vor einem Hotel*, hallte es in Harms Kopf wieder. Er wusste nun genau, was weiter zu tun war.
Zuerst würde er Bud anrufen müssen, der verteidigte Master Chief Lewis schließlich und konnte ein Gespräch mit ihr arrangieren.


Unbekannter Ort,
10:42 Ortszeit

Mac lag wieder im Himmelbett. Jemand musste sie dorthin zurück getragen haben. Das war das erste was sie registrierte, als sie wieder zu sich kam. Als zweites die Schmerzen, die wohl keineswegs besser geworden waren. Und dann die Stimme dieses Typen.
„Colonel, Colonel. Ich hatte Ihnen doch gesagt, Sie sollen nicht aufstehen.“
„Was ist mit meinem Bein?“
„Ich vermute, dass es gebrochen ist. Sie sind gestürzt, als wir Ihr Apartment verlassen haben. Leider kann ich Sie nicht in ein Krankenhaus bringen. Aber seien Sie unbesorgt, wenn ihr Commander tut, was ich ihm sage, sind Sie in kurzer Zeit wieder hier raus.“
„Er wird nicht tun, was Sie wollen!“, erklärte Mac ihm nachdrücklich.
„Er wird, er wird. Da bin ich mir ganz sicher.“
„Wo ist überhaupt meine Uniform?“


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
zeitgleich

Harm hatte Bud von unterwegs angerufen. Er hatte ihm nur kurz erklärt, dass er dringend mit Jenny Lewis sprechen müsste, die Sache mit Mac jedoch verschwiegen. Es war nicht leicht gewesen, ihn davon zu überzeugen, heute, am Sonntag ein Gespräch mit seiner Mandantin in die Wege zu leiten. Aber er konnte ihm versichern, dass es wirklich sehr wichtig wäre. Da Bud seinem Freund und Mentor vertraute, machte er sich unverzüglich auf den Weg zu JAG.
Harm fuhr mit seinem Wagen auf den Parklatz vorm Hauptquartier. Bud schien noch nicht da zu sein. Dafür stand aber ein Kurierdienst vor dem Haupteingang: Der Bote klingelte, wartete aber vergeblich, dass ihm jemand öffnete.
Mit wenigen Schritten legte Harm die Distanz zwischen Wagen und Eingang zurück und sprach den Boten an: „Guten Tag! Wen suchen Sie denn an diesem Sonntagvormittag hier? Das muss ja wirklich eine ganz eilige Sendung sein!“
„Einen Commander Harmon Rabb. Ich habe den Auftrag, das Päckchen schnellstmöglich zuzustellen.“
„Ich bin Commander Rabb.“
Auf dem Gesicht des Boten zeichnete sich Erleichterung ab, auf dem von Harm dagegen Verwirrung. Wer würde ihm denn heute ein Paket schicken? Noch dazu eines, das so dringend zu sein schien?
Harm unterschrieb für den Empfang, klemmte sich das Paket unter den Arm und ging hoch in sein Büro.
Er legte nur noch schnell Mantel und Tasche beiseite, ehe er sich dem Paket widmete.
Ihm stockte der Atem als er den Inhalt erkannte: Das war Macs Uniform!
*Nein, das kann nicht sein, er kann sie nicht… kommt der Kerl mir zwischen die Finger, dann mache ich Kleinholz aus ihm... Mac, ich schwöre dir, ich finde ihn und ich finde dich, Marine…*
Harm wusste gar nicht, was er zuerst denken sollte. Viel Zeit zum Überlegen blieb ihm auch nicht, denn wenige Momente später klingelte sein Telefon.
„Rabb.“
„Na haben Sie mein Überraschungspaket erhalten, Commander?“, versuchte der Entführer Harm zu reizen. Und es gelang ihm.
„Was zum Teufel haben Sie mit Mac gemacht. Gnade Ihnen Gott, wenn Sie ihr auch nur ein Haar gekrümmt haben, dann sorge ich persönlich dafür…“
„Langsam, langsam, Rabb. Dem Colonel geht es gut. Noch. Haben Sie die Anklage gegen Jenny schon zurückgezogen?“
„Ich werde gar nichts tun, bevor ich nicht weiß, dass es Mac gut geht. Ich will mit ihr sprechen. Sofort.“, Harm versuchte sich so gut es ging zusammenzureißen.
„Also gut. Sie können mit dem Colonel sprechen und Sie lassen heute noch die Anklage gegen Jenny fallen. Dann ist Ihre kleine Freundin morgen frei. Tun Sie das nicht, ist Ihre Freundin morgen tot.“
Der Entführer machte sich auf den Weg in Macs Zimmer. Er sah sie auf dem Bett liegen und schlafen.
„Sie schläft, Commander, soll ich Sie wecken?“, säuselte er ins Telefon.
„Fassen Sie sie bloß nicht an“, drohte Harm ihm erneut. Bei der Vorstellung, dass der Typ Mac berührte, drehte sich ihm der Magen um.
Der Kerl ging aber gar nicht darauf ein.
„Keine faulen Tricks, Commander. Sie kennen die Spielregeln.“
Damit gab er das Telefon an Mac weiter, die er sanft geweckt hatte.
„Ja?“, hörte Harm ihre Stimme leise am anderen Ende.
„Mac! Gott sei Dank, du lebst. Geht es dir gut, Prinzessin?“, fragte Harm voller Sorge und Hoffnung zugleich.
Mac wusste, wenn Harm erfahren würde, wie es ihr ging, würde er sich nur noch mehr Sorgen machen. Die Sache mit der Anklage, nun, vielleicht war es das wirklich wert, es ging ja ‚nur’ um Insubordination.
„Es geht mir gut, Harm. Mach dir keine Sorgen um mich.“
„Wo bist du, Marine?“
„Ich weiß es nicht, irgendwo im Grünen…“
Dann riss der Entführer ihr das Telefon wieder aus der Hand.
"Glauben Sie mir jetzt?", blaffte er Mac an.


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
11.03 Ortszeit

Lieutenant Bud Roberts klopfte zum wiederholten Male am Türrahmen, das Büro des stand Commanders offen. Wieder keine Reaktion. Bis eben hatte Harm telefoniert, das hatte Bud gerade noch mitbekommen, als er das Bullpen betrat. Und nun stand sein Mentor da, starrte auf das Telefon in seiner Hand und schien geistig völlig abwesend.
„Commander, ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Bud, nun doch in das Büro eintretend.
Endlich schien Harm ihn bemerkt zu haben, er blickte zu ihm auf. Aber verstanden, was er gefragt worden war, hatte er offensichtlich nicht.
„Bud… hallo… ehm, Entschuldigung, was hatten Sie gerade gesagt?“
„Ich habe gefragt, ob bei Ihnen alles in Ordnung sei?“
Nun setzte sich Harm auf seinen Stuhl. Er bat Bud gleichzeitig, doch auch Platz zu nehmen, deutete mit seinem Arm auf einen der Besuchersessel vor ihm. Er nahm seine Hände kurz vors Gesicht, so als wollte er eine gewisse Müdigkeit abstreifen.
„Ja… Nein, nichts ist in Ordnung. Deswegen habe ich Sie ja auch hergebeten.“
„Was ist denn passiert?“

Zuerst hatte Harm ihm das Versprechen abgenommen, Stillschweigen über die ganze Sache zu bewahren. Dann endlich konnte er jemandem alles erzählen.
„Ich werde Master Chief Lewis sofort herbeordern lassen, Commander. In der Zwischenzeit sehe ich, was ich über diesen Steve Hughes herausfinden kann.“


Liebe Grüsse Petra

Kalorien sind kleine Tierchen, die nachts die Kleidung enger nähen.

 
Petra-Andreas
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Registriert am: 16.04.2007


RE: Endstation Einsamkeit von angel

#3 von Petra-Andreas , 07.05.2007 20:34

JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
12.34 Ortszeit

Vor wenigen Minuten war Jenny Lewis im Hauptquartier angekommen. Nun saß sie mit ihrem Verteidiger und dem Anwalt der Anklage im Konferenzraum und bereitete sich auf ein Verhör vor, dessen Inhalt sie noch nicht einmal erahnen konnte.
„Guten Tag Master Chief“, begann Harm das Gespräch, „wir kennen uns ja bereits. Ich habe einige wichtige Fragen an Sie.“
„Fragen Sie. Ich habe nichts zu verbergen. Wenn das hilft, die Wahrheit herauszufinden.“
„Kennen Sie einen Steve Hughes?“
„Das hat nichts mit meinem Fall zu tun, oder? Lieutenant Roberts, warum lassen Sie zu, dass er mich über private Dinge befragt?“
„Der Commander darf auch Fragen stellen, von denen er vermutet, dass Sie mit dem Fall zusammenhängen“, erklärte Bud seiner Mandantin, „auch wenn dieser Zusammenhang momentan noch nicht bewiesen ist.“
„Also, Master Chief, kennen Sie ihn?“, hakte Harm weiter nach.
„Ja, ich kenne ihn. Habe ihn aber seit Monaten nicht gesehen.“
„In welchem Verhältnis standen Sie zu ihm?“
„Wir waren eine Weile zusammen. Reicht Ihnen das? Könnten Sie mir jetzt bitte erklären, wozu das gut sein soll?“
„Nein, tut mir Leid, das kann ich nicht“, verneinte Harm diese Frage. Vielleicht hing Jenny Lewis ja auch in der ganzen Story mit drin? Er musste dennoch nachfragen. Hier hatte er schließlich nichts zu verlieren. Aber irgendwo dort draußen befand sich sein Marine, entführt von einem einsamen, liebeskranken Irren...
„Bitte, Master Chief. Wann haben Sie sich getrennt? Und wie?“
„Also gut, Commander. Wir haben uns zwei Wochen bevor ich auf die Truman gegangen bin getrennt. Ich hab die Sache beendet, einen Schlussstrich gezogen. Er kam damit nicht klar. Ist ziemlich ausgerastet und, soweit ich das von Freunden noch mitbekommen habe, gesellschaftlich auch ziemlich abgerutscht. Hat er nun Probleme, für die er mich verantwortlich machen will?“
Harm ging nicht weiter auf ihre Frage ein. Die Antwort der Frau vor ihm klang nicht danach, als würde Sie mit Hughes unter einer Decke stecken. Wenn denn Hughes überhaupt derjenige war, der Mac in seiner Gewalt hatte.
„Kennen Sie jemanden, der um alles in der Welt verhindern wollte, dass Sie verurteilt werden?“
„Einige Freunde, meine Familie. Die würden das alle nicht gern sehen. Was meinen Sie mit ‚um alles in der Welt’?“
„Mord zum Beispiel.“
„Oh mein Gott“, rief Jenny Lewis erschrocken aus. „Niemand, den ich kenne, würde so weit gehen!“
„Auch Hughes nicht?“
„Er hätte doch nichts davon, warum sollte er das tun?“
Darauf wusste keiner der beiden Anwälte eine Antwort. Plötzlich fiel Harm noch etwas ein. Er legte Jenny das Foto von John vor.
„Wo ist das aufgenommen?“
„Ein kleines Wochenendhäuschen, liegt etwas abseits des North Eastern Highway durch die Appalachen. Wir haben dort unseren Urlaub verbracht. Wo haben Sie dieses Foto her?“
„Würde Hughes mit einer Frau dorthin fahren, um mit ihr ein paar schöne Tage zu verbringen?“
„Ja, das ist schon möglich.“
„Wie kommen wir dorthin?“
Kurz darauf beendeten Harm und Bud das Gespräch mit dem Master Chief. Ihr nächster Weg würde sie genau zu jenem Haus führen.
*Hoffentlich bist du da, Mac. Bitte, du musst überleben. Ich liebe dich doch… Was tust du, Rabb? Liebe war das eigentlich nicht, oder? Eher gute Freundschaft. Sehr gute Freundschaft, Harm...*


Unbekannter Ort,
16:12 Ortszeit

Der Entführer brachte Mac etwas zu Essen, setzte sich zu ihr und fragte sehr höflich, was Sie denn trinken mochte. Sie wollte nur Wasser. Und sie wollte endlich wissen, wer der Typ vor ihr war.
Bevor sie ihre Mahlzeit anrührte, fragte Sie ihn noch einmal danach.
„Würden Sie mir freundlicherweise auch verraten, wer Sie sind, Mister?“
„Also gut, Colonel. Wenn ich Sie dadurch etwas milder stimmen kann. Mein Gesicht kennen Sie ja bereits. Und da ich mich mit Jenny noch diese Woche ins Ausland absetzen werde, kann ich Ihnen auch meinen Vornamen verraten. Steve. Ich heiße Steve. Und da wir gerade dabei sind, ist es in Ordnung, wenn ich dich Sarah nenne, Kleines?“
*Der Typ ist doch krank*, dachte sich Mac und sie zischte ihn nur an: „Nein, ist es nicht. Es bleibt beim Colonel, Steve!“
Sie nahm daraufhin blitzschnell ihren Teller in die Hand und schleuderte Steve das heiße Essen ins Gesicht. Dieser war sichtlich erschrocken und für einen Moment zu perplex um zu reagieren, so dass Mac auch diese Sekunde für sich ausnutzen konnte. Mit wenigen Schlägen hatte Sie ihn außer Gefecht gesetzt. Sie durchsuchte ihn nach einer Waffe, fand jedoch keine.
*Und jetzt, Marine, werden wir sehen, was das Überlebenstraining gebracht hat*, sprach sie sich selbst Mut zu und floh aus dem Zimmer, aus dem Haus, so weit sie konnte ohne sich umzudrehen.
Erst Minuten später gestattete sie sich eine minimale Pause. Sie betrachtete ihre Umgebung: Wald. Nichts als Wald. Wo sollte sie da nur hin? Und das mit ihrem verletzten Bein?


Wochenendhaus der Hughes,
nahe des North Eastern Highway in den Appalachen,
16:51 Uhr Orstzeit

Langsam aber sicher kam Steve Hughes wieder zu sich, es dämmerte ihm was so eben passiert war. *Wie lang war ich eigentlich bewusstlos?*, fragte er sich beim Versuch, das Geschehen zu rekonstruieren. *Der Colonel ist geflohen!*
Er bemühte sich aufzustehen, hatte jedoch ziemliche Schmerzen in der Rippengegend. Wahrscheinlich hatte dieser Marine ihn mit diesem Schlag zu Boden gestreckt. Aber das war alles egal jetzt, er musste sie finden!
Hughes stolperte durch den Flur aus dem Haus hinaus, verschaffte sich einen Überblick über die Situation. Bevor er jedoch los zog, Mac zu suchen, holte er sich noch seine Pistole von drinnen. Die hatte der Colonel augenscheinlich nicht gefunden.
Da sich Steve Hughes als Kind sehr oft hier in dieser Gegend aufgehalten hatte, konnte er sich wesentlich besser orientieren als Mac eine halbe Stunde zuvor. Er versuchte sich ein wenig im Spuren lesen und machte sich auf die Suche nach Mac. Wahrscheinlich würde sie versuchen etwas abseits des Zufahrtsweges zum Highway zu gelangen.
Während er ihr leise folgte, fasste er einen schrecklichen Plan. Dafür, dass Colonel MacKenzie ihn auch allein gelassen hat, genauso wie Jenny damals, würde sie leiden müssen. Er wusste noch nicht wie, aber er war sich sicher, dass ihm eine Idee kommen würde.

Nicht allzu weit voraus quälte sich Mac immer noch mit ihrem verletzten Bein. Der kleine Feldweg schien ihr der einzige Zugang zum Haus zu sein. Also würde sie auf diesem Wege auch zurück müssen. Da sie aber nicht auf dem Präsentierteller stehen wollte, wählte sie den beschwerlichen Weg durch den angrenzenden Wald – nie die Zufahrt außer Augen verlierend.

Harm und Bud hatten sich die genaue Wegbeschreibung zum Wochenendhaus geben lassen. Nun waren sie fast am Ziel angelangt.
Harm flehte, dass er seinen Marine hier finden würde. Eine Anspannung, die seinem Beifahrer keineswegs verborgen blieb. Bud sah Harms Gesicht und er sah die Knöchel seiner Hände weiß hervortreten, so fest hielt der Commander das Lenkrad umkrampft. Bud Roberts fragte sich, was Harm tun wollte, falls Colonel MacKenzie nicht hier oben wäre. Er zog es jedoch vor, ihn das nicht zu fragen. Nicht jetzt. Auch er betete darum, dass sie sie finden konnten.
„Das hier muss die Abfahrt sein. Es ist die einzige weit und breit. Und sie liegt genau so, wie es Master Chief Lewis beschrieben hat, Commander“, wies Bud Harm den Weg.
Commander Rabb bog ab.
Wieder Stille im Wagen.
Sie folgten dem Feldweg für einige Minuten.
Und dann, plötzlich, hörten sie Schüsse.
Wieder und wieder.


Zufahrt zum Wochenendhaus,
nahe des North Eastern Highway in den Appalachen
17:09 Ortszeit

Harm machte eine Vollbremsung, blockierte damit gleichzeitig den gesamten Weg, so dass über diese Strecke niemand fliehen konnte. Er sprang aus dem Auto, versuchte jemanden zu sehen oder zu hören, konnte jedoch nichts erreichen.
*Wer auch immer hier jemanden verfolgt, der tut dies bestimmt nicht auf offener Straße…*, ging es ihm durch den Kopf, also wies er Bud an, das Unterholz rechts von ihnen zu checken, er selbst nahm die linke Seite.
Beide hatten ihre Waffen dabei.
Es wurde langsam dämmrig, im Wald konnte Harm so gut wie nichts sehen. Da er sich aber ziemlich sicher war, die Schüsse vorhin von vorn kommen gehört zu haben, ging er langsam in diese Richtung. Harm wusste weder mit wem er es zu tun hatte, noch wie derjenige auf ihn reagieren würde. Deshalb bemühte er sich, möglichst keine Geräusche zu machen. Er hoffte inständig, dass es Mac gut ging. Und das hoffte er auch für den Kerl, der ihr vielleicht etwas angetan haben könnte. War das nämlich nicht der Fall, konnte er für nichts mehr garantieren…

>knack<

*Da war doch ein Geräusch, oder?*

>knack<

Wieder. Hastig suchte Harm Deckung hinter einem kleinen Gebüsch. Blieb für einen Moment still hocken, um sich nicht zu verraten.

>knack<

Da kam jemand auf ihn zu! Harm drehte seinen Kopf ein kleines Stück, versuchte die Person zu erkennen, aber er konnte nicht einmal jemanden sehen.
*Abwarten, Rabb*, sagte er sich selbst.
Also blieb er in Deckung, allerdings gewärtig jeden Moment hochzuschnellen und den Anderen zu überwinden. Er hätte immerhin das Überraschungsmoment auf seiner Seite.

Nun waren die Geräusche schon sehr nahe und als die Person sein Versteck passiert hatte, sprang er auf, packte sie von hinten und zerrte sie nach unten. Er drehte sie auf den Rücken und setzte zum Schlag an…
In dem Moment erkannte er, wen er dort vor sich hatte:
„Mac!“, rief er leise aber bestimmt und zog sie sofort in seine Arme. Er bettete ihren Kopf an seine Schulter und hielt sie einfach nur fest.
„Gott sei Dank, Marine, ich hab dich wieder…“
Harm drehte sich zu ihr um, küsste sie auf die Stirn, nur um sie dann wieder ganz dicht an sich zu ziehen und sie nie wieder loszulassen...

Mac brauchte ein wenig länger, um sich zu orientieren. Eigentlich wusste sie erst, wo sie war, als sie in den Armen dieses Piloten lag. Für einen winzigen Moment waren alle Schmerzen vergessen und sie war einfach nur glücklich, dass er da war.

„Mac, du zitterst ja am ganzen Körper, was hast du?“, fragte Harm besorgt nach.
Als Mac daraufhin schmerzhaft aufstöhnte, hielt er ihr kurz die Hand auf ihren Mund: „Shhhh, ganz ruhig mein Engel, wir sind nicht allein hier,“ um sie dann an den Schultern zu fassen und ein Stück von sich wegzuschieben.
„Was ist los mit dir, Mac?“
„Mein Bein…“, war das Einzige was sie als Antwort zu Stande brachte.
Er besah sich ihre Beine, konnte jedoch keine Verletzung erkennen.
„Ja? Was ist mit dem Bein?“
„Es… es ist gebrochen… ahhhh.“
„Oh man“, murmelte Harm mehr zu sich selbst als zu Mac. „Kannst du noch laufen? Wir müssen weg hier, unser Auto steht eine halbe Meile die Straße runter. Ich kann dich nicht durch den Wald tragen, Ninja – Girl.“
„Dann muss ich wohl laufen“, stellte Mac bestimmt fest und begann sich aufzurichten. Auf halber Höhe brach sie jedoch wieder zusammen.
Blitzschnell erfasste Harm die Situation. Da er ohnehin noch am Boden kniete, konnte er seiner Partnerin unter die Arme greifen und sie abfangen.
„Sachte, sachte, Mac, wenn ich dich schon nicht tragen kann, dann lass mich dich wenigstens stützen.“
In Anbetracht dessen, wie sie immer noch zitterte, überkamen ihn langsam Zweifel, ob sie das wirklich schaffen konnten. *Ihr müsst, Harmon Rabb, jr.!*
Noch einmal nahm er sie in den Arm. Er streichelte ihr sanft über den Rücken und sprach ihr Mut zu. Irgendwie hatte er das Gefühl, sie würde jeden Moment das Bewusstsein verlieren.
„Wach bleiben, Marine, wenn du jetzt gut mitmachst, bist du bald in Sicherheit.“
„Hmmm…“, eine andere Antwort erhielt er nicht mehr.
„Also los, auf geht’s, wir haben keine Zeit mehr!“, damit richtete er sich auf und zog Mac an sich selbst hoch. Die Kraft um selbst aufzustehen, hatte sie nicht mehr.
Dann begaben sie sich auf den Weg zurück zum Auto.
Die Sache gestaltete sich schwieriger als Harm erwartet hatte. Und ganz plötzlich war sie auch beendet, als er jemanden hinter sich rufen hörte:
„Stehen bleiben, Commander!“

Harm blieb stehen. Als nächstes zog er Mac vor sich, brachte seinen Körper zwischen ihren und Hughes. Er legte ihre Arme um seinen Nacken, so dass sie sich problemlos festhalten konnte.
Mac reagierte nur sehr langsam. Als sie schließlich verstand, was Harm da vorhatte, begann sie leise zu protestieren.
„Nicht Harm, ich bin ein Marine…“, weiter kam sie nicht, sie war viel zu erschöpft.
Ihr Partner ging überhaupt nicht darauf ein. Die Gedanken in seinem Kopf rasten. Er musste versuchen, Bud herzurufen – möglichst ohne dass Hughes es merken würde. Gleichzeitig wollte er den Entführer ablenken, auf ihn eingehen. Der Mann schien psychisch nicht sehr stabil, vielleicht konnte Harm ihn zur Aufgabe überreden.
„Geben Sie auf, Hughes! Sie haben verloren!“, schrie Harm lauter als nötig zu Hughes herüber. Er drehte sich dabei nicht um, versuchte nur kurz einen Blick nach hinten zu werfen.
„Und warum sollte ich das tun, Rabb? Sie haben etwas, was mir gehört. Ich will es nur wiederhaben!“
„Der Colonel bleibt hier. Sie müssen mich schon erschießen, wenn Sie sie zurückhaben möchten!“
„Wer redet denn von Ihrem Colonel? Es dreht sich nicht immer alles um Sie, begreifen Sie das endlich! Ich spreche von Jenny… Sie lassen sie gehen und alles wird gut.“
„Was versprechen Sie sich davon? Sie würde auf die USS Truman zurückkehren und nicht zu Ihnen! Sie hat abgeschlossen mit Ihnen, Hughes!“
„Das geht Sie gar nichts an, Commander! Und nun schicken Sie den Colonel herüber zu mir oder ich werde schießen!“
„Mac bleibt hier“, antwortete Harm nun leiser. Er betete, dass Bud endlich kommen würde und den Kerl in Schach halten konnte.
„Das ist Ihre letzte Chance, Rabb. Ich zähle nun bis drei. Langsam. Ist der Colonel bei drei nicht bei mir, sind Sie ein toter Mann.“
*Bud… Wo stecken Sie nur?*
„Eins.“
„Es wird alles gut gehen, Mac“, flüsterte Harm ihr leise ins Ohr. „Vertrau mir.“
„Zwei.“
Harm bemerkte, dass Mac wieder versuchte zu reden, beugte deshalb den Kopf zu ihr runter. Kaum hörbar antwortete sie ihm: „Ich vertraue dir.“
„Drei.“
Ein Schuss ging los.
Harm ließ sich zu Boden fallen und riss Mac mit sich. Er blieb schließlich auf ihr liegen, um sie keinesfalls in die Schusslinie zu bringen. Langsam drehte er sich um, schaute, ob er Hughes entdecken konnte. Es dauerte einen Moment, bis er ihn ausmachte: Er lag zusammengekrümmt auf dem Boden und hielt seinen rechten Arm vom linken umklammert. Blut. Überall war Blut.
Dann sah Harm Bud herbeieilen. Er hatte auf Hughes geschossen!
„Bud! Warum hat das so lange gedauert?“, fragte er seinen Kollegen nur halb im Spaß.
„Ich musste die Waffe aus dem Wagen holen, Sir. Und dann versuchen, so nah wie möglich an Hughes heranzukommen, ohne dass er mich bemerken konnte.“
Und er beeilte sich ein „Entschuldigung, Sir.“ hinzuzusetzen.
„Nein, schon gut Bud. Sie haben uns das Leben gerettet. Und nun lassen Sie uns Mac und diesen… diesen Kerl da auch so schnell wie möglich ins Bethesda bringen.“
*Er hätte es verdient, dass wir ihn hier liegen lassen!*


Bethesda Marine – Hospital,
Maryland
21:17 Uhr Ortszeit

Seit etwa einer Stunde konnten Bud und Harm nichts weiter tun als warten. Bud saß auf einem der Stühle, die in den langen, kahlen Fluren aufgestellt waren. Commander Rabb fehlte dazu die Ruhe. Er schritt den Gang entlang. Hinauf. Hinab. Immer wieder. Jedes Mal, wenn eine der Schwestern auftauchte, fragte er nach Colonel MacKenzie. Und er erhielt immer wieder dieselbe Antwort: Die Ärzte würden ihn informieren, sobald sie die Untersuchungen abgeschlossen hätten, sie als Schwester könne keine Angaben machen.
Dann endlich, scheinbar Ewigkeiten später tauchte am Ende des Ganges ein Arzt auf. Harm ging schnell auf ihn zu, wollte keine Möglichkeit auslassen, sich nach Mac zu erkundigen.
„Doktor…“, rief er dem Arzt hinterher.
Dieser drehte sich um, sah Harm fragend an: „Commander?“
„Wie geht es Colonel MacKenzie, Sir?“
„Sind Sie ein Verwandter des Colonels?“, stellte der Arzt die obligatorische Frage.
„Nein, nicht direkt jedenfalls. Ich bin ihr bester Freund und wahrscheinlich der einzige, den Sie hier im Moment hat. Also bitte.“
„Nun gut, Commander. Dann kommen Sie mal mit.“
Der Arzt ging voran, führte Harm zur Röntgendiagnostik. Unterwegs erklärte er ihm, dass der Colonel in den nächsten zehn Minuten auf ihr Zimmer gebracht werden würde und Harm dann zu ihr könnte. Aber nun wollte er ihm zunächst die gemachten Aufnahmen zeigen.
Die Röntgenbilder hingen noch am Betrachter.
„Sehen Sie hier, Commander“, der Arzt zeigte auf eine Aufnahme von Macs Unterschenkel. „Wir haben ein Fraktur von Schien- und Wadenbein. Das ganze ist kein komplizierter Bruch, wir werden wahrscheinlich nicht operieren müssen. Dennoch könnte sich der Heilungsprozess in die Länge ziehen, weil der Colonel das Bein in den letzten 24 Stunden zu stark belastet hat. Aber es kommt alles wieder in Ordnung.“
Er erklärte auch noch ein paar weitere Dinge, medizinische Zusammenhänge, die Harm aber nur zum Teil verstand. Im Grunde hatte er dafür im Moment so oder so kein Ohr, die zehn Minuten waren um und er wollte zu Mac.
„Danke, Doktor“, meinte Harm als der Arzt endlich mit seinen Ausführungen fertig zu sein schien. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich zu Macs Zimmer zu bringen?“
„Das mache ich gern“, gab dieser zur Antwort und führte Harm durch das Labyrinth aus Gängen und Fluren zurück zu Bud und wies ihnen dann den kurzen Weg zum Zimmer 348.

„Möchten Sie allein gehen, Sir?“, fragte Bud etwas unsicher nach, „Colonel MacKenzie wäre bestimmt froh Sie ein paar Minuten für sich allein zu haben, ich meine…“ Dann brach er ab.
Harm grinste ihn nur an. „Schon in Ordnung Bud, los kommen Sie, statten wir diesem Marine einen Besuch ab.“

Langsam drückte Harm die Türklinke herunter. Er wusste nicht, in welcher Verfassung sich Mac jetzt befinden würde. Ob sie schlief, wach war, Schmerzen hatte… Er wollte sie nicht erschrecken.
Nun öffnete er die Tür genauso vorsichtig wie er eben die Klinke herunter gedrückt hatte.
Mac war allein in diesem Zimmer. Ein zweites Bett stand zwar hier, war aber offensichtlich nicht belegt.
Mac schlief. Sie lag ruhig in ihrem Bett, den Arm an den Tropf angeschlossen, das Bein bis zum Oberschenkel in Gips gelegt.
Leise traten Harm und Bud ein. Bud blieb am Fußende des Bettes stehen. Harm sah sich kurz um, erblickte eine Stuhl in der Ecke und zog sich diesen an Macs Bett heran. Er setzte sich und nahm ihre Hand sofort in seine. Mit dem Daumen streichelte er ganz behutsam über ihren Handrücken und begann dann mit Mac zu sprechen. Eigentlich war es mehr ein Flüstern, da er sie nicht unbedingt wecken wollte.
„Hey Marine, du bist jetzt in Sicherheit“, dabei legte er seine zweite Hand zärtlich auf ihre Wange und streichelte sie auch hier. „Wir haben den Kerl gefasst, der kann dir nichts mehr antun, hörst du? Werd schnell wieder gesund, Prinzessin, hm? Wir müssen noch unseren gemütlichen Abend vorm Kamin zu Ende bringen, wenn du überhaupt möchtest…“

>klack< hörte Harm hinter sich ein leises Geräusch. Er schaute sich suchend um, aber das einzige was ihm auffiel, war, dass Bud fehlte. Er war wohl gegangen und Harm hatte gerade die Tür ins Schloss fallen hören.
Bud hatte sich im Krankenzimmer überflüssig gefühlt. Und spätestens als der Commander den Colonel mit ‚Prinzessin’ ansprach, wurde ihm klar, dass die zwei wohl allein mehr füreinander tun könnten als mit einem 'Anstandswauwau' im Zimmer. Da er wusste, wie es um die Gefühle seiner Vorgesetzten stand, war er auch nicht böse, dass er dort drinnen so wenig beachtet wurde.

Harm sprach indessen weiter mit seinem Marine.
„Ich könnte dich wieder massieren, du kannst bestimmt ein bisschen Entspannung gebrauchen, Ninja – Girl. Was hältst du davon? Dieses Mal behalte ich auch meine Hände dort, wo sie hingehören… obwohl ich das letzte Mal ja nur nicht damit gerechnet hatte, dass du dich so plötzlich umdrehst…“ Beim Gedanken an die darauf folgenden Sekunden wurde Harm ganz warm ums Herz. Fast hätten sie sich geküsst… *Und dann, Rabb, wie hättest du weiter gemacht? Meinst du es ist so eine gute Idee deine beste Freundin zu küssen?*
‚Seine beste Freundin’ wurde langsam wach. Sie öffnete die Augen ganz wenig, versuchte ihre Umgebung wahrzunehmen. Sie wusste, dass Harm da war. Es war seine Hand auf ihrer Wange und er war es auch, der ihre Hand hielt. Er redete die ganze Zeit von irgendwelchen Dingen, die sie nicht ganz verstand – aber das war auch nicht wichtig, seine Stimme beruhigte sie, auch ohne dass sie wusste wovon er redete.
„Harm?“, versuchte sie ihn anzusprechen.
Harm schaute erstaunt auf. Hatte er sie doch geweckt? Sie sollte doch schlafen und sich ein wenig ausruhen…
„Shhh, Mac, ich wollte dich nicht wecken“, dabei bewegte er seine Hand von ihrer Wange Richtung Mund, legte ihr einen Finger auf ihre Lippen. „Schlaf weiter, Marine.“
Doch Mac dachte gar nicht daran. Sie wurde von Minute zu Minute wacher, wollte nun unbedingt wissen, was passiert war und wo sie sich befand.
„Wo bin ich, Harm? Wo ist Steve?“
*Steve?* Bei Harm schrillten alle Alarmglocken als er hörte, dass Mac diesen Typ beim Vornamen ansprach. Er konnte nicht anders, musste nachfragen.
„Ihr seid per du? Warum nennst du ihn Steve?“
„Ich weiß nicht, wie er richtig heißt, Flyboy“, er war süß wenn er besorgt oder eifersüchtig war, so fand sie. Im Moment war er beides. „Er hat mir nur gesagt, er würde Steve heißen, mehr weiß ich nicht.“
„Also gut, ich geb dir eine Kurzfassung der ganzen Geschichte und dann ruhst du dich aus, okay?“
„Nun erzähl schon Harm!“
Also berichtete Harm ihr von seiner Suche nach einem möglichen Verdächtigen, vom Gespräch mit Master Chief Lewis, von der Begegnung mit Hughes im Wald und schließlich von ihrem Weg ins Bethesda und von den Informationen, die er vor wenigen Minuten vom Arzt erhalten hatte.
Als er fertig war, fragte Mac ihn etwas unvermittelt: „Würdest du mir einen Gefallen tun?“
„Jeden, Mac, was brauchst du?“
„Wirklich jeden?“, fragte sie nach und musste dabei ein Grinsen unterdrücken. Sie wusste, dass er ihr diesen Gefallen nur ungern tun würde.
„Nun sag schon, wie kann ich dir helfen?“
„Frag bitte die Ärzte wann ich hier raus kann. Und überzeug Sie, mich so schnell wie möglich zu entlassen“, und jetzt grinste sie doch.
„Mac“, resignierte Harm. Er hätte es wissen müssen.
„Komm schon, du hast es versprochen!“

„Und außerdem fehlt mir nichts weiter, bitte Harm, ich möchte hier nicht übernachten“, flehte sie ihn regelrecht an.
Harm wusste nicht, ob er ihr Recht geben sollte. Gut, ein gebrochenes Bein war wahrscheinlich kein Grund, die Nacht hier zu verbringen. Ein überanstrengtes gebrochenes Bein vielleicht aber schon.
„Also gut, ich werde den Doktor fragen. Aber wenn er sagt, du bleibst, dann gibt es darüber keine weiteren Diskussionen, okay?“
„Okay“, stimmte Mac zu, nicht sicher, wie sie tatsächlich reagieren würde, falls man sie dabehalten wollte.
Harm erhob sich, lehnte sich dann kurz nach vorn um seinem Marine einen Kuss auf die Stirn zu geben. Wenige Sekunden später war er schon draußen auf dem Flur.

Mac blieb im Zimmer zurück, ein Lächeln auf den Lippen. Die Nähe zu Harm gefiel ihr. Er musste sich wirklich Sorgen um sie gemacht haben…
Sie wurde in ihren Gedanken unterbrochen, als es an der Tür klopfte.
„Herein“, rief sie von drinnen.
Kein Geringerer als Bud öffnete daraufhin die Tür und trat ein.
„Hallo Colonel“, grüßte er sie freundlich, „wie geht es Ihnen?“
„Sieht man einmal davon ab, dass ich in den nächsten Wochen auf mein morgendliches Laufprogramm verzichten muss und auch bei der Arbeit etwas Hilfe brauchen werde, geht es mir blendend.“
„Wenn Sie etwas brauchen, dann sind wir alle für Sie da, Ma` am.“
„Das weiß ich Bud, danke. Sagen Sie, ich habe noch nichts über Steve Hughes Zustand in Erfahrung bringen können. Wissen Sie wie es ihm geht?“
„Ich war bis vor wenigen Minuten bei ihm. Er wird es überstehen. Sie werden die Schusswunde heute abend operieren, ihn dann einige Tage zur Beobachtung dabehalten und danach wird er in Haft gehen.“
„Warum hat er das alles getan?“
„Er war bis vor ein paar Monaten mit Jenny Lewis liiert, liebt sie augenscheinlich immer noch und würde wohl alles tun, um sie zurück zu gewinnen. Ma` am, er hat angeboten bei der Aufklärung des Lewis – Falles zu helfen, er sagt, er kann die Unschuld der Angeklagten beweisen. Hughes möchte allerdings nur mit ihnen allein sprechen.“
„Und genau das wird er nicht tun“, ertönte Harms Stimme hinter ihm. Er war ohne anzuklopfen in das Krankenzimmer gekommen und hatte die letzten Sätze gehört. „Wenn er mit der Anklage sprechen möchte, ich stehe zur Verfügung. Zur Entlastung Master Chief Lewis` sollte er allerdings eher mit Ihnen sprechen, Bud.“
„Genau das habe ich ihm auch gesagt, Sir“, versuchte Bud sich zu erklären, „aber er besteht darauf mit dem Colonel zu sprechen. Allein.“
„Und wieso sollte ich das zulassen?“, fragte Harm den jüngeren Offizier. Sein Blick war voller Hass gegen Hughes. Der sollte Mac nie wieder in die Hände bekommen, schwor er sich.
„Harm, das reicht jetzt!“, schritt Mac ein. „Darf ich vielleicht auch mal etwas dazu sagen? Wenn er unbedingt mit mir reden möchte, bitte. Es kann nichts passieren. Schließlich sind wir hier in einem Krankenhaus. Und Hughes liegt verwundet in seinem Bett.“
„Das wirst du nicht tun!“, beharrte Harm auf seinem Standpunkt.
Bud war erstaunt über den Ton, den der Commander gegenüber Colonel MacKenzie anschlug. *Da hältst du dich lieber raus, Bud*, dachte er bei sich.
„Ach ja, und wie willst du das verhindern?“, warf Mac bissig zurück.
Harm wandte sich an Bud: „In welchem Zimmer liegt er?“
„Zimmer 512.“
Diese Antwort genügte ihm. Er war schon auf dem Weg.
„Harm!“, rief Mac ihm nach.
Der Commander blieb einen Moment an der Tür stehen, ließ ihr allerdings den Rücken zugekehrt. „Ja?“
„Tu es nicht.“
Harm öffnete die Tür nun ganz und machte gerade den ersten Schritt in den Flur, als er sie leise sagen hörte: „Bleib bei mir.“
Das drang schließlich zu ihm durch, er drehte sich um und sah Sarah MacKenzie in die Augen.
Die blickte kurz zu Bud, wollte ihn darum bitten, sie kurz allein zu lassen. Aber der hatte auch so schon verstanden, was hier los war.
*Vielleicht verstehe ich mehr was hier los ist, als die beiden es tun*, waren seine Gedanken als er den Raum verließ.

Harm trat wieder an ihr Krankenbett heran, nahm sich erneut den Stuhl und setzte sich neben sie. Ehe er eine Chance hatte, zu überlegen, wie er sie nun überzeugen konnte, begann sie schon zu sprechen:
„Lass uns zu ihm gehen, sobald ich hier raus kann. Zusammen. Wenn du dabei bist, wird er mir nichts tun. Dann hören wir uns an was er zu sagen hat, und danach sehen wir weiter. In Ordnung, Flyboy?“
„Mac, er hat kein Recht…“
Mac wusste, was jetzt kommen würde. Also unterband sie es, bevor er wirklich beginnen konnte, den Beschützer zu spielen.
„Harm, du wirst mich nicht daran hindern können, mit ihm zu reden. Er hat mich nicht unbedingt schlecht behandelt, und ich denke nicht, dass von ihm momentan eine Gefahr ausgeht. Deine einzige Chance ist das Angebot, dass ich gerade gemacht hab. Nimm es an.“ Um das Thema zu beenden, fragte sie gleich darauf: „Und was hat der Arzt gesagt?“
„Du hast gewonnen, Marine. Diese Runde jedenfalls“, und bei dieser Antwort konnte er ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. So schlecht konnte es seiner Partnerin gar nicht gehen, wenn sie schon wieder so argumentieren konnte.
„Der Doktor hat empfohlen, dass du diese Nacht dableibst“, begann Harm.
„Harm, nein“, unterbrach ihn Mac enttäuscht.
„Hör zu, Ninja – Girl. Er hat Recht. Er sagte, er könne deine Entlassung nur verantworten, wenn du unter ständiger Aufsicht bleiben würdest die nächsten vierundzwanzig Stunden. Du hast Schmerzmittel bekommen und Antibiotika. Dennoch kann dein Bein noch heftige Probleme machen. Bleib hier, Mac, es ist das Beste.“
„Du hättest ihm sagen können, dass du auf mich acht gibst. Dann hättest du zu Hause abgeliefert, wärst selbst heimgefahren und niemand hätte etwas gemerkt.“
„Genau das hätte ich tun können, Mac, aber ich habe es nicht getan und werde es nicht tun.“

In diesem Moment betrat der Arzt das Zimmer.
Er entschuldigte sich für die Störung, meinte aber es sei Zeit für eine letzte Visite bevor die Nachtruhe beginnen würde.
Harm war schon im Begriff aufzustehen und den Raum zu verlassen, als er Mac den Arzt fragen hörte: „Es gibt jemanden, der die kommenden vierundzwanzig Stunden in meiner Nähe bleiben und so auf meine Verletzung achten könnte, Doktor. Wäre es unter diesen Umständen nicht möglich, mich noch heute Abend zu entlassen?“
Ihr Blick hatte etwas Flehendes an sich.
„Wer wäre denn dieser ‚jemand’, Colonel?“, versuchte der Arzt sich abzusichern, bevor er eine Entscheidung traf.
„Commander Rabb, Sir“, gab sie zur Antwort.
Der Commander schien ihm verlässlich genug und er gab sich geschlagen.
„Ich werde ihre Entlassung nach der Visite in die Wege leiten“, an Harm gewandt sprach er weiter: „Würden Sie das Zimmer bitte für einige Minuten verlassen?“
„Ja, Sir“ antwortete der pflichtbewusst und ging.


Bethesda Marine – Hospital,
Maryland
22:58 Ortszeit

Der Arzt verließ das Krankenzimmer etwa eine Viertelstunde später und bedeutete Harm, dass er nun wieder zu seiner Partnerin könne.
Als Harm eintrat, war Mac gerade dabei, sich mehr schlecht als recht aus dem Bett zu quälen. Mit einem langen Schritt war er bei ihr, gerade noch rechtzeitig um sie vor einem Sturz zu bewahren.
Er drehte sie so, dass sie sich wieder hinlegen konnte.
„Ab zurück ins Bett, Marine“, er versuchte überzeugend zu klingen, wusste jedoch von vornherein, dass sein Plan nicht aufgehen würde.
„Ich werde heute noch entlassen; Harm. In wenigen Minuten ist eine Schwester hier, die mir die vom Arzt unterschriebenen Papiere bringt. Ich werde sie unterzeichnen und dann gehen. Und vorher muss ich meine Tasche packen, also lass mich aufstehen.“
Harm stöhnte innerlich auf. Es hätte wohl keinen Sinn, weiterhin auf sie einzureden.
Dann kam ihm eine Idee.
*Wie du mir so ich dir, Marine*… „Wo sind deine Sachen, Mac? Ich werde die Tasche packen. Und wir werden das Krankenhaus gemeinsam verlassen.“


Macs Wohnung,
Georgetown, Washington D.C.
0:24 Ortszeit

Der Weg zur Haustür war etwas beschwerlich gewesen, aber nach einiger Zeit waren beide heil angekommen. Mac öffnete die Tür zu ihrer Wohnung, versuchte dann einzutreten – so gut wie das eben ging, mit den Krücken, die sie im Krankenhaus noch bekommen hatte.
Harm half ihr so gut es ging, trug dann die Tasche herein und zog die Tür hinter sich zu.
„Danke fürs Herbringen, Harm. Möchtest du vielleicht noch einen Tee?“

Ja, sehr gern“, antwortete ihr Harm.
Also stiefelte Mac in die Küche und setzte das Wasser auf. Harm machte es sich derweil auf der Couch bequem.
Als Mac zurück in die Stube kam, musste sie schmunzeln: „Na Seemann, möchtest du heute massiert werden?“
„Oh, ehm…“, ihr Partner musste erst einmal seine Gedanken sortieren. Sein Kopf riet ihm, das Angebot abzulehnen, sein Herz schrie danach ja zu sagen. Eine leichte Röte stieg ihm in Gesicht.
„Komm schon, Harm, es ist in Ordnung. Du brauchst nicht gleich rot anzulaufen“, sprach Mac weiter, als sie von Harm keine Antwort erhielt und stattdessen seine Gesichtsfarbe bemerkte. Ihr Grinsen wuchs dabei in die Breite.
Diese Äußerung verursachte bei ihrem Flyboy allerdings alles andere, als dass er sich beruhigte. *Mac gehört ins Bett, Harm. Sie ist nicht fit genug für solche Spielereien*, sagte er sich und lehnte ab.
„Hör zu Mac, es ist besser du legst dich jetzt ins Bett und versuchst ein bisschen Ruhe zu finden.“
„Der Tee?“, fragte sie nach.
„Ich bring ihn dir in fünf Minuten.“
Da sich Sarah MacKenzie wirklich geschafft fühlte, widersprach sie nicht und machte sich auf den Weg Richtung Schlafzimmer.

Als Harm kurze Zeit später mit dem Tee nachkam, lag sie bereits im Bett, die Decke bis ans Kinn hochgezogen. Er lächelte.
„Hey Marine, hier kommt dein Gute – Nacht – Tee.“
Harm ging vorsichtig um das Bett herum, stellte ihr ihren Tee auf den Nachttisch, um sich dann wieder zurück zu begeben und sich zu setzen. Ans Fussende der anderen Seite.
„Hmmm, danke Harm“, hörte er sie sagen.
Dann schwiegen beide. Tranken langsam ihren Tee und ließen sich den Tag noch einmal durch den Kopf gehen.
Mac war froh, dass Harm nun hier bei ihr war, fühlte sie sich doch nirgendwo sicherer als in seiner Nähe. Ihr Partner war mindestens genauso glücklich, dass er seinen Marine wieder in seiner Nähe wusste.
Irgendwann hatte Harm ausgetrunken und die Tasse auf dem Boden abgestellt. Dennoch blieb er sitzen, stützte die Ellbogen auf den Oberschenkeln ab und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Er war todmüde.
Mac beobachtete ihn von ihrer Position aus. Ihre Tasse stand längst wieder auf dem Nachttisch. Sie sah, dass er mit sich kämpfte, krampfhaft versuchte, seine Augen offen zu halten. Und sie hatte ein schlechtes Gewissen, ihn in diesem Zustand noch heimfahren zu lassen.
Langsam fielen ihr die Augen zu…

Nur Minuten danach wachte sie jedoch wieder auf. Mac wusste zunächst nicht, was sie geweckt hatte. Bis sie auf die gegenüberliegende Seite des Bettes schaute: Harm war ebenso eingeschlafen. Er hatte seine Position nicht verändert, nur saß er jetzt nicht mehr aufrecht: Er lag stattdessen mit dem Oberkörper auf dem Bett.
Mac musste lächeln. Sie stützte ihren Kopf auf ihren Arm und beobachtete den stolzen Navypiloten beim schlafen. Wie gern würde sie jetzt einfach ihren Kopf auf seine Schulter legen, von seinen Armen gehalten werden und ihn mit ihren umarmen. Er könnte sich dann zu ihr umdrehen, ein bisschen wach werden – nur ein bisschen – und die Augen etwas öffnen. Diese wunderschönen ozeanblauen Augen. Sie würde sich in ihnen verlieren, wollte sich in ihnen verlieren. Sie könnte mit ihrer Hand seinen Rücken streicheln und er würde mit seinen Fingern ihre Gesichtskonturen nachzeichnen. Dann endlich würde sie sich zu ihm beugen und ihn küssen. Seine Lippen auf ihren. Sie wusste, wie er schmeckte und sie wusste auch, dass seine Küsse süchtig machten. Also würde sie ihn lange küssen. Immer wieder und immer wieder. Ihn überall streicheln…
Sie wurde in ihrem Gedankengang unterbrochen - *Und das ist auch besser für alle Beteiligten, Marine* - als sich Harm versuchte anders hinzulegen, was sich für ihn als etwas schwierig erwies, befanden sich seine Füße doch immer noch vor dem Bett.
„Du liegst doch nicht bequem, Flyboy, oder?“, flüsterte sie ganz leise.
Sie wollte ihn wecken. *Und dann, willst du ihn dann nach Hause schicken? Oder soll er auf dem Sofa schlafen? Das Sofa ist viel zu klein! Du kannst ihm aber nicht das Bett anbieten, denn mit deinem Gipsbein kannst du auch nicht auf der Couch übernachten!*
Für den Moment konnte sie sich nicht entscheiden. Erstmal musste er wach werden. So konnte er auf keinen Fall schlafen.
Sie stützte ihren Kopf auf den anderen Arm, legte ihm dann ihre Hand an seine Wange, strich mit ihrem Daumen darüber und rief leise seinen Namen.
„Harm, du musst aufwachen. Hörst du? Dein Rücken wird von deiner momentanen Position wenig begeistert sein.“
Keine Reaktion.
„Hey Squid, bist du sooo müde? Es ist Zeit wach zu werden…“
Wieder keine Reaktion.
Also beschloss sie, ihre Hand von seiner Wange auf seine Schulter umzulegen und etwas grobere Methoden anzuwenden.
Als sie jedoch begann, ihre Hand zurückzuziehen, erhielt sie eine Reaktion. Zugegebenermaßen nicht die, die sie erwartet hatte: Harm fasste nach ihrer Hand, hielt sie in seiner fest. Er zog die Füße an und hob sie aufs Bett. Dann drehte er seinen Oberkörper zu Mac, ihre Hand immer noch fest umklammert. Er legte dann beide Hände, ihre und seine, unter seinen Kopf.
Mac war sichtlich irritiert. *Er ist nicht wach, Marine. Er träumt vielleicht von jemandem. Also nimm schon die Hand da weg.*
Ein neuer Versuch.
Harm protestierte jedoch mit einem gedehnten „Hmmmm…“ und machte immer noch keine Anstalten ihre Hand loszulassen.
Immer noch der festen Überzeugung, dass sie ihren Partner wecken müsse, strich sie ihm nun mit ihrer freien Hand den Arm entlang. Schulter, Oberarm, Ellenbeuge, bis zum Handgelenk hinunter. Und wieder rauf. Dann wieder ganz sanft Richtung Hand hinunter.
So lagen beide eine Weile da. Mac streichelte Harm und er hielt ihre zweite Hand fest unter seinem Kopf.
Nach einiger Zeit meldete Harm sich mit einem leisen „Schon besser…“ wieder zu Wort.
*Oh oh, Marine, du begibst dich gerade in sehr gefährliches Terrain*… Das war ihr klar. Sie spürte immer noch das Verlangen, einfach ihren Kopf an seine Schulter zu legen und sich eng an ihn zu kuscheln.
Klar denken konnte sie dagegen nicht mehr. Deshalb beschloss sie, dem ganzen ein Ende zu setzen, bevor sie überhaupt nicht mehr nachdenken und einfach nur handeln würde.
Mac hielt Harm deshalb nun an der Schulter fest, schüttelte ihn sachte und sprach ihn etwas lauter mit seinem Namen an.
Das half.
Ein kurzer Protest kam noch, bevor er die Augen aufschlug.
Bevor er sich schlagartig seiner momentanen Situation bewusst wurde.
*Macs Bett. Ich liege in Macs Bett. Warum liegt ihre Hand unter meinem Kopf? Weil du sie festhältst, Rabb! Und wer hat mich gerade so schön gestreichelt. Du träumst! Und jetzt hoch mit dir!*
Sofort lies er ihre Hand los, zog sich zurück und stand schließlich auf. Er stand vor ihrem Bett, sah in ihre verwirrten Augen und fragte sich, was genau eigentlich passiert war.
„Mac, ich… Es tut mir Leid, ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Ich meine, eigentlich, na ja, normalerweise…“, er brachte keinen vernünftigen Satz zu Stande.
*Jetzt reiß dich mal ein bisschen zusammen!*, nahm er sich vor.
Mac blickte ihn immer noch aus großen Augen an. Warum sie so durcheinander war, wusste Harm nicht. Und er würde sie auch nicht fragen. Nicht jetzt jedenfalls.
„Wenn du etwas brauchst, Mac, ich gehe zurück in die Stube. Ich bleibe hier heute Nacht, schließlich hab ich das dem Arzt versprochen. Ich mach es mir auf der Couch gemütlich, okay?“
Mac nickte nur geistesabwesend.
Und Harm verließ das Schlafzimmer.


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
8:17 Uhr Ortszeit

Harm betrat das Bullpen wie üblich eine Viertelstunde zu spät.
*Wenn ich dem Admiral erzähle, was am Wochenende los war, wird er mir verzeihen*, dachte sich Harm und schlug sofort den Weg zu seinem CO ein.
Er ließ sich anmelden und trat dann in das Büro von AJ Chegwidden.
„Commander Rabb meldet sich zum Dienst, Sir“, und Harm nahm Haltung an.
„Rühren, Commander. Was führt Sie zu mir? Die allwöchentliche Besprechung findet erst um halb neun statt.“
„Sie erinnern sich an den Lewis – Fall, Sir?“
„Tue ich. Weiter?“
„Es ist einiges passiert am Wochenende, Admiral“, begann Harm seinem CO Bericht zu erstatten. Er erzählte, was sich zugetragen hat, informierte den Admiral, was er bisher über Steve Hughes wusste. Chegwiddens Augen wurden immer größer. Er konnte gar nicht glauben, was er da hörte!
„Und warum haben Sie es nicht für nötig erachtet, mich zu informieren, Commander Rabb?“
„Sir, Hughes hat gedroht Mac umzubringen, falls ich jemanden einweihe.“
„Lieutenant Roberts wusste doch auch Bescheid?“
„Ich hätte ohne ihn keine Befragung Jenny Lewis` durchsetzen können.“
„Das nächste Mal möchte ich erfahren, wenn einer meiner Anwälte entführt wird. Verstanden, Rabb?“, knurrte Chegwidden seinen Untergebenen an. Und das, obwohl er genau wusste, dass Harmon Rabb, jr. auch dann wieder genauso handeln würde. *Nun ja, einen Versuch ist es wert*, redete er sich selbst ein.
„Aye aye, Sir“, gab Harm zurück.
„Was haben Sie nun vor?“
„Mit Ihrer Erlaubnis, Sir, würde ich gern zurück zum Colonel fahren und dann mit ihr ins Krankenhaus. Zum einen kann der Arzt sie dann noch einmal durchchecken, und wir würden beide mit Hughes sprechen können.“ Harm hoffte, dass der Admiral zustimmen würde. *Mac bestellt sich sonst noch ein Taxi und fährt allein zu dem Mistkerl…*
„Erlaubnis erteilt. Wegtreten.“


Liebe Grüsse Petra

Kalorien sind kleine Tierchen, die nachts die Kleidung enger nähen.

 
Petra-Andreas
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Registriert am: 16.04.2007


RE: Endstation Einsamkeit von angel

#4 von Petra-Andreas , 07.05.2007 20:36

Bethesda Marine – Hospital,
Maryland
10:36 Uhr Ortszeit

„Nachdem Sie diese Nacht so gut überstanden haben, erwarte ich keine schwerwiegenden Komplikationen mehr, Colonel“, schloss der Arzt ab, „Dennoch möchte ich Sie in regelmäßigen Abständen zur Kontrolle hier sehen, in Ordnung?“
„Danke, Doktor. Das geht klar“, antwortete ihm Mac sichtlich erleichtert.
Der Arzt verließ daraufhin den Raum, Harm und Mac blieben allein zurück.
Harm konnte es sich nicht verkneifen, sie zu necken: „Na Marine, da hat dir meine Pflege doch gut getan, oder?“
Mac blickte auf in das strahlende Gesicht ihres Partners. Sie wusste, dass er sich ehrlich freute, dass es ihr wieder besser ging.
„Kein Kommentar dazu, Flyboy. Wir wollen doch nicht, dass dein Ego noch größer wird, oder?“
„Ich nehme das als ein Ja“, erwiderte Harm und sein Grinsen wurde noch breiter.
„Nun lass uns Hughes einen Besuch abstatten“, sagte seine Partnerin nur.
Begeistert war Harmon Rabb darüber nicht. Seiner Meinung nach hatte der Kerl überhaupt kein Recht, ein Gespräch mit Mac zu fordern. Wenigsten war er ja dabei…

Die beiden wiesen sich bei den Wachen aus und betraten dann das Zimmer von Steve Hughes.
Selbstverständlich hatte er ein Einzelzimmer.
Als Hughes die Anwälte entdeckte, begrüßte er zunächst Mac mit einem freundlichen „Guten Morgen“ und dann Harm, für den er aber nur ein eisiges „Commander“ und das dazugehörige Kopfnicken übrig hatte.
Harm begann das Gespräch: „Sie wollten uns sprechen?“
„Genau genommen nur den Colonel, Sir. Wenn es möglich wäre“, fragte Hughes zaghaft nach.
„Nein, das ist nicht möglich!“, fuhr ihn Harm schroff an, „Ihnen steht eine Anklage wegen Entführung und Erpressung bevor! Wenn Sie uns vorher noch etwas zu sagen haben, dann reden Sie, verdammt noch mal! Jetzt!“
„Worum geht es, Sir“, setzte Mac etwas sanfter ein.
„Also gut“, Hughes sah ein, dass er wohl mit dem vorlieb nehmen musste, was ihm gerade geboten wurde, „ich kann Ihnen bei der Aufklärung des Lewis – Falles helfen. Jenny ist unschuldig. Außerdem möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, wegen Ihrem Bein. Wie geht es Ihnen?“
„Das geht Sie gar nichts an. Und wieso sollten wir Ihnen glauben?“, fragte Harm genervt nach.
„Können Sie das denn beweisen?“, kam es Sekunden später von Mac.
„Ja, das kann ich. Hören Sie, ich schlage einen Deal vor. Ich sage in Ihrem Fall aus, wenn Sie, Colonel, mich dafür in meinem eigenen verteidigen.“
Noch bevor Mac darauf reagieren konnte, ging Harm schon wieder dazwischen.
„Erstens, Mister, wir können Sie auch vorladen. Wir brauchen überhaupt keinen Deal, um Ihre Aussage zu bekommen. Des Weiteren wäre eine entlastende Aussage Sache der Verteidigung. Wir werden Lieutenant Roberts also informieren. Falls der Lieutenant Interesse an Ihnen hat, wird er auf Sie zukommen und mit Ihnen sprechen. Zweitens, Colonel MacKenzie wird Sie nicht verteidigen!“
Mac warf ihm daraufhin einen warnenden Blick zu, der ihn an dieser Stelle unterbrechen ließ. An Steve Hughes gewandt fuhr Sie nun selbst fort: „Ich könnte Ihnen die bestmögliche Verteidigung nicht garantieren. Außerdem werden Sie nicht vor ein Militärgericht gestellt, Sir. Deshalb darf ich Sie nicht verteidigen.“
„Lass uns gehen, Mac, wir haben hier nichts mehr verloren“, sagte Harm zu Mac, „Wir müssen Bud informieren, damit er sich auf die Verhandlung morgen vorbereiten kann.“
Für Harm war die Sache hier erledigt. Er wandte sich zum Gehen ohne Hughes auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Bevor er das Zimmer jedoch endgültig verließ, überkam ihn noch ein anderer Gedanke. Ein Gedanke, von dem Mac besser nichts erfahren würde…
„Würdest du schon mal vorgehen, Marine?“, bat er sie. Er sah sie nicht an. Wollte Sie nicht in seine Augen blicken lassen.
„Harm?“, erwiderte sie leicht irritiert. Sie nahm ihre Krücken in die Hand, ging ein Stück und stellte sich dann genau vor ihn.
„Ich möchte einen Moment allein mit Hughes sprechen, Mac“, sprach Harm weiter. Er sah ihr immer noch nicht in die Augen.
„Sieh mich an, Harm“, flüsterte sie, so dass nur der Navy – Offizier vor ihr es verstand.
Harm hob kurz den Kopf, schaute Mac für den Bruchteil einer Sekunde an. Dann senkte er ihn sofort wieder.
Für Mac hatte der Blickkontakt lange genug gedauert, um den Hass in seinen Augen zu sehen. Sie konnte ihn gar nicht übersehen.
Harm ahnte das. Sie würde ihn nicht allein hier drinnen lassen…
Nein, würde sie nicht. Sie legte ihre Hand auf seinen Rücken und schob ihn sanft Richtung Tür.
„Auf ins Hauptquartier, Partner“, forderte Sie ihn auf, als beide schließlich auf dem Flur standen. Mac hatte nicht vor, ihn auf das, was im Krankenzimmer soeben vorgefallen war, anzusprechen.


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
16:38 Uhr Ortszeit

*Feierabend für heute*, sagte sich Harm.
Er hatte den ganzen Tag an zwei kleineren Fällen gearbeitet, war aber nun an einem Punkt angelangt, an dem er sie für den Moment abschließen konnte.
Mit Bud hatte er bereits heute Mittag gesprochen. Der hatte sich zunächst über einen Zeugen, der die Verteidigung unterstützen würde, gefreut. Weniger begeistert war er dann, als er erfuhr, um wen es sich handelte. Dennoch versicherte er Harm, sich um ihn zu kümmern. Mit ein wenig Glück hätten sie ihn dann morgen im Gerichtssaal.

Sarah MacKenzie hatte Harm und vor allem dem Admiral gegenüber durchgesetzt, dass sie sofort mit ihrer Arbeit fortfahren konnte. Sie hatte kaum Schmerzen, war nur bezüglich des Laufens eingeschränkt – bevor ihr also zuhause die Decke auf den Kopf fallen würde, konnte sie auch im Hauptquartier bleiben. Außerdem wäre sie hier unter Aufsicht, was insbesondere den Commander beruhigte.

>klopf klopf<

Harm klopfte zwar an den Türrahmen, stand aber sofort darauf in Macs Büro.
„Feierabend, Marine?“
Sie hatte nicht aufsehen müssen, um zu wissen, wer eingetreten war.
„Gib mir zehn Minuten, Harm, dann bin ich fertig und wir können los.“
Ihr Partner nahm das als Einladung, sich auf einem der Stühle vor ihrem Schreibtisch niederzulassen und Mac bei ihrer Arbeit zu beobachten.
Unter seinem intensiven Blick war es Colonel MacKenzie allerdings nicht möglich, sich auch nur eine einzige weitere Minute zu konzentrieren. So gab sie nach kurzer Zeit auf. Während sie einige Akten einsteckte, bedachte sie ihren Flyboy mit einem leicht vorwurfsvollen Blick.
„Was denn, Mac?“
„Nichts, Harm, nichts. Du fährst mich nach Hause?“
„So hab ich es mir gedacht.“
„Und was hast du dir gedacht, wie der Abend weiter verläuft?“, fragte Mac nach. Eigentlich war sie soweit wieder ganz fit. Sie wusste nur nicht, ob Harm das genauso sah.
„Ich dachte, vielleicht bestellen wir uns eine Pizza und entspannen ein wenig? Wenn du einverstanden bist?“
„Du zahlst“, antwortete Mac mit einem Grinsen im Gesicht. „Und ich brauche heute Nacht keinen Babysitter. Du kannst nicht schon wieder auf der Couch schlafen.“
„Was denn nun, Mac? Schickst du mich nach Hause, weil das Sofa zu unbequem ist für mich oder weil du mich nicht brauchst?“, zog er sie auf. Von den Gefühlen, die vor allem der letzte Teil seiner Frage in Mac auslösten, wusste er nichts.
„Weil… beides“, kam nur zur Antwort.


Macs Wohnung,
Georgetown, Washington D.C.
21:07 Uhr Ortszeit

Die Pizza war längst aufgegessen. Satt und zufrieden hatten sich die beiden JAG – Anwälte auf die Couch zurückgezogen und den Fernseher angestellt. Sie hatten sich für eine Comedy – Serie entschieden, die aber nun schon ein paar Minuten vorbei war.
Harm gähnte.
„Zeit heimzufahren, Sailor, hm?“, sprach Mac ihn an, als sie es bemerkte.
„Hmmm“, war die einzige Antwort die sie erhielt. Harm schien in Gedanken sehr weit weg zu sein.
„Harm?“
Jetzt kam er wieder zu sich. „Entschuldige, Mac, was hattest du gerade gesagt?“
„Das du nach Hause und ins Bett gehörst, Matrose“ entgegnete sie lächelnd. „Na los, sonst schläfst du mir hier noch auf der Couch ein. Das wollten wir doch nicht.“
Sie erhob sich und fasste nach den leeren Pizzaschachteln und dem Besteck.
„Ich bring das hier nur schnell in die Küche.“
Harm stand ebenfalls auf und begab sich Richtung Garderobe um seinen Mantel zu holen.
Auf halbem Wege kam ihm Mac schon wieder entgegen.
Plötzlich rutschte sie jedoch mit ihrer linken Hand von der dazugehörigen Krücke ab. Vor Schreck wusste sie nicht, wie sie nun Beine, rechten Arm und andere Krücke koordinieren sollte und geriet ins Stolpern.
Zum Glück hatte Harm die Situation sofort erkannt und griff ihr unterstützend unter die Arme. „Langsam, langsam, Mac.“
Die hatte inzwischen beide Krücken fallen gelassen und stütze ihr Gewicht auf ihr gesundes Bein. Und auf den gut aussehenden Piloten vor ihr, an dessen Hüfte sie sich momentan festhielt.
„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Harm besorgt.
„Ja“, antwortete Mac leise.
Da war sie wieder. Die Magie, die beide manchmal umgab. Sie von der übrigen Welt abschottete. Ihre Gefühle offenbarte.
Harm umrahmte mit seinen Händen das Gesicht seines Marines.
Mit einer Stimme, die ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen ließ, brachte er hervor: „Ich bin froh, dass ich dich wieder habe, Marine.“
Und dann lehnte er sich nach vorn. Zögerlich, um sie nicht zu erschrecken.
Mac konnte seinen heißen Atem auf ihrer Wange spüren. Sie schloss die Augen und befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge.
Dann konnte sie seine weichen Lippen auf ihren fühlen. Sie konnte sich nicht erinnern, je so sanft von jemandem geküsst worden zu sein. Nicht einmal von ihm selbst…
Auch Harms Augen waren geschlossen. Er genoss den Kuss, wusste aber, dass er nicht weiter gehen konnte. Später würde er nicht mehr aufhören können.
Dann fühlte er ihre Zunge, wie sie sanft über seine Unterlippe strich.
*Oh man, Rabb, du kannst schon jetzt nicht mehr aufhören!*
Er gab nach. Öffnete seine Lippen und vertiefte den Kuss.
*Stop it!*, kam die Anweisung aus seinem Kopf.
Er nahm all seinen Willen zusammen und zog langsam seinen Kopf zurück, trennte seine Lippen von ihren.

„Ich… ich muss gehen, Mac.“
Er hielt sie weiter unterstützend fest, bückte sich, um ihre Krücken aufzuheben und sie ihr zu geben.
„Wenn du etwas brauchst, rufst du an, okay? Auch wenn es mitten in der Nacht ist.“
Macs Wahrnehmung war noch nicht ganz wieder hergestellt. Sie konzentrierte sich noch immer auf ihre Lippen und seinen Geschmack. Sie hörte ihn reden. Aber als sie antwortete, war er schon gegangen.
„Ich brauche dich, Harm.“


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
9:25 Uhr Ortszeit

„Hey Mac, bereit für die nächste Runde?“, sprach Harm seine Kollegin an, als sich beide auf dem Weg in den Gerichtssaal trafen. Ein weiterer Teil des Verfahrens um Jenny Lewis stand ihnen bevor.
Bud hatte heute morgen nur angegeben, dass es ihm wohl möglich wäre, seine Mandantin durch Steve Hughes` Aussage vollständig zu entlasten. Falls die Anklage es wünschte, würde es nach eben dieser Aussage eine Vertagung geben, damit sich Harm und Mac auf ein Kreuzverhör des Zeugen vorbereiten konnten.
„Bringen wir es hinter uns!“, kam wenig begeistert die Antwort.


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia,
10:36 Uhr Ortszeit

„Die Verteidigung ruft Steve Hughes in den Zeugenstand“, teilte Lieutenant Bud Roberts dem Gericht mit.
Der Zeuge wurde unter den Argusaugen zweier Marines hereingeführt, nahm Platz. Er trug Handschellen, die ihm auch während des Verhörs nicht abgenommen wurden.
Was nicht angekettet werden konnte, waren seine Augen. Sie ruhten auf Mac. Durchbohrten Sie regelrecht. Dann starrte er Jenny Lewis an. Diese senkte ihren Kopf, um Hughes nicht in die Augen blicken zu müssen.
Bud begann mit der Befragung.
„Nennen Sie uns für das Protokoll bitte Ihren vollständigen Namen.“
„Steven Michael Hughes.“
„In welcher Beziehung stehen Sie zu der Angeklagten?“
„Ich liebe Sie. Leider sind wir bereits seit einiger Zeit getrennt.“
„In welcher Beziehung stehen Sie zum CO der Angeklagten?“
*Jetzt wird die ganze Sache interessant! Auf was will Bud bloß hinaus? Einspruch erheben? Nein. Schaden kann er mit diesem Zeugen wohl kaum anrichten. Hughes ist einfach nicht glaubwürdig. Hören wir uns an, was er zu sagen hat*, beide Anwälte wurden hellhörig. Mac war zudem der Überzeugung, dass Hughes den Fall tatsächlich auflösen konnte. Aus irgendeinem Grund glaubte sie ihm.
„Ich kenne Captain Matthew Ravis schon sehr lange. Bevor er in die Navy eintrat, arbeiteten wir zusammen in einer kleinen Bar ein Stück außerhalb der Stadt. Wir waren gute Freunde damals. Der Kontakt blieb sporadisch bis heute erhalten.“
Jetzt dämmerte es Harm und Mac so langsam…
„Wann haben Sie Ravis zuletzt getroffen?“
„Als die Truman vor etwa vier Wochen in Norfolk anlegte.“
„Wie ist das Treffen verlaufen?“
„Matt war überrascht mich zu sehen. Positiv überrascht würde ich sagen. Der Grund meines Besuchs hatte aber andere Gründe… Ich wusste, dass Jenny auf der Truman dient. Also dachte ich mir, hat Matt auch die Möglichkeit, sie zurück in die Staaten zu schicken. Immerhin war er der kommandierende Offizier an Bord. Er hatte also die Macht dazu. Matt erklärte mir allerdings, dass dies zum einen nicht ganz so einfach war und dass er zudem keine Veranlassung hätte, Jennys Dienst zu beenden. Er hat mich einfach nicht verstanden! Ich liebe sie doch!“, er wandte sich mit Tränen in den Augen an die Angeklagte „Du musst zu mir zurückkommen, Jenny!“
Bud hatte nur noch eine Frage. Er wusste, dass die Antwort dem Verfahren eine neue Wendung geben würde.
„Master Chief Lewis wurde von Captain Ravis der Insubordination angeklagt. Wissen Sie, wie es dazu kam?“
„Ich habe Matt gedroht, ihm seine Tochter zu nehmen. Die einzige Familie, die er noch hat. Wenn er nicht verstand, was Liebe bedeutete und wie es sich anfühlte, einsam zu sein, sollte er es lernen. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass er sie nicht schützen kann, wenn er monatelang zur See fährt. Schließlich hat er nachgegeben und mir zugesichert, dass er sein Bestes tun würde...“
Hughes gestand unter Tränen, war einem Zusammenbruch nahe.
„Die Anklage hat zum jetzigen Zeitpunkt keine Fragen an den Zeugen, behält sich jedoch das Recht vor, ihn später noch einmal aufzurufen.“
Dann wurde Steve Hughes abgeführt.


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
13:57 Uhr Ortszeit

Die Verhandlung war zunächst für eine Stunde unterbrochen worden.
Lieutenant Roberts hatte nach der Pause seinen nächsten Zeugen aufgerufen: Captain Matthew Ravis. Bud war nun am Ende der Befragung angelangt.
„Wie ist das Gespräch mit Steve Hughes verlaufen, Sir?“
„Er hat mir gedroht! Gedroht meiner Tochter Alice etwas anzutun! Ich konnte doch nicht anders handeln… Er wäre zu allem bereit gewesen, nur um Jenny zurück zu gewinnen!“
Das konnten Harm und Mac aus eigener Erfahrung bestätigen.
Ravis hatte die Aussage Hughes` detailgetreu bestätigt. Es gab keine Zweifel mehr an der Unschuld Master Chief Lewis`, darin waren sich beide einig.

„Euer Ehren, die Anklage möchte den Fall an dieser Stelle abschließen. Wir glauben, dass genügend Beweise zur Entlastung Master Chief Lewis` vorliegen, um diese Entscheidung zu rechtfertigen“, erklärte Colonel MacKenzie dem Gericht, nachdem Captain Ravis den Saal wieder verlassen hatte.
„Die Verteidigung?“, fragte der Richter.
„Keine Einwände, euer Ehren.“

Der Hammer fiel.
„Damit ist die Verhandlung abgeschlossen. Das Gericht empfiehlt weiterführend eine Anklage gegen Captain Matthew Ravis. Steve Hughes wird sich vor einem Zivilgericht verantworten müssen.“

Im Gerichtssaal breitete sich ein allgemeine Aufbruchsstimmung auf.
Auch Harm und Mac packten ihre Sachen. Harm nahm beide Taschen und ließ Mac den Vortritt beim Verlassen des Gerichtssaales. Er blieb jedoch ein Stück hinter ihr zurück, um Bud für eine kurze Frage abzufangen.
„Hey Bud, herzlichen Glückwunsch. Das war sehr gute Arbeit.“
„Danke, Sir“, antwortete der jüngere Offizier glücklich.
„Sagen Sie, wie haben Sie Hughes und Ravis dazu bewegen können, diese Aussagen zu machen?“, fragte Harm neugierig nach.
„Berufsgeheimnis“, gab Bud aber nur ausweichend zurück und begab sich dann auch auf den Weg zurück in sein Büro.
Harm blieb mit Jenny Lewis zurück, die ihn auch sofort ansprach.
„Commander?“
„Ja?“
„Dürfte ich Sie noch einen Moment sprechen. Unter vier Augen meine ich.“
Harm war etwas überrascht. Nun ja, warum sollte er eigentlich nicht mit ihr reden? Der Prozess war schließlich abgeschlossen.
„Folgen Sie mir in mein Büro.“


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
14:32 Uhr Ortszeit

Harm schloss die Tür hinter ihnen beiden.
„Schießen Sie los, Master Chief!“, forderte er sie auf zu sprechen und bedachte sie dabei mit einem seiner patentierten Flyboy – Grinsen.
„Ich möchte mich zunächst bei Ihnen bedanken, Commander. Sie hätten die Anklage durchaus länger aufrecht erhalten können. Sie haben ja weder Steve noch Captain Ravis ins Kreuzverhör genommen.“
„Ich habe keine Veranlassung gesehen.“
„Ich bin jedenfalls froh, dass die Sache ausgestanden ist.“
Jenny Lewis war sichtlich erleichtert. Und auch Harm war nicht traurig darüber, dass Bud vor Gericht gewonnen hatte. Einen Unschuldigen freizusprechen konnte man ja eigentlich gar nicht als Niederlage zählen.
„Commander?“, sie wand sich erneut an Harm und ging einen Schritt auf ihn zu. Sie wusste nicht so recht, wie sie sich ausdrücken sollte und errötete etwas.
„Keine falsche Schüchternheit vortäuschen, Master Chief“, versuchte er die doch recht hübsche Frau vor ihm zu ermuntern. Er wusste ja nicht, wozu er sie da ermutigte…
Plötzlich stand sie genau vor ihm, die Hände in seinem Nacken und zog seinen Kopf zu sich herunter um ihn zu küssen. Harm wehrte sich nicht. Er war viel zu verblüfft, um überhaupt zu reagieren. Dann begann er den Kuss zu erwidern…
Er wurde jäh in die Realität zurückgeholt, als seine Bürotür aufgerissen wurde und Mac auf einmal im Raum stand.
"Harm, du hast noch...", dann brach sie ab.
Nun stand sie einfach nur da. Unfähig noch etwas zu sagen.
Harm löste sich schnell von Jenny und schob sie ein ganzes Stück von sich weg. Aber das half alles nicht mehr.
Mit einem leise gemurmelten „Entschuldigung“ verschwand sein Marine wieder aus seinem Büro.

Er hörte, dass sich Jenny von ihm verabschiedete. Dann das Geräusch der zufallenden Tür. Nun war Harmon Rabb, jr. wieder allein in seinem Büro. Er hatte sich noch nicht von der Stelle bewegt.
*Bekommst du auch nur einmal irgendetwas auf die Reihe, Rabb...*



Endstation Einsamkeit Teil II


Die Handlung spielt einige Wochen nach dem ersten Teil.


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
17:32 Uhr Ortszeit

Im Büro von Lieutenant Colonel MacKenzie herrschte das gewohnte Durcheinander. Hier stapelten sich mehrere Akten, dort verteilten sich verschiedene Anträge. Dazwischen Bleistifte, Kugelschreiber und jede Menge Notizzettel.
Mac lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und legte sich für einen Moment die Hände vor die Augen. Hinter ihr lag ein langer, aber erfolgreicher Arbeitstag.
*Also gut, Mac, für heute reicht es. Sachen packen und dann ab nach Hause,* dachte sie sich und begann gezielt einige Akten von ihrem Schreibtisch in ihre Tasche zu stecken. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als Mac daran dachte, was Harm jetzt dazu sagen würde… Aber Harm war schon vor etwa einer Stunde gegangen. Überhaupt befanden sich nur noch sehr wenige JAGs im Büro.
Mac wurde in ihren Gedanken unterbrochen, als das Telefon läutete.

„Lieutenant Colonel MacKenzie,“ meldete sie sich.
„Lieutenant Jack Denson hier, Fort Leavenworth,“ identifizierte sich ihr Gesprächspartner, „ich muss Ihnen leider eine traurige Mitteilung machen, Colonel.“


Nördlich der Union Station,
Washington D.C.
19:48 Uhr Ortszeit

„Deine Lasagne war wirklich gut, Harm!“, lobte Jenny Lewis die Kochkünste des gutaussehenden Navy – Commanders, der, wenn es nach ihr allein ginge, schon längst mehr für sie wäre als ein guter Freund.
Harm bedachte Jenny mit seinem patentierten Flyboygrinsen und bedankte sich für das Kompliment. Er war sich noch nicht sicher, ob er wirklich eine feste Beziehung zu Jenny aufbauen sollte. Sicher, sie sah gut aus. Er konnte mit ihr lachen, aber auch über ernste Dinge sprechen. Sie spielte Gitarre wie er und auch sonst hatten sich in den letzten Wochen viel Gemeinsamkeiten gefunden. Dennoch, irgendetwas hinderte ihn ganz loszulassen…
Es klopfte an der Tür.
„Gehst du mal nachschauen, wer da ist?“, rief Harm Jenny zu. Er selbst balancierte gerade das Geschirr Richtung Spüle.

Jenny warf einen Blick durch den Türspion und erkannte Colonel MacKenzie. Momente später hatte sie die Tür geöffnet, nur um einen völlig aufgelösten Marine – Colonel vor sich stehen zu sehen.
„Colonel MacKenzie?“, fragte Jenny nach, unsicher, wie sie mit der Situation umgehen sollte.
Auch Mac war überrascht. Überrascht Master Chief Lewis hier anzutreffen. Hier bei Harm.
*Was macht Jenny Lewis denn bei Harm?*, war der erste Gedanke, der ihr durch den Kopf schoss. *Das geht dich nichts an, Marine. Auf jeden Fall kommst du ungelegen…,* war der zweite.
„Entschuldigung, ich wollte nicht stören. Ich komme später vielleicht noch einmal wieder,“ brachte sie etwas brüchig zusammen. Im selben Atemzug drehte sich Mac um und ging zurück Richtung Fahrstuhl.

Jenny verstand nicht wirklich, was gerade passiert war.
Harm sah in ihrem Gesicht ein einziges Fragezeichen.
„Wer war da?“, fragte er nach.
„Colonel MacKenzie. Sie war irgendwie völlig durcheinander, hatte anscheinend geweint, aber…“
„Wo ist sie?“, unterbrach Harm schroff.
„Wieder gegangen.“
Sekunden später war Harm aus der Wohnung.
Der Flur war leer.
*Mac ist bestimmt mit dem Fahrstuhl runter, nimm die Treppen, Rabb, das geht schneller!*

Mac flehte den Fahrstuhl an, schneller zu fahren. Sie musste hier raus, ganz schnell.
Endlich öffneten sich die Türen des Lifts. Erdgeschoss.
Wenige große Schritte reichten um die Eingangstür des Hauses zu erreichen.
Sie überlegte, den Weg zu ihrem Auto rennend zurückzulegen, wurde aber daran gehindert, als sie plötzlich jemand am Arm festhielt.
Sie wusste, wer es war.

„Mac,“ sprach er sie sanft an.
Sie blieb stehen.
Harm drehte sie an ihren Schultern langsam zu sich um.
Mac blickte zu Boden.
*Was war es nur für eine dumme Idee gewesen herzukommen, Marine!*, schimpfte sie mit sich selbst. *Sollte dich jemals jemand so sehen? Nein! Schon gar nicht dieser Master Chief!*
Harm legte seine rechte Hand unter ihr Kinn, hob ihren Kopf langsam an und zwang sie so ihn anzusehen. Mit dem Daumen wischte er ihr einige Tränen von der Wange.
„Was ist passiert, Mac?“, fragte er wieder nach.
„Es ist nichts. Es war ein Fehler…“
„Shhh,“ beruhigte er sie, „es war kein Fehler herzukommen.“ Er blickte ihr die ganze Zeit in ihre Augen.
Mac spürte, wie ihr Widerstand dahinschmolz. Nein, sie würde jetzt nicht wieder mit ihm dort hinauf gehen. Zurück in seine Wohnung. Zu seiner Freundin. Sie würde stattdessen heimfahren und allein mit alledem klarkommen.
„Lass mich gehen, Harm.“ Dabei versuchte sie ihren Arm von ihm wegzuziehen.
Aber Harm hielt sie fest.
„Mac…“
„Lass mich los! Ich muss nach Hause! Ich muss meine Sachen für morgen packen und…“ Erschrocken sah sie zu ihm auf. Aber es war zu spät.
„Wo willst du denn hin? Sag mir doch bitte endlich, was geschehen ist.“, flehte er sie an.
„Nichts womit du dich jetzt beschäftigen wolltest!“, gab Mac ihm eine Spur schärfer zur Antwort als beabsichtigt. Gleichzeitig versuchte sie wieder, sich ihm zu entziehen.
Jetzt wurde es Harm zu bunt. Er führte ihre Hände auf ihrem Rücken zusammen und hielt sie mit seiner linken Hand dort fest. Mit seiner anderen Hand strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und streichelte Mac dann über ihre Wange.
„Jetzt hör mir mal einen Moment zu, Marine. Einen Moment, in dem du nicht versuchst, hier so schnell wie möglich wegzukommen, okay?“
„Lass meine Hände los und ich hör dir eine Minute zu.“
Er ließ sie los. Aber nicht für lange. Eine Sekunde später hatte er sie ihm Arm. Harm vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und hielt sie einfach nur fest.
„Mac, wenn du Probleme hast, dann sind das immer auch meine Probleme, hörst du? Du kannst immer zu mir kommen damit. Es ist völlig egal, ob es mitten in der Nacht ist oder am Weihnachtsabend oder wenn ich gerade Besuch habe. Du…,“ er stockte kurz, „du bist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben.“
„Was hast du gerade gesagt?“, fragte Mac nach, nicht sicher, ob sie sich gerade verhört hatte.
„Dass wir jetzt hoch gehen und einen heißen Kakao trinken und du mir dann in Ruhe erzählen kannst, was passiert ist.“
„Was ist mit…?“
„Jenny?“
„Ja.“
„Ich schick sie nach Hause.“
„Danke, Harm.“

Über Macs Schulter sah Harm Jenny das Haus verlassen. Sie nickte Harm kurz zu, um ihm mitzuteilen, dass sie nicht böse auf ihn war. Morgen würde sie anrufen. Oder übermorgen.


Nördlich der Union Station,
Washington D.C.
20:15 Uhr Ortszeit

Mac saß mit angezogenen Beinen auf seiner Couch und versuchte sich noch immer zu beruhigen. Sie hielt die Kakaotasse in ihrer Hand fest umklammert und ihre Augen blickten ins Leere.
Harm kam mit einer warmen Kuscheldecke in der Hand aus dem Schlafzimmer zurück. Langsam ging er auf seinen Marine zu. Er nahm ihr die heiße Tasse aus den Händen und stellte sie für einen Moment auf dem Wohnzimmertisch ab. Behutsam legte er die Decke um Macs Schultern.
„Danke,“ kam ein leises Flüstern von Mac zurück.
Ohne Harm anzusehen fasste sie nach den Enden der Decke um sie vor ihrer Brust zusammenzuziehen.
„Dein Kaffee, Mac,“ sprach Harm sie an und reichte ihr die Tasse. Sie nahm sie dankbar wieder an.
Er nahm neben Mac auf dem Sofa Platz und sah sie einfach nur an. Es zerriss ihm beinah das Herz, sie so zu sehen. Noch schlimmer, sie so zu sehen ohne zu wissen, was passiert war.
„Möchtest du darüber reden?“, fragte er leise nach.
Immer noch zielte ihr Blick ins Nirgendwo. Langsam fing sie an zu sprechen. Harm hatte Schwierigkeiten sie zu verstehen, so schwach war ihre Stimme. „Er… er ist tod, Harm. Einfach so. Sie haben mich vorhin angerufen und gesagt, dass er tod sei.“
Harm wusste, dass ihr tröstende Worte den Schmerz nicht nehmen konnten. Er wusste jedoch nicht, über wen sie gesprochen hatte.
Er stellte die ihre Tasse zurück auf den Tisch, setzte sich dann wieder neben sie und nahm sie in den Arm. Er hielt sie einfach fest.
Mac konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten und begann bitter zu weinen. Sie klammerte sich an Harm wie ein Ertrinkender an des rettende Stück Holz.
„Ich konnte mich nicht von ihm verabschieden, Harm. Ich hätte ihm noch soviel zu sagen gehabt… und jetzt… er ist einfach gestorben. Ich bin jetzt wieder ganz allein…“
*Ihr Onkel Matt, Harm, sie spricht von ihrem Onkel!* Nach dem letzten Satz wusste Harm, um wen es ging. Ihr Onkel Matt war alles, was ihr von ihrer Familie geblieben war.
„Du bist nicht allein, hörst du, Marine? Du bist nie allein. Ich bin immer da für dich. Wir sind ein Team, verstehst du? Ich helfe dir, du hilfst mir, so läuft der Deal.“ Harm redete einfach. Nur um ihr das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein war.
Mac antwortete ihm nicht mehr. Von Minute zu Minute wurde sie ruhiger.
Nach einiger Zeit bemerkte Harm, dass Mac eingeschlafen war. Er sprach immer noch mit ihr. Versuchte, sie auch jetzt noch zu beruhigen.
Schließlich trug er sie behutsam in sein Schlafzimmer und legte sie ins Bett.
Harm haderte mit sich selbst, wie es nun weiter gehen sollte. *Du kannst sie nicht in Uniform schlafen lassen, Rabb… Aber ausziehen kannst du sie doch auch nicht!* Macs Schuhe standen im Wohnzimmer. Gut so. Aber in Rock und Bluse schlafen?
Er entschied sich dafür, ihr wenigstens die Bluse auszuziehen. Also setzte er sich auf die Bettkante und begann die Knöpfe zu öffnen.
Ein leises Stöhnen ließ ihn sofort aufsehen. Offensichtlich hatte Mac einen Alptraum.
So fest wie er angenommen hatte, schlief sie also doch nicht. *Kein Wunder eigentlich, bei den Neuigkeiten,* sagte er zu sich selbst.
„Ganz ruhig, Mac,“ sprach er sie leise an, „ich bin es nur, Harm.“ Er strich ihr über die Wange, bis sie wieder ruhig schlief.
Als er die Bluse weiter öffnen wollte, kam halb verschlafen, halb überrascht von seiner Partnerin: „Was tust du da, Harm?“
„Ich… ich versuche nur, es dir etwas bequemer zu machen,“ stammelte er zusammen.
„Was tue ich in deinem Bett? Ich kann nach Hause fahren.“
„Nein, das kannst du nicht. Bleib hier, Mac, heute Nacht. Es ist besser so. Möchtest du den Rock und die Bluse ausziehen zum schlafen?“
„Hm?“
Offensichtlich war sie nicht mehr sehr aufnahmefähig.
„Komm her, Mac. Leg deine Hände in meinen Nacken.“
Keine Reaktion. Also tat er es, beugte sich zu ihr, nahm ihre Arme und legte sie um seinen Hals. Er richtete sich langsam auf. Mac hielt sich fest.
So ging das alles viel einfacher. Die restlichen Knöpfe öffnen, dann den einen Arm loslassen und danach den anderen und die Bluse war ganz schnell ausgezogen. Das mit dem Rock ließ er lieber bleiben.
Mac hielt seine Hände fest, als er aufstehen wollte um sich in die Stube zurückzuziehen.
„Bleib da,“ bat sie ihn schüchtern, „bitte.“
Harm war mehr als erstaunt. *Es wäre nicht das erste Mal, dass ihr euch ein Bett teilt. Und nun los, dass ihr noch zum schlafen kommt!*
„Ich bin gleich wieder da, Marine, okay? Ich muss mich auch umziehen und so weiter.“
Sie ließ ihn nicht los.
„Maaac… ich komme gleich wieder, ich lass dich nicht allein.“
Er löste ihre Hände von seinen und verließ das Schlafzimmer.
Wenige Minuten später war er wie versprochen wieder da. Er legte sich auf die andere Seite des Bettes, wahrte den Abstand zu Mac. *Sie würde wohl nicht wollen, dass du sie jetzt in den Arm nimmst, Harm...*


Nördlich der Union Station,
Washington D.C.
6:33 Uhr Ortszeit

Es dauerte einen Moment, bis Mac ihre Umgebung einordnen konnte, nachdem sie die Augen aufgeschlagen hatte.
Ihr Kopf lag auf Harms Brust. Er hielt sie mit dem Arm ganz nah bei sich. Ihr Arm dagegen lag auf seinem Bauch, ihr Bein irgendwo auf seinen. Sie konnte sich nicht erinnern, wie es soweit gekommen war…
Im Augenblick war das aber auch zweitrangig. Ihr Onkel Matt war gestorben. Sie musste ins Hauptquartier, Urlaub beantragen beim Admiral und dann heute morgen noch nach Fort Leavenworth aufbrechen. Das alles, bevor Harm Gelegenheit hatte, dagegen zu protestieren. Er würde ihr vor allem ans Herz legen, nicht allein zu fahren.

Eine Viertelstunde später schloss Mac die Tür zu Harms Apartment. Von außen. Harm sollte nachher eine Nachricht von ihr auf dem Nachtschrank finden.

Harm,
entschuldige, dass ich gegangen bin, ohne dich zu wecken.
Ich muss einige Dinge erledigen. Wir sehen uns morgen
bei JAG.
Sei bitte nicht böse. Ich rufe dich an.
Mac

JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
8:44 Uhr Ortszeit

Harm wusste, dass er spät dran war. Er hoffte, dass er nicht zu spät kam, um Mac davor zu bewahren, irgendwelche Dummheiten zu tun. Sie hatte ihm diesen kleinen Zettel geschrieben… ‚wir sehen uns morgen’ stand dort geschrieben. Was hatte sie heute vor? Harm hatte versucht, sie über ihr Handy zu erreichen. Es war ausgeschalten.
Als er aus dem Fahrstuhl ausstieg, fiel ihm sofort auf, dass ihr Büro leer war. Also führte sein nächster Weg zu Admiral Chegwidden.
„Guten Morgen, Petty Officer Tiner,“ grüßte er freundlich, und fügte ohne eine Antwort abzuwarten hinzu: „Haben Sie den Colonel heute schon gesehen?“
Harm konnte die Antwort erahnen.
„Guten Morgen, Commander. Sie war heute Morgen sehr früh hier, Sir. Ich denke aber, dass sie bereits wieder gegangen ist.“
„Danke, Tiner. Würden Sie mich bitte beim Admiral anmelden?“
*Er wird wissen, wo sie hingegangen ist,* versuchte sich Harm selbst zu beruhigen.

Harm betrat das Büro des Admirals und nahm vor dessen Schreibtisch Haltung an.
„Rühren, Commander. Was führt Sie zu mir?“
„Sir, ich suche den Colonel…,“ setze Harm an.
„Sie hat sich den Tag freigenommen. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen.“
„Admiral, wenn Sie wissen, wo…,“ aber er wurde wieder unterbrochen.
„Ich kann Ihnen nichts weiter dazu sagen. Wäre das alles?“
„Eine Frage noch, Admiral. Sie ist morgen sicher wieder da?“
„Ja. Wegtreten, Commander,“ befahl der Admiral in seiner gewohnt brummigen Art.

Harm suchte resignierend sein Büro auf. Ihm würde wohl nichts Anderes übrig bleiben, als zu warten… Auf heute Abend. Auf morgen Früh. Auf seinen sonst so toughen Marine. Er fürchtete nur, dass sie das im Moment nicht war.


Fort Leavenworth,
Kansas
13:46 Uhr Ortszeit

„Wie konnte das passieren? Er hat nie Probleme mit den Nieren gehabt!“ Mac fuhr den jungen Lieutenant vor ihr etwas zu Unrecht an. Er konnte ihr wohl wirklich keine weitere Auskunft geben, aber mit dem, was sie bisher erfahren hatte, war sie schlichtweg unzufrieden.
„Es tut mir Leid, Colonel. Alles was ich Ihnen mitteilen kann, ist die hier vermerkte Todesursache. Akutes Nierenversagen. Mein Beileid zu Ihrem Verlust.“
„Colonel MacKenzie?“, wurde Mac von hinten angesprochen. Bis eben war sie sich nicht bewusst, dass sich außer ihr und dem Lieutenant noch jemand in diesem Raum befand. Er musste gerade eben dazugekommen sein.
Sie drehte sich um, blickte einem eher kleinem, untersetzt gebautem Mann in die Augen.
„Wer möchte das wissen?“
„Oh, verzeihen Sie. Ich vergaß mich vorzustellen. Agent Horly, FBI.“
Mac reichte ihm ihre Hand.
„Lieutenant Colonel Sarah MacKenzie.“
„Ich möchte mit Ihnen unter vier Augen sprechen, Colonel. Lassen Sie uns einen kleinen Spaziergang machen.“

Außer Hör- und Sichtweite anderer konnte Mac endlich die Frage loswerden, die ihr die ganze Zeit auf der Seele brannte.
„Agent Horly, können Sie mir etwas zum Tod meines Onkels sagen?“
„In den Unterlagen werden Sie akutes Nierenversagen als Todesursache, ebenso eine genaue Todeszeit finden. Wir haben bereits eine Sterbeurkunde ausgestellt.“
„Aber? Man stirbt doch nicht plötzlich an Nierenversagen, wenn man Wochen zuvor noch gesund war!“, wieder redete sie sich in Rage. Das war doch nicht zum Aushalten hier!
„Colonel,“ Agent Horly wusste nicht recht, wie er es ausdrücken sollte, „es tut mir Leid, dass wir Ihnen die Nachricht vom Tod O` Haras überbringen mussten. Es war überlebenswichtig für ihn.“
Mac blieb stehen. *Was war das gerade?* Horly blickte in ihre Augen. Überraschung und Unglauben standen dort geschrieben. Und Hoffnung. Ein klein wenig Hoffnung.
„Wie bitte?“, fragte Mac nach, noch unfähig ihre Gedanken zu sortieren.
„Er lebt, Colonel. Sagen Ihnen die Namen Thomas Bailey und Richard Neeling etwas?“
Mac reagierte nicht. Ein überglückliches „Er lebt!“ war für den Moment alles, was sie herausbrachte. Selten haben ihre Augen so gestrahlt.
„Colonel MacKenzie, kennen Sie Thomas Bailey und Richard Neeling?“
„Ja… Nein. Beide waren am Diebstahl der Unabhängigkeitserklärung beteiligt, für den mein Onkel nun im Gefängnis sitzt. Aber ich kenne keinen von beiden persönlich. Warum in Gottes Namen haben Sie Matthew O`Hara für tod erklärt?“
„Beide Männer bewegen sich immer noch auf freiem Fuß. Bis vor wenigen Wochen befanden sie sich wahrscheinlich im Ausland, wir wissen es nicht. Wir suchen sie seit Jahren. Letzten Monat dann haben wir endlich einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort erhalten. Genauer gesagt, wir denken, dass sie sich wieder in den Staaten befinden.“
„Was hat das alles mit Matt zu tun?“ Mac verstand nicht ganz.
„Ihr Onkel kann uns helfen, sie aufzuspüren. Da Bailey und Neeling aber wahrscheinlich planten, ein Attentat auf O` Hara zu verüben, haben wir ihn offiziell sterben lassen. Er lebt mit neuer Identität in einer Kleinstadt nahe San Diego, Kalifornien.“
„Kann ich Kontakt mit ihm aufnehmen? Was passiert mit ihm, wenn Sie Bailey und Neeling fassen? Oder wenn Sie sie eben nicht ergreifen können?“
„Mit einer neuen Identität beginnt man ein neues Leben, Colonel. Es ist jedoch möglich, eine Person aus seinem ‚alten Leben’ in sein neues mit einzubeziehen. O` Hara hat Sie ausgewählt, nur deshalb erzähle ich Ihnen das alles hier. Geben Sie uns allen drei oder vier Wochen Zeit. Lassen Sie uns eine sichere Basis aufbauen, so dass Sie Ihren Onkel regelmäßig anrufen oder besuchen können. Solange Bailey und Neeling nicht gefasst sind, behält er seine neue Identität. Was danach ist… werden wir danach entscheiden.“
„Das heißt er hat jetzt niemanden?“
„Er hat jede Menge Leibwächter, Colonel MacKenzie. Und FBI – Agenten, mit denen er arbeitet.“


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
15:53 Uhr Ortszeit

Als Mac vor heute Vormittag gegen elf im Hauptquartier angekommen war, befand sich Harm schon im Gerichtssaal. Auch später hatte sich keine Gelegenheit ergeben, mit ihm zu sprechen. Wenn sie es genau nahm, wusste sie gar nicht so recht, was sie ihm genau sagen sollte. Colonel MacKenzie beschloss, ihren besten Freund zu einem Abendessen einzuladen. Bis dahin wollte sie sich überlegen, ob sie ihn in ihr Geheimnis einweihte oder nicht.
Zehn Minuten später sah sie Harm aus dem Gerichtssaal kommen. Er ging direkt in sein Büro.

Seine Bürotür stand offen, also trat Mac ohne zu fragen ein – nicht dass sie es gestört hätte, wenn sie geschlossen gewesen wäre.
„Hey,“ begrüßte sie ihn.
„Mac! Ich hab dich gar nicht reinkommen gehört. Setz dich doch! Wie geht es dir?“
Sie nahm auf einem der Besucherstühle vor Harms Schreibtisch Platz.
„Den Umständen entsprechend gut. Wie war dein Tag im Gericht?“
„Alles gut gelaufen. Mac, wo warst du gestern? Du hättest mir Bescheid sagen können, wohin du gehst.“ Mac konnte nicht deuten, ob er eher besorgt oder vorwurfsvoll klang.
„Fort Leavenworth,“ antwortete sie knapp.
„Ich hätte dich begleitet,“ der traurige Unterton in seiner Stimme war nun eindeutig.
„Ich weiß, Harm. Hör zu, warum besprechen wir das nicht alles heute Abend bei mir zu Hause? Wir könnten uns eine Pizza bestellen.“
*Nein, warum ausgerechnet heute!*, fluchte Harm innerlich. „Mac, es tut mir Leid, ich… ehm…“
Er wurde durch ein Klopfen am Türrahmen unterbrochen.
Beide blickten gleichzeitig auf. Jenny war da. Und sie wollte offensichtlich zu Harm.
„Störe ich?“, kam es zögerlich von ihr.
„Nein, komm doch rein,“ forderte Harm sie auf. Was sollte er auch sonst sagen? Ganz glücklich war er über die momentane Situation allerdings nicht.
Jenny betrat den Raum, reichte Mac die Hand zur Begrüßung. Dann ging sie um den Schreibtisch herum, nahm Harm kurz in den Arm und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Na Seemann, bereit für unseren kleinen Ausflug?“, fragte sie Harm fröhlich.
Die Stimmung im Raum änderte sich abrupt. Jenny erhielt keine Antwort auf ihre Frage. Die anderen beiden Personen im Raum waren viel zu sehr mit sich beschäftigt.
Harm blickte Mac in die Augen, bat sie mit seinem Blick inständig, ihn erklären zu lassen, was hier vor sich ging. Aber Mac wollte davon nichts hören. Sie störte im Moment sowieso nur. Also erhob sie sich und verließ mit einem „Wir sehen uns morgen, Harm. Auf Wiedersehen Master Chief Lewis.“ Harms Büro.

„Hey was ist los mit dir?“, sprach Jenny Harm erneut an.
„Entschuldige, was hattest du gesagt?“, antwortete er, in Gedanken immer noch weit weg. Na ja, eigentlich nur im Büro nebenan, aber das konnte er ihr schlecht sagen.
Jenny ließ Harms Schultern nun los und ging, die Bürotür zu schließen. Als sie zurückkam, setzte sie sich auf die Ecke seines Schreibtischs und konfrontierte ihn mit einer Frage, die er von ihr ganz sicher nicht erwartet hatte.
„Was läuft zwischen dir und dem Colonel?“
„Wie bitte?“, erwiderte er verwirrt.
„Harm, ich bin nicht blind. Ich kenne dich vielleicht noch nicht sehr lange, aber das ist auch nicht nötig, um zu sehen, was hier los ist.“
„Du verstehst das nicht.“, antwortete er abweisend.
„Ich denke doch. Vor deiner Wohnung habe ich noch gedacht, du tröstest einen guten Freund…“
Er unterbrach sie schroff.
„Mac ist meine beste Freundin. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn einer von uns den anderen braucht, ist er da. Du bist eifersüchtig!“
Für ihn selbst klang das alles sehr überzeugend. Für Jenny weniger. Aber sie musste zugeben, dass sie sich in Harmon Rabb, jr. verliebt hatte. Sie war definitiv eifersüchtig. Sie konnte nur noch nicht ganz einordnen, ob zu Recht oder zu Unrecht. Jenny war bereit, ihm jede Menge Zeit zu geben. Zeit, die er brauchte, um sich schließlich auf eine feste Beziehung mit ihr einzulassen. Aber mit einer zweiten Frau neben ihr wollte sie nicht umgehen müssen…
Sie beschloss, gerade heraus zu fragen.
„Liebst du sie?“
*Oh nein, nicht diese Diskussion. Nicht jetzt.* Harm hätte am liebsten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Warum waren alle Leute um ihn herum nur der Meinung, sein Verhältnis zu Mac analysieren zu müssen?
Er beantwortete Jennys Frage nicht, schnappte sich nur Tasche und Mütze und stürmte aus dem Büro.
„Und heute Abend klappt leider nicht!“, hörte sie ihn vom Bullpen aus noch rufen.


Macs Wohnung,
Georgetown, Washington D.C.
19:18 Uhr Ortszeit

Seit Stunden schon dachte Mac darüber nach, wie sie all die Informationen, die in den letzten achtundvierzig Stunden auf sie eingeprasselt waren, in ihrem Leben unterbringen sollte. Natürlich war sie glücklich, dass ihr Onkel noch lebte. Aber was sollte das für ein Leben sein? Ein Leben ohne seine Freunde? Nein, in einem Punkt war sie sich sicher: Ganz allein durfte niemand sein. Sie war die einzige, die Onkel Matt blieb. Und ganz bestimmt zählte er auf sie.
Und Harm… Harm war ihr Freund, hier in Washington. Aber er würde ohne sie nicht allein sein. Da waren ja noch Bud und Harriet und Sturgis und der Admiral und… Jenny.
In ihrem Kopf war die Entscheidung schon gefallen, wie das alles in ein neues Leben passte. Macs Herz rebellierte dagegen.

Mac hatte ein Bad genommen, sich anschließend ihren Marine Corps Trainingsanzug angezogen und sich in eine Decke auf die Couch gekuschelt. Dort saß sie immer noch, mit einer leeren Tasse Cappuccino in der Hand.
*Mein Gott, Mac, du bist ein Marine! Marines lassen sich nicht von Gefühlen leiten! Schon mal was von Verantwortungsbewusstsein und Loyalität gehört?*
Mit diesem Gedanken beendete sie den Kampf, der in ihrem Inneren tobte. Sie ging zum Computer.

Lieutenant Colonel Sarah MacKenzie. Das waren die letzten Worte, die unter dem soeben von ihr verfassten Schriftstück standen. Nur ihre Unterschrift fehlte noch.
Urplötzlich raste Mac Richtung Badezimmer, sich die Hand vor den Mund haltend. Ihr war speiübel. Warum blieb ihr ein Rätsel. Sekunden später übergab sie sich in die Toilette.
Ihr Magen wollte sich allerdings nicht beruhigen. So verbrachte sie weitere Minuten vor der Toilette kniend, bis alles schließlich einigermaßen erträglich wurde.
Erschöpft sank sie zurück gegen die Wand der Badewanne. Heiße und kalte Schauer liefen ihr abwechselnd den Rücken runter. Sie schwitzte und war kreidebleich.
Nur langsam normalisierte sich ihr Befinden. Mac stand auf, suchte Halt an Badewanne und Waschbecken, weil ihr schwindlig war.
Mund ausspülen. Hinlegen. Das war der Plan. Ein Blick in den Spiegel ließ sie erschrecken und bestätigte ihr, dass sie sich definitiv ausruhen sollte heute abend.


Macs Wohnung,
Georgetown, Washington D.C.
21:02 Uhr Ortszeit

Harmon Rabb, jr. wusste, dass er seinen Marine vorhin enttäuscht hatte. Jetzt war er ja hier. Mit einem Wiedergutmachungsangebot. Er hoffte inständig, dass Mac zuhause war und immer noch für ihn Zeit hatte.

Er klopfte an.

Mac ging es wieder besser. Eine Stunde Schlaf hatte Wunder gewirkt. Sie öffnete die Tür von innen ohne vorher einen Blick durch den Spion zu werfen und war nun umso mehr erstaunt, ihren Partner vor sich stehen zu sehen.
„Hallo Mac,“ begrüßte er sie.
Ihr war nicht entgangen, dass er etwas hinter seinem Rücken verborgen hielt.
„Harm! Was treibt dich hierher um diese Uhrzeit?“
Er setzte sein bestes Lächeln auf, zog die Papiertüte hinter seinem Rücken hervor und hielt sie ihr unter die Nase.
„Na, duftet das gut? Ich dachte, ich komm vorbei und stimme dich milde. Es tut mir Leid, dass wir vorhin unterbrochen worden.“
Im letzten Satz lag ehrliche Reue. Macs Onkel stirbt und Jenny hat nichts Besseres zu tun als ihn im HQ abzufangen und in Beschlag zu nehmen. Harm hatte den Blick von ihr abgewandt.
Er richtete ihn aber sofort wieder auf Mac als diese erstaunt und fröhlich seinen Namen rief.
„Harm!“
Sie riss ihm die Tüte förmlich aus der Hand, als ihr bewusst wurde, nach was es duftete. Ihr Flyboy hatte doch tatsächlich Beltway Burger besorgt!
Mac stapfte mit der Tüte in der Hand zurück ins Apartment und ließ Harm vor der offenen Tür stehen. Der lachte nur kurz, froh, dass sie weder böse auf ihn war noch Trübsal blies, und trat ein.
„Da ist auch Salat drin, Mac! Für dich!“, rief er ihr von der Garderobe aus zu.

Eine halbe Stunde und zwei Beltway Burger später brachte Harm das Thema zur Sprache, wegen dessen er eigentlich hier war.
„Wie geht es dir Mac? Ich weiß, ich habe im Büro schon gefragt, aber jetzt möchte ich eine ehrliche Antwort.“
„Ich war auch vorhin ehrlich. Mir geht es gut, Harm. Warum sollte es mir nicht gut gehen?“… und erst jetzt machte es klick bei Mac: *Wegen deinem Onkel, Dummerchen!*
Sie verschluckte sich und hustete. „Natürlich bin ich betroffen, traurig. Es lassen sich keine Worte dafür finden, wie ich mich fühle. Aber ich komme damit zurecht.“
Das war wenigstens ehrlich. Sie wollte nicht, dass er ihre Gedanken nun wieder durcheinander brachte.
„Sicher?“, fragte Harm nach. Mac schien ziemlich abgeklärt. Er sah sie nicht oft weinen, aber irgendwie hatte er erwartet, sie niedergeschlagener vorzufinden. Alles war in Ordnung, solange sie nicht trank oder etwas anderes tat, das sie später bereuen würde.
„Ja,“ gab sie mit einem kleinen Lächeln im Gesicht zurück. „Und nun los, den Müll in die Küche, ich wasche die Gläser noch ab und dann ab mit dir nach Hause!“
Sie war zu beherrscht. Irgendetwas stimmte nicht. Nur hatte er heute Abend wohl keine Chance mehr herauszufinden, was.

Harm schnappte sich die ganzen Fast Food Kartons und Tüten und ging Richtung Küche. Auf halbem Wege rief Mac ihn zurück. Er war schon wieder auf dem Weg in die Stube, als er sie sagen hörte: „Hey Fliegerheld, fang!“
Sie warf ihm ein zusammengeknülltes Stück Papier zu, das er offensichtlich liegen lassen hatte.
Harm grinste, ging zwei, drei Schritte rückwärts und fing das Knäuel.
„Autsch,“ entfuhr es ihm leise, als er dabei gegen die Ecke des Computertisches stieß. Er drehte sich um, bereit alles festzuhalten, was er umgestoßen hatte und es vor dem Herunterfallen zu bewahren.
Es war nichts passiert. Nur der Bildschirmschoner war jetzt aus.
Fassungslos starrte Harm auf den Monitor.

Mac war innerhalb von drei Sekunden neben ihm und schaltete den Bildschirm ab. Sie hoffte, dass Harm noch nichts gelesen hatte. Gleichzeitig wusste sie, dass sich diese Hoffnung wohl nicht erfüllen würde. Ein Blick in sein Gesicht bestätigte ihre Befürchtungen.
Harm war einfach nur sprachlos. Er sah sie entgeistert an und brachte schließlich doch ein heiseres „Mac, was war das?“ zustande.
Mac vermied es jetzt ihn anzusehen. Sie war sich bewusst, dass er eine Erklärung verdiente. Aber sie hatte keine Vorstellung davon, wie diese aussehen sollte. Auf der einen Seite hatte sie sich fest vorgenommen, niemandem von Onkel Matts neuer Identität zu erzählen, andererseits konnte sie ihm den zweiten Grund für ihr Versetzungsgesuch noch viel weniger nennen.

„San Diego,“ murmelte er leise vor sich hin.
„Und wann?“
„In dreieinhalb Wochen,“ gab sie nun kaum hörbar von sich.
„Oh man,“ Harm fuhr sich mit der Hand über die Stirn und ging langsam zurück in die Stube. Die Fast Food – Kartons waren vergessen. Er hatte jetzt andere Sorgen, musste erst einmal verdauen, was er soeben erfahren hatte. Er setzte sich auf das Sofa und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

Mac folgte ihm etwas später in das Wohnzimmer.
„Der Admiral muss sein Okay noch geben, es steht also noch nicht fest, ob ich wirklich gehe,“…*schlechter Ansatz, Marine, ganz schlecht*
Sie sollte auch keine Antwort darauf erhalten. Stattdessen stellte Harm eine neue Frage.
„Wann hattest du vor, mir davon zu erzählen?“
Sie sah den Schmerz in seinen Augen, und es brach ihr fast das Herz. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wusste sie bis jetzt nicht, wann und wie sie es ihm beibringen wollte. Aber das war jetzt auch nicht mehr wichtig.
„Heute Abend. Ich habe es vorhin erst aufgesetzt, nachdem du… nachdem ich vom Büro heimgekommen bin.“
„Warum? Warum willst du gehen?“
„Es tut mir Leid, Harm.“ Mac wandte sich von ihm ab, konnte ihm nicht mehr länger in die Augen blicken.
„Mir tut es auch Leid.“
Harm stand auf, nahm seine Jacke und ging Richtung Tür.
„Geh nicht,“ bat sie ihn leise.
Er ging dennoch.


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
9:24 Uhr Ortszeit

Commander Rabb hatte sich vor wenigen Minuten in seinem Büro eingefunden. Der Admiral war heute Morgen außer Haus, und so hatte sich Harm die Standpauke seines Vorgesetzten für sein Zuspätkommen ersparen können.
Er versteckte sich nun hinter einigen Akten, hoffte von niemandem angesprochen zu werden. Und er war heilfroh, dass er heute nicht ins Gericht musste. In seinem Kopf drehte sich immer noch alles. Die letzte Nacht war lang.
Nachdem er sich eine knappe halbe Stunde vergebens versuchte zu konzentrieren, machte er sich auf den Weg in die Kaffeeküche. Vielleicht gab es dort noch etwas Marine Corps Kaffee… Bei diesem Gedanken wurde ihm übel. Nein, eigentlich wollte er heute keinen Marine mehr sehen. Insbesondere nicht seinen…
*Das heißt: 'Insbesondere nicht Colonel MacKenzie!'*, korrigierte er sich selbst.

Es gab noch Marines Kaffee. Er roch gut und schmeckte wahrscheinlich bitter, aber es sollte noch etwas dauern, bis Harm ihn wirklich kosten konnte.
Er hatte sich gerade eine Tasse eingeschenkt, als ihm plötzlich schwindlich wurde.
Harm stützte sich mit beiden Händen auf und ließ den Kopf hängen. Doch das Karussell wollte einfach nicht anhalten…

So fand ihn Mac zwei Minuten später. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und sprach ihn an.
„Harm?“
Der aber konnte nicht einordnen, ob Mac wirklich neben ihm stand oder ob er es sich nur einbildete. Er nuschelte leise vor sich hin.
„Es soll doch einfach nur aufhören.“
Verwundert über seine Antwort fragte Mac nach, was denn aufhören solle.
Keine Reaktion. Einige Gedankengänge später:
„Ich will nicht mit dir reden, Mac.“
„Ist alles in Ordnung, Harm?“, erkundigte sie sich nun sichtlich besorgt.
„Lass mich doch bitte alleine.“
Mac ahnte Schlimmes. Ihr Partner roch nach schalem Bier. Diesen Geruch würde sie immer wieder erkennen, möge er auch noch so wenig wahrnehmbar sein.
„In mein Büro, Commander, sofort!“
Hoffentlich begriff er das noch.

Er hatte es verstanden. Harm folgte ihr in ihr Büro, ließ sich dort in einen der Besuchersessel fallen und senkte sofort wieder seinen Kopf.
Mac schloss hinter ihnen beiden die Tür und zog die Jalousien zu.
„Wo warst du gestern Nacht, Harm? Nachdem du bei mir zuhause losgefahren bist?“
„Egal.“
„Nein, es ist nicht egal! Also, wo bist du gewesen?“, fuhr sie ihn schon lauter an.
„Irgendwo in einer schönen, kleinen Bar.“
„Du hast getrunken,“ konfrontierte ihn Mac.
„Tut man das nicht normalerweise in einer Bar?“, er konnte die Ironie aus seiner Stimme nicht heraushalten.
„Du nicht! Sieh dich an Harm, du stehst jetzt noch unter dem Einfluss von Alkohol! Wie bist du heute früh hierher gekommen?“
„Na gefahren, dumme Frage.“
Es war sinnlos mit ihm reden zu wollen. Erstmal musste Harm wieder nüchtern werden.
„Wir setzen dich jetzt in mein Auto und fahren dich nach Hause. Keine Widerrede.“
„Das kannst du gar nicht bestimmen. Wenn schon fahre ich selber.“
Damit stand er aus dem Sessel auf, drehte sich langsam um und ging zur Tür.
Auf halbem Wege hielt ihn Mac auf. Sie fasste ihn bei den Schultern und schüttelte ihn leicht.
„Harm, hör mir zu. Entweder wir ziehen das jetzt auf die sanfte Tour durch und du kommst freiwillig mit runter in mein Auto. Du kannst aber auch die harte Tour haben, ich müsste dich melden…“ Sie sah ihm in die Augen. Sie schienen eine Spur dunkler jetzt. Harm blickte seinen Marine mit einem Ausdruck in den Augen an, den sie noch nie zuvor an ihm gesehen hatte. Er schien ihr gar nicht mehr zuzuhören, war in Gedanken in einer anderen Welt.
Bevor Mac weiter darüber nachdenken konnte, was hier gerade passierte, lagen seine Lippen auf ihren. Sein Kuss war fordernd und bei Weitem nicht so sanft, wie sie es von ihm gewohnt war. Harm drängte sie immer weiter zurück, bis sie schließlich mit dem Rücken an der Wand stand. Ein leises Stöhnen entfuhr seiner Kehle.

Endlich schaffte es Mac ihn von sich zu drücken. Nein, so sollte das ganz sicher nicht ablaufen zwischen ihnen beiden. Jeder andere Typ, der das mit ihr durchgezogen hätte, würde jetzt am Boden liegen, den Arm auf den Rücken gedreht und vor Schmerzen winselnd.
Harm hielt sie stattdessen nur auf Distanz.
„Verdammt, Harm! Komm zu dir!“
Er schüttelte mit dem Kopf, ließ dann von ihr ab und begab sich ohne ein weiteres Wort in sein Büro, sammelte seine Sachen ein und ging dann Richtung Fahrstuhl, wo Mac schon auf ihn wartete.
Auf dem Parkplatz musste sie ihn noch einmal daran erinnern, dass sie mit ihrem Auto fahren würden. Der übrige Heimweg verlief schweigend.


Nördlich der Union Station,
Washington D.C.
10:48 Uhr Ortszeit

Harm war inzwischen etwas klarer im Kopf, aber nur etwas. Sein Körper baute den Alkohol langsam ab. In gleichem Maße kehrte der Schmerz von gestern Abend jedoch wieder.
Mac schaltete die Zündung aus.
Bevor sie aus dem Auto aussteigen konnte, sprach Harm sie an.
„Mac, warum gehst du nach San Diego?“
„Harm…“
„Bitte, Mac. Ich bin dein bester Freund. Ich möchte wissen, warum du weggehst.“, bat er sie inständig um eine Antwort.
„Ich kann es dir nicht sagen, Harm.“
Mac vermied es ihn anzusehen.
„Kannst du mir dann verraten, wann und wodurch ich dein Vertrauen verloren habe?“, fragte er mit zynischem Unterton in der Stimme.
„Das hast du nicht. Ich kann verstehen, dass du enttäuscht bist…“
Weiter kam sie nicht.
„Wie du darauf nur kommst!“
Er hatte den Griff zur Tür in der Hand und öffnete sie ein Stück.
„Harm, hör mir zu…“
„Du hast mir doch sowieso nichts mehr zu sagen! Danke für die Heimfahrt, wir sehen uns morgen im Büro.“
Er stieg aus und schlug die Autotür zu. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verschwand er im Aufgang des Hauses.

Harm lehnte mit dem Rücken an der Innenseite seiner Tür. Er ließ sich langsam nach unten rutschen, bis er schließlich auf dem Boden saß. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen und begann, stille Tränen zu weinen. Er war enttäuscht. Und wütend.
Er ahnte nicht, dass es einem Marine Lieutenant Colonel unweit von ihm entfernt ähnlich erging.


Liebe Grüsse Petra

Kalorien sind kleine Tierchen, die nachts die Kleidung enger nähen.

 
Petra-Andreas
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Registriert am: 16.04.2007


RE: Endstation Einsamkeit von angel

#5 von Petra-Andreas , 07.05.2007 20:37

JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
14:38 Uhr Ortszeit

Mac hielt eine Akte in ihrer Hand und fluchte. Dies hier war der einzige Fall, an dem sie im Moment gemeinsam mit Commander Rabb arbeitete. Gut, er verteidigte, sie klagte an. Sie bildeten also kein Team.
„Warum auch muss ich anklagen? Er hätte das doch tun können! Dann müsste ich ihn jetzt jedenfalls nicht von diesem Foto in Kenntnis setzen…“
Mac schimpfte vor sich hin, bis sie die Tür zum Bullpen geöffnet hatte. Hier draußen war sie einhundert Prozent Marine. Und Marines hatten keine schlechte Laune.

Sie klopfte nicht an. Das tat sie nie, wenn Harm nicht gerade Besuch hatte.
Sie trat ein und schloss die Tür.
Harm schaute nicht auf, er wusste auch so, wer da war.
„Guten Tag, Colonel,“ begrüßte er sie ohne von seinen Unterlagen aufzusehen. „Schon beim Admiral gewesen und das nette, kleine Versetzungsgesuch unterschreiben lassen?“
Jetzt sah er auf. Er versuchte, den Schmerz in seinen Augen zu verstecken, aber es gelang ihm nicht.
„Ja,“ antwortete sie mit brüchiger Stimme. Er wollte sie verletzen, so wie sie es mit ihm getan hatte.
Mac erinnerte sich ungern an heute morgen…


~FLASHBACK~

Mac stand in Hab – Acht – Position vorm Schreibtisch des Admirals.
„Rühren, Colonel. Was führt Sie zu mir?“
Sie reichte ihm das Versetzungsgesuch herüber, verblieb aber entgegen seiner vorherigen Aufforderung in ihrer bisherigen Stellung.
AJ überflog das Schriftstück. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung. In seinem Inneren sah es anders aus. Er blickte zu Mac auf.
„Ich sagte rühren, Colonel. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir den Grund für Ihr plötzliches Verlangen, uns zu verlassen, mitzuteilen?“
Er sah ihr an, dass ihr unwohl war in ihrer Haut. Sie bemühte sich dennoch, professionell zu wirken.
„Persönliche Gründe, Sir. Ich kann Sie aus gegebenen Umständen leider nicht näher erläutern.“
„Ich werde Sie nicht weiter danach fragen, Colonel. Drei Wochen sind doch sehr kurzfristig…“
„Ich weiß, Admiral. Ich bedaure, dass ich Sie nicht früher in Kenntnis setzen konnte. Aber ich habe diesen Entschluss selbst erst vor zwei Tagen gefasst, Sir.“
„Also gut. Bevor ich unterschreibe, möchte ich Sie noch etwas anderes fragen, Mac.“
Sie wusste, dass nun etwas Persönliches folgen würde – ihr war nicht entgangen, dass der Admiral vom Colonel zu Mac übergegangen war.
„Fragen Sie, Sir.“
„Ist Commander Rabb involviert?“
Ihre Hände begannen bereits bei der Erwähnung seines Namens zu zittern. Sie verschränkte sie hinter ihrem Rücken. Ihre Augen konnte sie allerdings nicht verbergen.
*Er hängt mit drin, AJ.*
AJ Chegwidden ersparte Mac die Antwort auf seine vorherige Frage und stellte stattdessen eine neue.
„Weiß er wenigstens Bescheid?“
Noch mehr Spannung im Raum.
Schließlich erhielt AJ seine Antwort.
„Er weiß, dass ich gehe, Sir. Wäre das dann alles?“
„Denken Sie darüber nach, ob Sie nicht besser mit ihm sprechen sollten. Das wäre alles. Wegtreten, Colonel.“
Damit wandte er sich wieder seinen Aufzeichnungen zu.
Mac war irritiert.
„Sir?“
„Ich sagte wegtreten, Colonel. Schließen Sie das Schott hinter sich.“

~ENDE FLASHBACK~


Harm ging nicht weiter darauf ein.
„Was gibt es denn, Colonel?“
„Ich habe neue Informationen bezüglich des Ryan Kelly – Falles. Lass das mit dem Colonel, Harm.“
„Welche Art von Informationen, Colonel?“
Die Art in der er den Colonel betonte, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Mac hatte Angst, ihren besten Freund verloren zu haben, weil sie nicht ehrlich sein konnte. Aber was sollte sie tun?
„Entlastendes Beweismaterial. Harm, bitte,“ flehte sie ihn an.
Er streckte ihr seine geöffnete Hand entgegen und bedeutete ihr so, ihm alle Unterlagen zu geben.
Sie legte die Akte in seine Hand.
„Ich werde es mir im Laufe des Tages ansehen. Gibt es sonst noch etwas? Ich habe zu tun, wie Sie sehen.“
Sein ‚Sie’ brannte wie Feuer in ihrer Seele. Mac wusste nicht, wie sie dem begegnen sollte. Sie beließ es fürs Erste.

Aber auch in den nächsten drei Wochen fiel ihr keine Antwort ein. Die Stimmung zwischen den beiden Offizieren war auf dem Nullpunkt angelangt.
Macs letzter Tag im Büro stand bevor. Der letzte Tag, den sie in Washington verbringen wollte. Der letzte Tag, an dem beide Gelegenheit hatten, ihren Disput zu klären.


JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
12:03 Uhr Ortszeit

Die gesamte Belegschaft fand sich im Bullpen ein. Alle wollten sich offiziell von Mac verabschieden. Und als CO ließ es sich Admiral Chegwidden nicht nehmen, einige Worte dazu zu äußern. Mit einem Räuspern lenkte er die Aufmerksamkeit aller auf sich.
„Ich denke Sie alle kennen den traurigen Grund, aus dem wir uns heute hier versammelt haben. Lieutenant Colonel MacKenzie wird am Montag ihren Dienst in San Diego antreten und uns deshalb heute das letzte Mal hier im JAG HQ beehren.“
Er winkte Mac zu sich und stellte sie somit in den Mittelpunkt.
„Mac, ich spreche vermutlich im Namen aller, wenn ich Ihnen sage, es war stets eine Freude mit Ihnen arbeiten zu können. Ich bin kein Fan großer Reden, deshalb halte ich diese kurz: Wir werden Sie vermissen. Sie sind jederzeit wieder willkommen hier.“
Den folgenden leisen Applaus hörte Mac kaum. Während der Ansprache des Admirals hatte sie ihren Partner - *Ex – Partner*, rief sie sich schmerzlich in Erinnerung – beobachtet. Harm lehnte vor wenigen Minuten noch am Türrahmen seines Büros. Aber als Chegwidden begann zu sprechen, zog er sich zurück. Nun starrte Mac auf die geschlossene Tür.

„Ma` am?“, wurde sie von Harriet aus ihrer Gedankenwelt gerissen.
„Entschuldigung, Harriet, was sagten Sie?“
Harriet war zu Mac gekommen, um ihr für die hervorragende Zusammenarbeit zu danken und ihr viel Glück zu wünschen. Außerdem legte sie ihr ans Herz, doch immer mal wieder bei ihren Patenkindern vorbei zu schauen. Und das JAG Büro zu besuchen, in dem doch all ihre Freunde arbeiteten. Ihr Redeschwall nahm gar kein Ende.
Aber als Mac sich in ihr Büro davonstehlen wollte, fiel ihr doch noch etwas Wichtiges ein: „Ma` am?“
„Ja?“
„Heute Abend. Acht Uhr bei McMurphy` s.“, sie sah Mac mit dem Kopf schütteln, „Keine Chance, dem zu entgehen, Ma` am. Und wenn wir Sie persönlich von zu Hause abholen müssen.“ Harriet lächelte.
Mac gab sich geschlagen.
„Das geht in Ordnung, Harriet.“
Damit ging sie hinüber zu ihrem Büro. Schließlich mussten noch einige Dinge zusammengepackt werden. Bevor sie damit beginnen konnte, verabschiedete sie sich allerdings noch von all jenen, die zu ihr kamen und ihr Glück wünschten. Es waren einige...

Eine halbe Stunde später stand Mac wieder in Mitten des Großraumbüros. Diesmal hatte sie einen Pappkarton in der Hand, angefüllt mit Erinnerungen an JAG. An ihre Freunde. An Siege und Niederlagen. An ihn.
Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie auf die immer noch geschlossenen Jalousien in seinem Büro blickte. Sie fragte sich, ob er heute Abend kommen würde. Sie konnte sich allerdings nicht entscheiden, ob sie das überhaupt wollte oder nicht.


McMurphy` s Tavern,
Washington, D.C.
20:12 Uhr Ortszeit

Mac saß an der Bar und sprach mit Bud und Sturgis. Ihre Gedanken waren allerdings bei Harm, der bis jetzt noch nicht da war.
*Gib ihm seine obligatorische Viertelstunde, Mac*, versuchte sie sich selbst zu beruhigen.
„Hey Mac,“ sprach sie Sturgis an „wieso eigentlich San Diego? Ich habe Sie die ganzen letzten Wochen nicht einmal darüber sprechen gehört, warum Sie gehen.“
„Das hat viele Gründe Sturgis. Persönliche Angelegenheiten hauptsächlich. Als Bonus gibt’s dort den Ozean vor der Haustür und viel, viel Sonne.“ Mac lächelte ihre Kollegen an und hoffte, sie so ablenken zu können.
„Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dort, Mac. Von ganzem Herzen. Ich wünschte, ich wüsste, wie man Sie davon überzeugen kann, zu bleiben.“, gab Bud dazu.
Just in diesem Moment öffnete sich die Eingangstür und Harm trat herein. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er Mac in der Menschenmenge ausmachte.
Sein Blick traf ihren. Und Mac hatte das Gefühl, er könne ihr bis in die Seele sehen.

„Er ist wahrscheinlich der Einzige, der es kann,“ flüsterte Sturgis Bud zu.
„Und warum tut er es dann nicht?“
„Fragen Sie einen Paartherapeuten, Bud… Nun, vielleicht besser doch nicht. Er müsste wohl kapitulieren, was die beiden angeht.“
Das Ganze quittierte er mit einem Kopfschütteln.

Harm hatte seinen Mantel abgelegt. Sein Blick hatte sich nicht eine Sekunde von Macs gelöst. Er wusste, wie sehr sie sein Verhalten verletzte. Aber sie war schließlich nicht die einzige, die Sorgen und Probleme hatte! Er hatte bis heute gewartet, gewartet, dass sie ihn doch noch einweihte. Seine Hoffnung schwand allerdings mit jeder Minute, die verstrich. Zwei oder drei Mal hatte er sie in den letzten Wochen noch darauf angesprochen – ihre Reaktion blieb jedes Mal dieselbe. Sie könne es ihm nicht sagen. Deshalb verstärkte er die Mauern sogar, die er zum Selbstschutz um sich herum errichtet hatte. Er war verbittert. Selbst hier, heute Abend.
Als er sah, dass der Admiral Mac zum Tanz aufforderte, verkrümelte er sich an den hintersten Tisch, den die Bar zu bieten hatte. Hier war er wenigstens allein. Und niemand konnte ihm später vorwerfen, nicht zu Macs Abschlussparty gekommen zu sein.

„Darf ich bitten, Mac?“, fragte AJ seinen ehemaligen Chief of Staff. Er bot ihr galant seinen Arm an.
„Natürlich, Admiral.“
Er führte sie auf die Tanzfläche und begann sich mit ihr zur leisen Musik zu bewegen. AJ wahrte den Abstand zwischen ihnen. Sein Anliegen konnte er auch so vortragen.
„Warum sprechen Sie nicht mit dem Commander, Mac?“
Er hatte sich vorgenommen, nur zu intervenieren, wenn es absolut notwendig wäre. Nun, der letzte Abend war ziemlich absolut, nicht wahr?
Für einen Augenblick hielt Mac in ihren Bewegungen inne, fing sich jedoch relativ schnell wieder und gab ihrem CO eine Antwort.
„Er hat das Versetzungsgesuch gelesen, bevor ich ihm davon erzählen konnte, Admiral. Wir konnten nicht darüber sprechen, ohne dass das Ganze in Streit ausartete. Ich möchte an meinem letzten Abend hier keine Diskussion mit Harm anfangen. Verstehen Sie das, Sir?“
„Sie wissen, dass ich danach nicht gefragt habe.“
Resignierend senkte Mac ihren Kopf, nur um ihn dann wieder zu heben und dem Admiral in die Augen zu blicken.
„Ich kann es ihm nicht sagen, Sir. Ich kann es niemandem sagen.“
„Also gut. Ich kann und werde Sie nicht zwingen. Dennoch möchte ich, dass Sie jetzt zu ihm gehen. Ich bin mir sicher, dass Sie genau wissen, wo er abgeblieben ist. Und Letzteres kann ich zu einem Befehl machen, wenn es sein muss.“
Sein Ton ließ keine Widerrede zu.
„Aye aye, Sir.“
Damit entließ AJ sie von der Tanzfläche. Er selbst kehrte zur Bar zurück, um sich zu Bud und Sturgis zu gesellen.
Mac machte sich auf den Weg zu Harm, der immer noch ganz allein in der hintersten Ecke der Gaststätte saß.

Harm bemerkte nicht, dass sie auf ihn zukam. Er beobachtete die Lichtreflexionen auf dem dunklen Holz der Tischplatte. Wie lange er das schon tat, konnte er nicht mehr sagen.
*Dein Marine könnte es dir sagen, Rabb, auf die Sekunde genau!*
So sehr er sich auch bemühte, die Gedanken an Mac konnte er nicht verdrängen.
Seine Hand krampfte sich etwas fester um das vor ihm stehende Bierglas. So fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten.
So fest, dass Mac Angst hatte, er würde das Glas jeden Moment zerdrücken.
Sie nahm auf dem Stuhl neben ihm Platz und legte ihre Hand auf seine.
Eigentlich sollte ihn das beruhigen. Aber es wühlte ihn innerlich nur noch stärker auf. Was sollte er nur tun? Ohne Mac ging es nicht, das wusste er. Ohne Mac funktionierte er nicht.
Harm ließ vom Glas ab und nahm stattdessen ihre Hand in seine. Er umklammerte sie, als würde sein Leben davon abhängen. Sein Blick war weiter auf den Tisch gerichtet.
Ganz langsam führte er ihre Hand an seine Wange und lehnte seinen Kopf dagegen. Was sollte nur aus ihm werden ohne diesen Marine?

Mac ließ ihn gewähren ohne auch nur ein einziges Wort zu sprechen. Sie traute ja nicht einmal mehr ihrer eigenen Stimme, geschweige denn, dass sie wusste, was sie ihm sagen sollte.

„Bleib hier, Mac. Bitte. Geh nicht.“, bat er sie leise. Verzweifelt. Erste Tränen rannen ihm über die Wangen.
Mac fühlte sich, als ob ihr gerade jemand ein Messer im Herz herumdrehte. Ihn so zu sehen tat mehr weh, als sie sich je vorgestellt hatte. Und sie war schuld. Sie verursachte ihm diese Schmerzen. Aber sie konnte ihre Entscheidung nicht mehr rückgängig machen.
„Ich kann nicht, Harm, ich kann nicht.“
Damit konnte auch sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
Das nächste was sie wahrnahm, waren seine starken Arme. Sie hielten sie fest. Ihr Kopf lag jetzt an seiner Brust, sein Gesicht hatte er in ihrem Haar vergraben. Und beide weinten.

Nach einigen Minuten wiederholte sie ihre letzten Worte.
„Ich kann nicht, Harm. Es tut mir so Leid, aber ich kann nicht.“
Harm drückte ihren Oberkörper sacht von sich weg, schaute sie an und verlor sich augenblicklich in ihren Augen.
„Die Zeit läuft uns davon, Harm.“, stellte sie traurig fest.
„Tut sie das nicht schon seit Jahren?“
„Ich war all die Zeit nicht darauf vorbereitet, mich von dir verabschieden zu müssen.“
„Du hast dich entschieden, Mac. Jetzt müssen wir damit leben. Aber wir schaffen das zusammen. Niemand trennt Butch Cassidy und Sundance Kid auf Dauer, hörst du?“
Auf seinem Gesicht erschien ein kleines Lächeln. Mac konnte nicht anders, als es zu erwidern.
„Erinnerst du dich noch daran, was ich einmal über Dress Whites und Gold Wings gesagt habe, Squid?“
Er sah das Funkeln in ihren Augen. Aber noch wusste er nicht, worauf sie hinaus wollte.
„Ja. Willst du es zurücknehmen?“
„Beweis mir, dass ich Unrecht hatte.“
„Was?“, fragte er erschrocken nach. *Träum weiter, Rabb, davon redet sie mit Sicherheit nicht!*
„Küss mich.“
Er glaubte sich verhört zu haben, konnte sie nur mit hochgezogenen Augenbrauen anstarren.
„Na so schaffst du das aber nicht!“, zog sie ihn lachend auf. Sie schüttelte leicht mit dem Kopf, die Augen geschlossen.
Sie meinte es ernst.
Noch ehe sie die Augen wieder öffnen konnte, lagen seine Lippen auf ihren. Ja, dieser Kuss bewies ihr, wie Unrecht sie doch damals hatte. Harm vergrub eine Hand in ihren Haaren, die andere lag auf Macs Oberschenkel. Er küsste fordernd, aber sanft, unendlich sanft. Und voller Liebe.
Ihre Hände ruhten auf seiner Brust. Seine Küsse waren definitiv ein guter Grund zu bleiben. Wiederzukommen. Es war zu spät, um zu bleiben und Matt brauchte sie.
Seine Zunge spielte mit ihrer und sein Geschmack machte süchtig.
Dennoch mussten sie sich nach einiger Zeit voneinander trennen, der Drang nach Sauerstoff ließ sich nicht länger zurückhalten.
„Na überzeugt?“, fragte Harm seinen Marine, ein Flyboygrinsen im Gesicht.
Jenes Grinsen, das ihr jedes Mal die Knie weich werden ließ.
Sie antwortete nicht. Stattdessen küsste sie ihn wieder.

„Lassen wir die beiden allein,“ schlug der Admiral seinen Leuten vor. Alle hatten beobachtet, was zwischen ihren beiden Freunden vor sich ging.
Die Rechnungen wurden bezahlt – der Admiral übernahm vorsorglich die von Harm und Mac mit – und wenige Minuten später befanden sie sich alle auf dem Heimweg. AJ war froh, sich nun über Fraternisierung keinerlei Gedanken mehr machen zu müssen. Auf der anderen Seite… er hätte sie sich gern gemacht! Da lag ein Schreiben vom SECNAV in der untersten Schublade seines Schreibtisches. Jetzt würde er es wahrscheinlich nicht mehr brauchen.

Harm und Mac waren immer noch miteinander beschäftigt. Irgendwann hatten die Küsse aufgehört und sie hielten sich nur noch in den Armen. Keiner wollte sich vom anderen lösen. Aber die Zeit drängte.
„Ich werde dich vermissen, Flyboy.“ Mac sprach leise und mit einer Endgültigkeit in der Stimme, bei der es ihm kalt den Rücken herunterlief.
„Hey, wir sehen uns wieder, Ninjagirl. Das hier ist kein Abschied für immer! Ganz bestimmt nicht!“ Er versuchte sie zu überzeugen. Und sich selbst. Gott, er würde sie auch vermissen. Er konnte ihr nicht einmal annähernd sagen, wie sehr.
„Wann, Harm?“
„Bald, Marine. Bald…“

Zwölf Stunden später saß Mac im Flugzeug nach San Diego.


Fitnessstudio „Phoenix“,
Washington, D.C.
14:35 Uhr Ortszeit

Immer und immer wieder schlug Harm auf den Sandsack ein. Seine Oberarme schmerzten bereits, doch der Schmerz in seinem Herzen war größer. Und noch eine Runde. Solange er auf das Ding einprügeln konnte, musste er nicht über sein Leben nachdenken. Darüber, dass Mac nun keinen Anteil mehr daran haben würde.
Sein Shirt war vollkommen durchgeschwitzt und seine Beine begannen, ihren Dienst zu verweigern. Am Vormittag war seine zehn Meilen gelaufen. Und noch ein paar mehr.

„Hey, Kumpel,“ wurde er von hinten angesprochen.
Harm reagierte zunächst nicht. Erst als er spürte, dass ihm jemand die Hand auf die Schulter gelegt hatte, drehte er sich um.
„Ja?“, antwortete er wenig erfreut über die Störung.
„Du machst `ne Pause, klar?“
Offensichtlich gehörte der Typ hierher, sein T – Shirt wies ihn aus.
„Ich brauche keine Pause!“ Mit dem letzten Wort dieses Satzes landete Harm einen erneuten Treffer auf dem Sandsack.
„Setz dich hin und trink was oder dein Training für heute ist komplett beendet.“
„Aye aye, Chef.“
Es hatte wohl eh keinen Sinn weiter zu protestieren.
Als Harm auf der nebenstehenden Bank Platz nahm, wurde ihm das erste Mal bewusst, wie erschöpft er eigentlich war. Stöhnend ließ er sich gegen die Wand zurücksinken. Vielleicht sollte er wirklich eine Pause einlegen und heimfahren.

Während er mit geschlossenen Augen einfach nur da saß, bemerkte er, dass sich jemand neben ihn setzte. Aber Harm verspürte nicht den Drang, die Augen zu öffnen.
„Hey, Buddy, alles in Ordnung mit dir?“
Jetzt öffnete er sie. Er kannte die Stimme, sie gehörte seinem Freund und Arbeitskollegen Sturgis Turner.
„Alles bestens.“ Harms Stimme triefte vor Sarkasmus.
„Du wirst sie wiedersehen.“
„Ja klar, in einigen Wochen, wenn ich Glück hab und der Admiral mir frei gibt. Und dann? Ach vergiss es, Sturge, es ist vorbei.“
„Seid ihr…“
„…ein Paar? Zusammen?“
„Ja.“
„Nein. Und ich hab nicht mit ihr geschlafen, wenn du das wissen wolltest!“
Harm stand auf und ging wieder auf den Sandsack zu.
„Ist das das Problem?“ Sturgis überkam das Gefühl eines Déjà Vu.
Harm begann erneut auf den Sandsack einzuprügeln.
„Es gibt kein Problem.“
*Wie kann man nur so stur sein?*, ging es Sturgis durch den Kopf. *Themawechsel.*
„Wir beide fliegen Montag auf die Sea Hawk, Harm.“ *Vielleicht bekommst du da den Kopf wieder frei*, fügte er in Gedanken hinzu.
„Was gibt es?“
„Auf der Sea Hawk laufen die letzten Testflüge für die neue Hornet - Generation. Sie haben nur acht dieser Jets dort und ein kleines Ersatzlager natürlich. Insgesamt werden es jedenfalls immer weniger Teile, jemand stiehlt.“
Das erregte Harms Aufmerksamkeit dann doch.
„Jemand stiehlt F18 – Teile?“
„Scheint so. Aber wir sind ja dann da um alles aufzuklären.“ Er lächelte und hoffte seinem Freund auch ein Lächeln abzugewinnen.
Er hatte Erfolg. Mac wäre wahrscheinlich aufgefallen, dass die Traurigkeit in seinen Augen blieb, aber Sturgis war froh, überhaupt eine positive Reaktion zu bekommen.
„Hast du Lust schon jetzt am Wochenende den Fall mit mir durchzugehen?“
Harm war jede Ablenkung recht. Und eine solche ganz besonders.
„Geht klar.“


FBI Division San Diego,
San Diego
18:47 Uhr Ortszeit

Vor etwa zwei Stunden hatte Mac mit der FBI Dienststelle telefoniert. Sie hatte darauf bestanden, noch heute Abend mit Agent Horly zu sprechen. Schließlich wurde ihr zugesagt. Sie sollte sich um 19:00 Uhr hier einfinden, Horly wollte sie vor dem Haupteingang treffen.
Mac blieben noch einige Minuten Zeit, sich etwas umzuschauen. Alles hier wirkte kalt. Das riesige graue Gebäude, in dem nur noch in wenigen Zimmern das Licht brannte. Der noch größere Hof. Die gesamte Fläche war betoniert. Sie konnte weder Bäume noch irgendetwas anderes ausmachen, das dem ganzen ein wenig Farbe verliehen hätte. Rings um das Gelände wuchs karge Vegetation, nur einige Sträucher konnten sich in der Trockenheit durchsetzen. Das FBI Quartier lag etwas außerhalb der Stadt, der Publikumsverkehr war gering.
Sie wurde in ihren Gedanken unterbrochen, als Horly aus dem Gebäude trat und auf sie zukam. Er reichte ihr die Hand zur Begrüßung und bat sie, ihm hinein zu folgen. Sie sprachen kaum miteinander. Überhaupt hörte man auf den Fluren kein einziges Geräusch.
Horly lotste sie durch das im Inneren des Gebäudes verborgene Labyrinth aus Gängen zu seinem Büro. Er öffnete die Tür und bedeutete ihr mit der Hand, einzutreten.
„Nehmen Sie bitte Platz, Colonel.“
Im Gegensatz zu alledem, was Mac bisher vom FBI Quartier gesehen hatte, war Horlys Büro sehr wohnlich eingerichtet. Die Wände waren in einem hellen Gelb gestrichen, überall hingen Bilder. Ein dunkler, weicher Teppich war ausgelegt. Neben dem Schreibtisch und den dazugehörigen Stühlen befand sich eine Couchgarnitur im Raum.
Horly nahm hinter seinem Schreibtisch Platz.
„Was kann ich für Sie tun, Colonel?“
„Ich möchte sobald wie möglich meinen Onkel treffen, Agent Horly.“
„Ted. Wir werden uns in nächster Zeit wohl des Öfteren sehen, also nennen Sie mich bitte Ted.“ Er schenkte ihr ein Lächeln.
„Mac.“
„Sehr erfreut. Nun, ich denke, wir können ein baldiges Treffen arrangieren. Morgen Abend? Ich muss Ihnen aber leider sagen, dass sie O` Hara nicht jeden Tag besuchen können. Es wäre zu auffällig.“
„Das weiß ich, Ted. Morgen Abend ist prima. Sagen Sie mir nur wann und wo ich erscheinen soll.“
„Die japanischen Gärten im Balboa Park. Acht Uhr abends.“
„Ich danke Ihnen.“
„Keine Ursache.“

Eine Viertelstunde später hatte Mac das Gebäude verlassen. Sie begab sich auf den Weg in ihr neues Zuhause. Der Admiral hatte ihr geholfen, so schnell eine Wohnung zu finden. Und was für eine Wohnung sie jetzt besaß!
Von der Stube und vom Schlafzimmer aus blickte man direkt auf das Meer. Beide Zimmer hatten eine breite Fensterfront, die viel Licht hinein ließ. Das Bad war sehr geräumig und verfügte – ganz wichtig – über eine große Badewanne. Auch die Küche war sehr schön eingerichtet, Harm hätte sie gemocht…
Harm. Da war er wieder, der Gedanke an ihren Sailor. In den letzten Stunden hatte sie ihn erfolgreich verdrängt. Aber nun war sie allein, ihre Aufgaben waren zunächst einmal erledigt und sie befand sich auf dem Heimweg.
Sie hatte gerade beschlossen, ihren Partner – für sie würde er immer ihr Partner bleiben, egal was passiert – heute Abend noch anzurufen, als ihr einfiel, wie spät es in Washington aufgrund der Zeitverschiebung bereits war. Sie würde ihn morgen anrufen...


Nördlich der Union Station,
Washington, D.C.
0:12 Uhr Ortszeit

Er konnte nicht schlafen, wälzte sich seit etwa zwei Stunden im Bett hin und her. Die Decke lag bereits auf dem Boden. Das Kissen unter seinem Kopf stopfte er alle zwei Minuten in eine andere Position. Aber es half nichts.
*Gut, dass es so etwas wie Zeitzonen gibt,* dachte er bei sich und entschied sich, seinen Marine anzurufen. Vielleicht würde er danach schlafen können.


Macs Wohnung,
Palm Bay Circuit, San Diego
21:13 Uhr Ortszeit



Gerade als Mac sich zu Bett begeben wollte, klingelte ihr Handy. Sie ahnte, dass Harm versuchte sie zu erreichen. Mac nahm das Telefonat entgegen, obwohl sie von einem schlechten Gewissen geplagt wurde – sie hätte ihn vermutlich selbst anrufen und ihm mitteilen sollen, dass sie sicher gelandet war.

„Colonel Sarah MacKenzie.“
„Hey Mac, ich bin` s. Gut angekommen in San Diego?“
„Harm! Ja, ja hat alles gut geklappt. Ich konnte mich bis jetzt leider nicht melden, weil…“
Er unterbrach sie. Harm wollte Mac nicht weiter drängen, ihm den Grund für ihre Versetzung anzuvertrauen. Aber er wollte auch keine Ausreden hören.
„Mac, schon gut.“
Eine kleine Pause folgte. Er wusste plötzlich nicht mehr, worüber er sich mit ihr unterhalten sollte.
„Es ist sicher schon nach Mitternacht bei euch, du solltest längst schlafen, Harm. Weshalb bist du noch auf?“
„Du weißt nicht einmal mehr wie spät es in Washington ist? Du enttäuscht mich, Marine!“
Es war als Scherz gedacht. Aber als er den letzten Satz ausgesprochen hatte, wurde ihm bewusst, wie sehr er doch eigentlich der Wahrheit entsprach.
Mac war es auch aufgefallen, aber sie ging nicht weiter darauf ein.
„Es ist genau sechzehn Minuten und…“
„Ich glaub` s dir, Mac.“
„Warum liegst du nicht im Bett und schläfst?“
„Oh ich liege im Bett.“
Pause.
„Du kannst nicht schlafen?“
„Nein.“
Wieder Pause.
„Ich vermisse dich, Mac.“
Er klang traurig, unendlich traurig. Und Mac fühlte sich schuldig. Sie wollte ihm so gern sagen, dass er ihr auch fehlte, dass sie auch noch nicht wusste, wie ihr Leben ohne ihn aussehen sollte. Aber sie brachte es nicht fertig, nicht, nachdem sie ihn verlassen hatte. Ohne ihm überhaupt zu sagen, warum.
„Meine Mom feiert in zwei Wochen Geburtstag, Mac. Wenn mir der Admiral freigibt, werde ich sie in La Jolla besuchen. Wenn du möchtest,…“
„Das wäre schön.“
„Und dann?“
„Ich weiß es noch nicht, Harm.“
Er beschloss, das Thema zu wechseln.
„Montag fliege ich mit Sturgis auf die Seahawk. Da scheint jemand Hornet – Teile zu stehlen.“
„Das klingt, als wäre der Fall wie für dich gemacht.“
Sie wollte ihn begleiten, so gern würde sie mit auf die Seahawk fliegen…
„Wenn ich artig bin, lässt mich der CAG vielleicht…“
„Nein!“
„Nein?“
„Ich meine, du musst doch keine Hornet fliegen, um den Fall aufzuklären, oder?“
„Ich denke nicht, aber ich würde gern.“
„Tust du mir einen Gefallen?“
„Nämlich?“
„Hältst du mich auf dem Laufenden?“
„Sicher.“
„Sei vorsichtig, Harm. Und nun versuch noch ein bisschen Schlaf zu bekommen.“
„Bis dann, Mac. Machs gut.“



Nördlich der Union Station,
Washington, D.C.
7:34 Uhr Ortszeit



Gut hatte Harm nicht schlafen können, aber er war schon froh, überhaupt zur Ruhe gekommen zu sein. Jetzt suchten sich die ersten Sonnenstrahlen den Weg in sein Schlafzimmer und er war hellwach.
„Guten Morgen, Sonnenschein,“ flüsterte er in die Stille hinein. Er war keine zwei Minuten munter und schon waren seine Gedanken wieder bei Mac. Aber er hatte sich fest vorgenommen, sich von dem abzulenken heute.
*Und damit kannst du gleich beginnen, Rabb!*, forderte er sich selbst auf. Der Trainingsanzug lag nicht weit weg lose über einen Stuhl gehängt. Er würde zunächst eine Runde laufen, danach duschen und etwas essen, um dann schließlich zu Sturgis zu fahren und mit der Arbeit an ihrem neuen Fall zu beginnen.



Columbia Heights,
Washington, D.C.
11:05 Uhr Ortszeit



„Morgen, Harm,“ begrüßte Sturgis seinen Freund.
„Morgen? Wie lang hast du denn geschlafen?“, fragte Harm mit einem Grinsen im Gesicht nach.
„Scheinbar länger als du“, merkte Sturgis leise an, nachdem er die Ringe unter Harms Augen gesehen hatte. „Ich bin aber wach genug, um mich sofort mit dir an die Arbeit zu stürzen! Komm rein, Buddy!“

In den letzten zwei Stunden hatten sich beide in den Fall eingelesen, jetzt war es an der Zeit, Ideen auszutauschen.
„Also was sagst du, Sturge?“
„Das wird schwierig. Dann und wann fehlt mal ein Teil, mal hier gestohlen und mal dort. Der JAG an Bord hat versucht, Zusammenhänge zu erkennen, aber keine gefunden. Wir haben nicht einen Verdächtigen.“
„Oder ein paar tausend Mann.“
„Ich weiß nicht, was mir besser gefällt.“
„Okay, dann fangen wir anders an. Was wollen die mit den Hornet – Teilen?“
„Profit rausschlagen, auf welche Art auch immer.“
„Welche Teile waren das noch mal genau?“, versuchte sich Harm zu erinnern und griff wieder nach der Akte, die auf dem Tisch vor ihm lag. Er beantwortete seine Frage selbst. „Hier haben wir es: Das ist alles Radar- und Funkzubehör. Die Waffen interessieren die nicht.“
„Was macht man denn allein mit dem Radar oder dem Funk?“
„Wenn wir das herausfinden können, sind wir schon einen großen Schritt weiter… Am besten wir sprechen zuerst mit denjenigen, die das Programm in- und auswendig kennen. Laut meinen Unterlagen sind dass die Commander Christopher Morgan und Alex Steele.“
„Gut, dann wissen wir also jetzt, wie wir beginnen. Sag mal, hast du noch Pläne für heute, Harm?“
„Noch nicht, aber gleich, oder?“
„Du hilfst mir unten mein Auto wieder in Form zu bringen und ich lad dich heute Abend auf ein Bier ein, in Ordnung?“
„Klingt gut. Also ran an die Arbeit!“ Harm war sofort aufgesprungen. „Ach, ehm… Sturgis?“
„Hm?“
„Ich bräuchte ein paar alte Klamotten von dir zum Basteln.“



Japanische Gärten, Balboa Park,
San Diego
19:56 Uhr Ortszeit



Mac schlenderte seit etwa einer Viertelstunde völlig unauffällig durch die Anlage. Man hatte sie angewiesen, darauf zu warten, angesprochen zu werden. Momentan befand sie sich auf einer rot gestrichenen, idyllischen, kleinen Holzbrücke, die über einen künstlich angelegten Wasserlauf führte. Sie lehnte sich gegen das Brückengeländer und beobachtete das bunte Farbenspiel der Fische im Wasser.

„Unter Wasser existieren unsere Probleme nicht, Sarah. Es scheint als würden sie vollkommen ohne Sorgen sein.“, wurde sie angesprochen. Mac wusste natürlich, wer hinter ihr stand.
„Onkel Matt.“, begrüßte sie ihn leise, aber ohne sich umzudrehen.
„Wenn du das mit dem Onkel weglässt, darfst du weiterhin Matt zu mir sagen. Mein neuer Name ist Matthew Langley.“
Eine zweite Aufforderung brauchte Mac nicht. Sie blickte ihren Onkel an und sprang ihm dann förmlich um den Hals. „Oh Matt…“
Er hielt sie für einen Moment im Arm und forderte sie dann auf, ein Stück mit ihm spazieren zu gehen. Ein Angebot, das sie gern annahm.
„Wie geht es dir, Matt Langley?“, erkundigte sich Mac, wobei sie den Namen Langley besonders betonte.
„Gar nicht mal so schlecht, Sarah. Hier lebt es sich allemal besser als in Leavenworth und nun bist du sogar hier. Ich nehme an Horly hat deinen Besuch in San Diego in die Wege geleitet?“
„Ted hat nur dieses Treffen arrangiert. Ich bin nicht nur zu Besuch in der Stadt, ich bleibe, Matt.“
„Wie meinst du das?“
„Morgen trete ich den Dienst im JAG – Büro hier an.“
„Wie bist du denn dazu gekommen?“ Matt war sichtlich irritiert.
„Ich habe die Versetzung beantragt, nachdem ich die ganze Geschichte über dich und deine Suche nach Bailey und Neeling erfahren hab. Ich wollte dabei sein.“
„Was ist mit deinem Leben in Washington?“
„Es ist vorbei, ganz einfach. Was wisst ihr denn über den momentanen Aufenthaltsort der beiden?“
Ihm fiel auf, dass Mac das Thema Washington mied. Gut, wenn sie darüber sprechen wollte, würde sie zu ihm kommen, also beließ er es für den Moment dabei.
„Ihre Spur verliert sich irgendwo in Tucson, Arizona…“

Keinem von beiden fiel der junge Mann mit der Kamera auf, der gerade an ihnen vorbeiging.


McMurphy` s Tavern,
Washington, D.C.
20:32 Uhr Ortszeit

„Danke für deine Hilfe heute, Buddy.“ Damit prostete Sturgis Harm zu.
„Für ein kühles Bier immer wieder gern.“ Harm grinste.
So saßen die beiden eine ganze Weile an der Bar, unterhielten sich über Gott und die Welt – nur nicht über Mac und die Arbeit.

Es war bereits kurz nach halb zehn, als Harm eine ihm gut bekannte Stimme seinen Namen rufen hörte. Jenny.

Jenny ging direkt auf die beiden zu. Sie kannte Sturgis zwar nur flüchtig, aber das machte ihr nichts aus. Sie war guter Dinge und sicher nicht abgeneigt, Sturgis näher kennenzulernen. Er schien ein netter Kerl zu sein.
„Hey“, begrüßte sie Harm etwas zurückhaltend. Sie hatten sich in letzter Zeit kaum gesehen und sie war sich nicht sicher, wie er zu ihr stand.
Er nahm ihr die Unsicherheit, indem er sie kurz in den Arm nahm und ihr einen Kuss auf die Wange gab.
„Lass mich dir jemanden vorstellen, Jenny.“ Er wand sich an Sturgis, der das Geschehen etwas ungläubig verfolgte.
„Sturgis, das ist Jenny Lewis, Jenny das ist Sturgis Turner.“
Sturgis reichte ihr die Hand.
„Sturgis reicht vollkommen.“
Jenny lächelte. „Schön, Sie kennenzulernen, Sturgis.“
„Setzen Sie sich doch,“ forderte er Jenny auf, die daraufhin auf dem Barhocker neben Harm Platz nahm.
Es folgte wieder eine lockere Unterhaltung, in der Harm und Jenny für Sturgis den Fall Hughes noch einmal Revue passieren ließen. Jenny erklärte auch, dass sie nicht zurück auf die Truman gehen würde, weil sie unter ihrem ehemaligen CO nicht mehr dienen wolle. Momentan arbeitete sie im „Innendienst“ in Washington. Sie war glücklich damit, denn so konnte sie in der Nähe vieler ihrer Freunde sein. Und in der Nähe von Harm.

Gegen elf verabschiedete sich Sturgis von den beiden. Sie hatten in der letzten halben Stunde sowieso nur noch Augen für sich. Jennys Beweggründe waren ihm im Laufe des Abends ziemlich klar geworden, aber an Harms Verstand begann er zu zweifeln.
„Also, viel Spaß euch zweien noch.“ Er reichte zuerst Jenny die Hand und dann Harm. „Ich hoffe, du weißt, was du tust…“, gab er Harm zu bedenken, ohne dass Jenny es hören konnte.
„Das weiß ich, Sturge, ich weiß es ganz genau.“
Damit wendete sich Harm wieder Jenny zu und bedachte sie mit dem besten Flyboy – Lächeln, dass er aufbringen konnte. Jenes Lächeln, das jede Frau schwach werden ließ…


Dulles International Airport
Washington D.C.
9:45 Uhr Ortszeit

„Morgen, Harm“, begrüßte Sturgis seinen Partner.
„Morgen“, war die etwas undeutliche Antwort.
„Was ist denn mit dir los? Du siehst nicht gerade aus als wärst du fit für unsere Ermittlung.“
Harm grinste. „Das Dröhnen der Tomcat – Motoren und der Geruch von Kerosin dazu… Das bringt mich auf Touren, Sturge, da mach dir mal keine Sorgen.“
Es interessierte Sturgis brennend, ob Harm Jenny gestern mit nach Hause genommen hatte. Aber der Flug war noch lang genug, er würde es schon herausfinden.


USS Seahawk
Arabisches Meer
19:47 Uhr Ortszeit

Harm und Sturgis hatten sich direkt nach ihrer Ankunft an Bord auf der Brücke gemeldet.
Captain Johnson hatte sie zunächst begrüßt, dann nachgefragt, ob sie denn heute noch mit den Befragungen beginnen wollten.
Ein Blick auf den Dienstplan informierte die JAG – Anwälte darüber, dass sowohl Steele als auch Morgan am nächsten Früh im Einsatz wären. Deshalb beschlossen Harm und Sturgis, noch heute mit ihnen zu sprechen und sich am kommenden Tag auf dem Flugdeck umzusehen.

Jetzt war Harm mit Morgan Steele allein. Die Befragung dauerte erst eine Viertelstunde, aber Harm wusste bereits, dass er hier wohl nicht viel erfahren würde.
„Commander Morgan, warum stiehlt jemand die Steuerteile für Radar und Funk der Vögel dort draußen? Was kann er damit anfangen? Wären die Waffen nicht viel interessanter?“
„Ich kann Ihnen nicht mehr sagen. Ich weiß nicht, wie derjenige überhaupt an die Sachen gekommen ist. Ich weiß nicht wer es war und wann es geschehen ist.“
„Das war auch nicht meine Frage.“
„Sie sind Pilot, Commander. Sie wissen wie ein Flugzeug funktioniert. Ich kann Ihre Frage nicht besser beantworten, als Sie selbst.“
„Was können Radar und Funk der Hornets was andere Flugzeuge nicht können?“
Harm erhielt keine Antwort.
„Sie behindern gerade eine offizielle JAG - Ermittlung, Commander. Allein das kann Ihnen eine Artikel 32 Anhörung einbringen. Aber Sie machen sich auch zum Verdächtigen in eben dieser Ermittlung, ist Ihnen das klar?“ So langsam riss ihm der Geduldsfaden.
„Es wird keine weitere Ermittlung geben“, unterbrach jemand abrupt die Befragung. Er war ohne zu Klopfen eingetreten. Harm hörte bereits an der Stimme, mit wem er es nun einmal mehr zu tun hatte.
„Webb.“
„Es tut mir Leid, dass ich Sie beide stören muss.“ An Commander Morgan gewandt fuhr er fort: „Sie sind entlassen, Commander.“
Erst jetzt sah Harm auf. Webb hatte Sturgis im Schlepptau. Dessen Befragung war also auch vorbei.
„Was ist es diesmal, Clay?“
„Commander Turner und Sie sind beinah schon offiziell von dem Fall abgezogen worden. Besser gesagt – es gibt keinen Fall mehr. Wir regeln das allein. Sprechen Sie mit dem Admiral, er wird in etwa 30 Minuten im JAG HQ zu erreichen sein. Er hat neue Marschbefehle für Sie. Sie verlassen den Carrier morgen Vormittag.“
„Tss, das darf einfach nicht wahr sein.“
„Gute Nacht, Gentleman.“
Damit verschwand Webb wieder.

„Wie lief es denn bevor Webb hier aufgetaucht ist?“, fragte Sturgis nach.
„Morgan macht dicht. Er gibt mir nicht das Geringste zum Arbeiten. Alles was er sagt, weiß ich bereits aus den Akten oder aus meiner aktiven Zeit.“
„Abgesehen von der aktiven Zeit erging es mir mit Commander Steele genauso. Irgendwas ist dran an den Hornets, irgendetwas verschweigt man uns.“
„Und hier kommt Webb ins Spiel.“
„Wie geht’s jetzt weiter?“
„Du sprichst mit dem Admiral, ich habe noch kurz etwas Anderes zu erledigen.“

Eine halbe Stunde später hatte Sturgis die Bestätigung vom Admiral: Morgen ging es zurück nach Hause. Wenn er Chegwidden Glauben schenken konnte, dann hatte dieser selbst keine Idee, warum es plötzlich keinen Fall auf der Seahawk mehr gab. Der Befehl kam von oben.


USS Seahawk
Arabisches Meer
8:16 Uhr Ortszeit

Harm hatte das Quartier bereits verlassen, als Sturgis aufwachte. Aber Harm wusste, dass der COD pünktlich halb neun abheben sollte. Sturgis vertraute also darauf, dass er seinen Partner spätestens dann wiedersehen würde. Doch da hatte er sich geirrt.
Das einzige bekannte Gesicht hier war das von Webb. Der wollte offenbar sicher gehen, dass die Anwälte die Seahawk auch wirklich verließen. Jetzt wurde er ungeduldig.
„Wo zum Teufel steckt Rabb?“, fuhr er Sturgis laut an.
Den überkamen inzwischen böse Vorahnungen… Es gab nicht allzu viele Möglichkeiten, wo Harmon Rabb jr. auf einem Flugzeugträger stecken könnte. Sturgis hütete sich jedoch seine Gedanken laut auszusprechen. Stattdessen beschloss er, der Sache auf den Grund zu gehen. Schließlich wusste er auch nicht, wo Harm sich befand. Er wandte sich an einen in der Nähe stehenden Petty Officer und bat diesen, den CAG herbeizuholen.
Webb verstand nur Bahnhof.
„Den CAG? Was soll der denn hier?“

Wenige Minuten später stand der CAG auch am COD.
„Was gibt es Commander?“
„Sir, wissen Sie, wo sich Commander Rabb befindet?“
Die Antwort war eindeutig.
„In einigen tausend Fuß Höhe."
Webb erbleichte augenblicklich. "Wie bitte?", brachte er heiser hervor.
Sturgis musste ein Grinsen unterdrücken. Er bedeutete dem CAG, dass er nun wieder seiner Arbeit nachgehen könne und bedankte sich bei ihm.

Harm hatte eine Möglichkeit gefunden, an Bord zu bleiben. Sturgis dagegen würde trotzdem fliegen müssen, Befehl war schließlich Befehl. In wenigen Minuten startete der COD.
Bevor sich Sturgis von Webb verabschieden und einsteigen konnte, klingelte sein Handy.

„Commander Turner.“
„Sturgis, hier ist Mac.“
Ihr Tonfall sagte ihm bereits jetzt, warum sie anrief.
„Ich kann Harm seit Stunden nicht erreichen, was ist da los bei euch? Wo steckt Harm?“


Irgendwo über dem Arabischen Meer,
Zur gleichen Zeit



An Bord der Seahawk hatte Harm seine Flugroute bekommen. Es schien nichts Auffälliges daran, und auch im Flugzeug selbst konnte er bis jetzt keinen auffälligen Unterschied zu den gewöhnlichen Hornets feststellen.
Nach einigen Minuten Flugzeit meldete sich jemand über Funk.
„Alles klar dort oben, Eagle One? Haben Sie das Baby auf dem Schirm?“
Harm war verwirrt, er konnte kein ‚Baby’ - welcher Art auch immer – auf dem Radarschirm ausmachen.
Da Harm mit einer Antwort zögerte, mischte sich nun sein RIO ein.
„Hat man Ihnen denn nicht gesagt, was Sie hier oben erwartet, Hammer?“
„Nein, aber ich wäre dankbar, wenn Sie das nachholen könnten, Lieutenant!“
„Also gut, Zeit für eine kleine Showeinlage. Schalten Sie das Zusatzradar ein, die Bedienung befindet sich direkt links des normalen Radars.“
„Zusatzradar?“
Harm schaltete es ein, er war gespannt, was passieren würde. Auf den Effekt brauchte er nicht lange zu warten: Jetzt hatte er das ‚Baby’ auf dem Schirm.
„Was ist das denn?“, entfuhr es ihm.
„Eine Rakete, Sir. Genauer gesagt ist es eine EE2, das Neueste was wir haben. Es gibt zwei Dinge an ihr, die sie so phänomenal machen. Erstens: Wir können Sie von hier oben sehr präzise steuern, über ein hochfrequentes Signal, das der Funk hier drin aber schafft. Zweitens: Niemand sieht sie, außer uns natürlich.“
Bereits jetzt fielen etliche Puzzle – Steine an ihren vorgesehenen Platz. Das war es also, was Radar und Funk in der neuen F18 so interessant machte. Harm hatte nun auch in etwa eine Vorstellung davon, wie die CIA hier involviert war... Trotzdem blieb die Frage, wer die Teile gestohlen hatte. Zurück an Bord würde er dringend mit Webb sprechen müssen.
„Danke für die Einweisung, Lieutenant. Wie lautet die Frequenz?“
„Ich hab sie schon eingestellt. Sie können loslegen, Hammer!“
„Wo genau soll ich denn mit dem ‚Baby’ hin?“
„Wir üben nur ein bisschen, am besten wir beginnen wie folgt...“



USS Seahawk,
Arabisches Meer
10:35 Uhr Ortszeit



Vor etwas mehr als einer Viertelstunde war Harm wieder gelandet. Nun stand er in seinem Quartier, war dabei sich umzuziehen. Er unterbrach sein Tun, als es an der Tür klopfte.
Wirklich überrascht war er nicht, Clayton Webb vorzufinden, nachdem er die Tür geöffnet hatte.

„Ich muss mit Ihnen sprechen, Rabb.“
Harm hielt die Tür geöffnet, so dass Webb in die Kabine eintreten konnte, und schloss sie anschließend wieder.
„Was zum Teufel haben sie dort oben gemacht, Rabb?“
Harm wusste genau, worüber der CIA – Agent sprach, beschloss aber, ihn noch etwas zappeln zu lassen.
„Ich bin geflogen, wonach sah es denn sonst aus?“
„Ich kann Ihnen genau sagen, wie es aussah: Sie sollten seit etwa anderthalb Stunden von Bord sein. So lautete sogar der offizielle Befehl!“
„Hab ihn ändern lassen.“
„Wie bitte?“
„Abgesehen davon, dass es keinen Grund für mich gibt, mich vor Ihnen zu rechtfertigen – ich habe gestern Abend noch mit dem CAG gesprochen, mich in die Flugpläne eintragen lassen und anschließend habe ich den Admiral angerufen und ihn über alles in Kenntnis gesetzt.“

Harm hatte noch eine andere Bitte an Admiral Chegwidden gehabt, aber davon brauchte Webb ja nichts zu erfahren...



~FLASHBACK~



Die Angelegenheit mit den Flugplänen war bereits geklärt, als Harm ansetzte: „Ich möchte Sie nicht lange aufhalten, Sir…“
„Dann raus mit der Sprache“, forderte Chegwidden ihn in seiner gewohnt brummigen Art auf.
„Ich hätte nächsten Freitag gern Urlaub, meine Mutter feiert an diesem Wochenende ihren Geburtstag in La Jolla.“
„Und Sie möchten sie besuchen?“
„Ja, Sir.“
„Genehmigt.“

Harm wollte bereits auflegen, als ihn der Admiral noch einmal ansprach.

„Ach, Commander?“
„Ja, Sir?“
„Grüßen Sie den Colonel von mir.“

~ENDE FLASHBACK~


Liebe Grüsse Petra

Kalorien sind kleine Tierchen, die nachts die Kleidung enger nähen.

 
Petra-Andreas
Chefchen/Administrator
Beiträge: 9.115
Registriert am: 16.04.2007


RE: Endstation Einsamkeit von angel

#6 von Petra-Andreas , 07.05.2007 20:38

Allein der Gedanke an Mac zauberte ein Lächeln in sein Gesicht. Es verschwand jedoch sofort wieder, als Clay ihn erneut anfuhr.
„Was immer Sie glauben, dort oben gesehen und getan zu haben, halten Sie sich aus der Sache raus, Rabb. Sie haben ja keine Ahnung, welche Tragweite die Angelegenheit hat. Ist das klar?“
„Erklären Sie es mir.“
„Sie wissen, dass ich das nicht kann.“
„Oh, Sie können sehr wohl, Webb.“
Clayton Webb stöhnte nur. Warum war Rabb nur so verdammt stur?

Die beiden Männer wurden unterbrochen, als Harms Telefon klingelte.

„Rabb.“, meldete er sich.
„Harm, endlich kann ich dich erreichen!“
Es war Mac.
„Bleib eine Sekunde dran, Mac.“

Harm wandte sich wieder an Clay.
„Webb?“
Er deutete mit der Hand auf die Tür.
Webb hatte verstanden. Wahrscheinlich würde er diesen Flieger so oder so nicht umstimmen können, er musste eben anders versuchen, Rabb aus der Sache herauszuhalten.
Sekunden später war er aus der Kabine verschwunden.

„Hey Mac.“
„Wie geht’s dir, Harm.“
„Oh, mir geht’s blendend. Ich bin heute Morgen...“
„...schon mit einer F18 über das Arabische Meer gedüst, obwohl du schon längst auf dem Weg zurück nach Washington sein solltest.“
Zu sagen, Harm war überrascht, wäre untertrieben gewesen.
„Woher weißt du das?“
„Ich halte mich auf dem Laufenden, Harm.“
Er konnte sie förmlich lachen sehen.
„Ich konnte dich den ganzen Abend nicht erreichen, den ganzen Morgen für dich, und deshalb habe ich schließlich Sturgis angerufen.“
„Oh Mac...“
„Was macht Webb auf der Seahawk?“
„Webb?“
„Harm, ich weiß, dass er dort ist. Sturgis hat es mir gesagt und du hast auch gerade noch mit ihm gesprochen.“
Er gab sich geschlagen. Und eine zweite Meinung zu der gesamten Angelegenheit zu hören, war wohl auch nicht das Schlechteste. Also erzählte Harm seinem Marine, was er an Bord der Hornet erfahren hatte.
„Und du glaubst nun, dass diese Wunderrakete von der CIA entwickelt wurde?“
„Ich habe ja noch keine Gelegenheit gehabt, mit den anderen Piloten zu sprechen. Aber falls ich etwas neues erfahre, bist du die Erste, die davon erfährt, in Ordnung, Marine?“
„Was hältst du denn davon, wenn ich in der Zwischenzeit ein paar Nachforschungen zur EE2 anstelle?“
„Das würde mir sehr helfen, Mac. Aber ich kann dich nicht darum bitten.“
„Ich mache es gern. Und ich behalte das Ganze natürlich erstmal für mich.“
„Du bist ein Engel.“
Für einige Sekunden trat Stille ein, bis Mac leise seufzte: „Mir fehlen die Flügel, Harm.“


Macs Wohnung,
Palm Bay Circuit, San Diego
Dienstag, 22:55 Uhr Ortszeit



Gedankenverloren stand Mac in der Stube ihres neuen Wohnzimmers. Sie hatte bereits aufgelegt, als sie ihren letzten Satz noch einmal vor sich hin flüsterte: „Mir fehlen die Flügel.“ Erinnerungen an Harm tauchten vor ihrem geistigen Auge auf. Die Watertown, Russland, ihre Verlobung mit Mic Brumby. Sie vermisste ihren Partner so sehr, dass es wehtat.
Ein Klappern an der Wohnungstür holte Mac in die Realität zurück.
Es klingelte jedoch nicht, und als Mac Sekunden später die Tür öffnete und auf den Flur hinaussah, konnte sie auch niemanden entdecken. Nur ein Briefumschlag lag vor ihr auf dem Fußboden.
Sie hob ihn auf und nahm ihn mit in die Wohnung.
Nichts Böses ahnend öffnete sie den Umschlag, aber als ihr der Inhalt in die Hände fiel, stockte ihr der Atem: Ein Foto. Aufgenommen im Balboa Park. Vorgestern Abend. Es zeigte sie und Onkel Matt.
Mac drehte das Bild herum.
Auf der Rückseite war nur ein Satz geschrieben: ‘Mein Beileid zum Verlust Ihres Onkels, Colonel MacKenzie.’
*Bailey und Neeling wissen Bescheid!*, war alles was sie denken konnte. Sie musste Ted anrufen, jetzt gleich, egal wie spät es war!



Geheimversteck des FBI,
In der Nähe von San Diego
Mittwoch, 1:53 Uhr Ortszeit



Ted Horly hatte zuallererst versucht seine Leute zu erreichen, schließlich waren vier Mann eingeteilt, auf O` Hara aufzupassen. Aber niemand antwortete. Die Sache stank zum Himmel. Also war er losgefahren, hatte Mac zuhause abgeholt und raste jetzt quer durch San Diego und noch ein Stückchen weiter.
Matt war in einem kleinen Erholungsgebiet untergebracht. Dort oben waren fünf Blockhütten um einen See gebaut, die alle als Ferienwohnungen reicher Bewohner San Diegos dienten. Bis auf jene eben, die das FBI momentan nutzte.
Es war ruhig und abgelegen. Optimal also für diesen Zweck. Und um diese Uhrzeit sollte es dunkel sein... Aber das ganze Gebiet schien hell erleuchtet.
Als Mac und Horly in Sichtweite des Gebäudes waren, erkannten sie auch den Grund: Es brannte lichterloh. Überall wimmelte es von Feuerwehrleuten. Der Rauch, der Gestank...

Sie stiegen aus dem Auto und begaben sich auf die Suche nach der Einsatzleitung. Vielleicht würden sie dort schon einige Informationen bekommen können, notfalls mussten sie warten. Warten… in der Zeit konnten die Täter über alle Berge sein.

Horly erblickte den Einsatzleiter unweit von ihnen, ging auf ihn zu und rief auch Mac heran.

„Guten Abend, mein Name ist Horly, ich komme vom FBI“, stellte sich Ted vor und zeigte dem Feuerwehrmann seinen Dienstausweis.
„Wir möchten die Löscharbeiten nicht behindern, aber können sie uns schon irgendetwas sagen? Gibt es Tote, Verletzte? Wissen Sie, warum das Feuer ausgebrochen ist?“
„Scheint so als hätten wir da ein ganz heißes Feuer heute, hm? Wir haben drei Verletzte gerettet und zwei Tote geborgen. Die Leichen finden sie dort drüben“, er zeigte mit der Hand in die entsprechende Richtung, „die Verletzten sind auf dem Weg ins nächste Krankenhaus. Ich denke es ist das St. Joseph Hospital. Zur Brandursache kann ich Ihnen noch nichts sagen. Was ich Ihnen allerdings mitteilen kann, ist, dass die beiden Toten Schussverletzungen hatten. Ob sie daran nun gestorben sind oder an der Rauchvergiftung, weiß ich nicht. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich hab noch zwei Trupps dort drin.“ Damit wendete er sich wieder seinen Kameraden zu.

Mac und Horly schauten sich einen Moment nur entsetzt an, um dann zum Leichenwagen zu eilen.
Ted musste sich erneut ausweisen, um einen Blick auf die Toten werfen zu können.
Mac hielt sich zurück. Nicht weil sie sich nicht als FBI – Agentin ausweisen konnte, sondern weil die Möglichkeit bestand, dass einer der Toten nun tatsächlich ihr Onkel war.
Wenn sie seinen Leichnam sehen müsste, wäre sein Tod plötzlich so real… Nein, sie klammerte sich an die Hoffnung, dass sich Matt auf dem Weg ins St. Josephs befand.



Geheimversteck des FBI,
In der Nähe von San Diego
Mittwoch, 3:05 Uhr Ortszeit



Colonel MacKenzie musste eine ganze Weile auf Ted warten. Erst zwanzig Minuten nachdem er sie allein gelassen hatte, war er zurück.
Mac konnte Entsetzen und Trauer in seinem Gesicht erkennen. *Aber er kennt ja auch die Leibwächter, Mac! Vielleicht trauert er um sie!*
Ted seufzte kurz, ehe er Mac von ihren Ängsten erlöste: „Mike und Aaron sind tot. Ich kannte sie seid über fünf Jahren“, noch ein Seufzen, „geben Sie mir zwei Minuten und dann machen wir uns auf den Weg ins Krankenhaus.“
„Natürlich. Mein Beileid zum Tod Ihrer Freunde. Ich werde am Auto auf Sie warten.“
Damit trennten sie sich für den Moment, Ted ging zum See hinunter um die gerade erhaltene Botschaft zu verdauen und Mac ging zurück zum Wagen. Auch wenn Ted ihr Leid tat, so war sie doch heilfroh, dass Matt lebte. Ganz beruhigt war sie dennoch nicht, denn wie es um ihn stand, würde sie erst im Krankenhaus erfahren.

Wenige Minuten später folgte er ihr und sie fuhren gemeinsam Richtung St. Joseph Hospital.
Horly kannte den Weg.


St. Joseph Hospital,
San Diego
Mittwoch, 4:20 Uhr Ortszeit



Ted hatte bereits während der Fahrt im Krankenhaus angerufen und darum gebeten, alle eingelieferten Verletzten unter Wachschutz zu stellen. Unter keinen Umständen wollte er das Risiko eingehen, dass ihnen hier doch noch etwas Schlimmeres zustieß. Weil er keine weiteren Angaben via Telefon machen wollte, wies er das diensthabende Personal nur an, niemanden zu ihnen zu lassen, bevor er persönlich vor Ort war.

Nun stand er hier, in einem Krankenhausflur, der um diese Uhrzeit wie ausgestorben schien, mit Mac an seiner Seite. Noch einmal tief durchatmen.
Die Schwester führte sie zum entsprechenden Zimmer.
„Wir haben sie alle auf einem Zimmer unterbringen können. Das macht die Organisation des Wachschutzes leichter. Sie können jetzt zu ihnen gehen, alle sind nur leicht verletzt.
Das ließ sie beinah aufatmen, beinah…

Als Mac das Zimmer betrat, stockte ihr der Atem sofort wieder: Schon auf den ersten Blick konnte sie erkennen, dass ihr Onkel entgegen aller Erwartungen nicht hier war! Wo konnte er denn sonst sein? Die Feuerwehr hatte ihre Arbeiten doch schon fast abgeschlossen, da war sicher niemand mehr im Haus!
*Denk nach, Mac, denk nach*, mahnte sie sich selbst. Ted hatte von vier Leibwächtern gesprochen, Onkel Matt dazu – fünf Personen. Es waren doch fünf!
All das schoss ihr innerhalb weniger Sekunden durch den Kopf, aber einen Reim darauf machen konnte sie sich dennoch nicht.

„Ted, wer sind diese Männer?“
„Diese zwei“, er deutete auf die beiden rechts von ihnen, „sind meine Jungs. Den hier aber“, Ted wies mit der Hand nach links, „kenne ich nicht. Wo ist Langley nur abgeblieben?“
So weit, so gut. Horly wusste also auch nicht mehr.
„Wecken wir ihre Leute und fragen“, schlug Mac vor.

Ihre Antworten klärten die Fragen jedoch nur teilweise auf. Sie gaben an, sich im Haus befunden zu haben, als plötzlich dichter schwarzer Rauch von allen Seiten ins Zimmer drang. Zu diesem Zeitpunkt sei Matt noch bei ihnen gewesen. Gemeinsam hätten sie versucht einen Fluchtweg zu finden, hatten jedoch im dichten Rauch bald das Bewusstsein verloren.
Sie erzählten außerdem, dass sich Mike und Aaron auf der Veranda aufgehalten hatten. Ein älterer Herr, ein Nachbar auf Zeit, wenn man es so nennen wollte, hatte sie wohl angesprochen, um irgendetwas zu borgen. Schüsse hatten sie nicht gehört.

„Danke, Jungs. Nun ruht euch aus, hier seid ihr hoffentlich sicher. Wir haben euch einen Wachposten vor die Tür stellen lassen. Wir sprechen noch kurz mit eurem ‘Nachbarn’, dann seid ihr uns wieder los“, verabschiedete sich Ted schon mal von seinen Kollegen.



St. Joseph Hospital,
San Diego
Mittwoch, 4:45 Uhr Ortszeit



Sie hatten das Zimmer verlassen.
„Na toll, er hat die Schüsse gehört, aber natürlich niemanden gesehen! Wahrscheinlich hat er fünf Minuten gebraucht, um sich auch nur umzudrehen!“, fuhr Mac Horly an.
„Colonel, beruhigen Sie sich! Er ist ein alter Mann, der tragischerweise in diesen Unfall verwickelt wurde. Er kann nichts dafür, dass er statt Ihres Onkels hier im Krankenhaus liegt! Wir können froh sein, dass er hier ist.“
„Wie bitte?“, Mac konnte nicht glauben, was sie da gerade hörte. Aber sie war auch zu fertig, um darüber nachzudenken. „Und dass Matt nicht hier ist, interessiert Sie natürlich überhaupt nicht, habe ich Recht?“
„Nein Sie haben verdammt noch mal nicht Recht! Ich wollte nur sagen, dass wir uns glücklich schätzen können, dass dieser alte Herr dort drinnen nicht gestorben ist! Wir finden Ihren Onkel.“ Er legte Mac zur Beruhigung die Hand auf die Schulter.
Ein Fehler, wie er zwei Sekunden später herausfand. Dann nämlich befand sich sein gesamter Arm in einer sehr schmerzhaften Position auf seinem Rücken.
„Wagen Sie es ja nicht, mich noch einmal so anzufassen“, zischte sie ihn bedrohlich an.
Dann ließ sie von ihm ab. Sank kraftlos zusammen in einem der hier aufgestellten Stühle, vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Sie sagte kein Wort, blieb einfach nur still sitzen.

Horly setzte sich neben Mac, hütete sich aber davor, sie wieder trösten zu wollen. Er wartete einfach ab, was passieren würde.

Fünf Minuten später stand Mac wieder auf, schüttelte mit dem Kopf und sah Horly an.
„Ich entschuldige mich für mein Benehmen eben. Normalerweise brennen bei mir nicht so schnell die Sicherungen durch.“
„Entschuldigung angenommen, wenn Sie mir versprechen, meinen Arm nie wieder in diese missliche Lage zu bringen“, er versuchte es mit einem Lächeln.
Und er hatte Erfolg.
„In Ordnung“, gab Mac zurück.
„Und nun lassen Sie uns noch einmal zu Brandstelle fahren, vielleicht hat man dort tatsächlich noch was für uns.“

Morgens gegen sieben war Mac zuhause. Ohne weitere Hinweise auf den Verbleib von Onkel Matt. Ted hatte ihr versichert, sie sofort zu informieren, falls es Neuigkeiten gäbe.



USS Seahawk,
Arabisches Meer
Mittwoch, 19:29 Uhr Ortszeit



Harm war gerade auf dem Weg aus der Kantine zurück in sein Quartier, als ihn Mac erneut anrief. Endlich würde er etwas über die EE2 erfahren, so hoffte er jedenfalls, und dann könnte er heute Abend noch mit den anderen Piloten sprechen.

„Guten Morgen, Marine“, begrüßte er sie.
„Hallo Harm“, erwiderte seine Partnerin wenig enthusiastisch.
Es entging ihm nicht. „Alles okay bei dir?“
„Ja. Ja, natürlich. Ich rufe wegen der Informationen an, die du zu dieser tollen Rakete haben wolltest“, versuchte sie nun etwas ‘normaler’ zu sprechen.
„Ja?“
„Um es gleich vorweg zu nehmen, da ist auf legalem Wege nicht viel zu holen. Alles, was ich dir jetzt sage, verdanken wir einem kleinen Computergenie im guten, alten Washington...“
„Bud! Wenn wir den Jungen nicht hätten...“
„Ich habe ihm natürlich nicht sagen können, warum er die Infos raussuchen sollte. Nun ja, die EE2 ist tatsächlich ein CIA – Projekt, ein ganz aktuelles sogar, die Erprobung unter realen Bedingungen erfolgt erst seit drei Wochen und das auch nur auf der Seahawk. Was sie alles kann, weißt du ja bereits. Aber da ist noch ein sehr interessanter Aspekt an der ganzen Sache: Obwohl man sich größte Mühe gibt, die Entwicklung dieser Rakete geheim zu halten, wissen einige Terrorzellen im arabischen Raum wohl schon Bescheid über ihre Existenz.“
„Was ihnen aber nichts nützt, solange sie die Technik nicht kennen. Bei einem Angriff könnten sie die Rakete nur orten, wenn sie wissen, wie alles funktioniert.“
„Richtig. Und wenn bei euch weiterhin so viele Teile gestohlen werden, wissen sie das schon sehr bald.“
„Danke, Mac. Das wirft ein vollkommen neues Licht auf die Sache.“
„Gern geschehen“, antwortete ihm Mac und konnte ein Gähnen dabei nicht länger unterdrücken.
„Sooo müde, Ninja – Girl? Was machst du denn nachts?“, fragte Harm in einem lockererem Ton nach. Dass das wieder eine Sache war, von der Mac ihm nichts erzählen konnte, wusste er ja nicht.


„Harm, ich kann nicht darüber...“, sie brach ab und stöhnte nur leise. Sie hatte definitiv die Nase voll davon, ihren Partner entweder anzulügen oder gar nicht mit ihm über ihr Leben zu reden. „Hast du noch ein paar Minuten Zeit, Harm?“
„Für dich immer, Mac“, seine Stimme hatte nun einen sehr sanften Ton angeschlagen.
„Ich möchte, dass du mich ausreden lässt, mich nicht unterbrichst in dem, was ich dir gleich erzählen werde, okay?“
„In Ordnung.“
„Ich kann dir leider nach wie vor nicht sagen, warum ich nach San Diego gegangen bin. Ich möchte aber, dass du verstehst, dass ich dir nach wie vor vertraue, mit meinem Leben, wenn es sein muss. Ich möchte dir so gern alles erklären, und eines Tages werde ich das auch tun. Nur wann das möglich ist, weiß ich leider auch noch nicht. Hier läuft alles drunter und drüber, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, die Dinge wieder in die richtige Bahn zu lenken.“ Und leise fügte sie hinzu: „Du fehlst mir. Jeden Tag, jede Nacht. Mit meinem Partner ginge alles so viel einfacher…“
Harm antwortete nicht sofort. Er musste sich selbst erst wieder sammeln, hatte er doch in den letzten Tagen versucht, dieses Thema zu verdrängen. In Mac nur eine Kollegin zu sehen, eine von vielen, von denen er nach einiger Zeit getrennt wurde. So funktionierte sein Job.
Und jetzt auf einmal kamen all seine Gefühle wieder zurück an die Oberfläche.
„Harm?“
„Es tut so weh, Mac. Wir sind erst seit ein paar Tagen getrennt, aber die Vorstellung, dass ich dich vielleicht monatelang nicht sehen kann...“ Er unterdrückte die Tränen.
Nein, das konnte sie nicht mit anhören. Ihr erging es selbst nicht anders, aber im Gegensatz zu ihr trug Harm keine Schuld an der momentanen Situation. Also tat sie das erste und einzige, das ihr in den Sinn kam, um Harm seine Ängste zu nehmen:
„Ich verspreche dir, dass das nicht passieren wird, Flyboy. Und wir halten unsere Versprechen, erinnerst du dich?“
„Oh Mac, das musst du nicht versprechen, ich komm schon klar, es dauert wohl nur etwas länger, als ich gedacht hatte, um mich an die neuen Verhältnisse zu gewöhnen“, versuchte er gleichzeitig sich selbst und seinen Marine zu überzeugen. „Ich mach dir einen Vorschlag, Marine.“
„Und der wäre?“
„Warten wir ab, was das Schicksal für uns bereithält. Erinnerst du dich noch, was ich am Freitag im McMurphy` s zum Abschied zu dir gesagt habe?“
„Niemand trennt Butch Cassidy und Sundance Kid auf Dauer.“
Es zauberte ein Lächeln in sein Gesicht, dass sich Mac noch so genau daran erinnern konnte.
„Richtig. Wir sehen uns auf jeden Fall am nächsten Wochenende und was danach wird, entscheiden wir dann. Und bis dahin werden keine Tränen mehr vergossen, in Ordnung?“
„Woher...?“ Zwei Tränen bahnten sich gerade den Weg über ihre Wangen.
„Ich kenne dich eben.“
„Danke, Harm.“
„Wofür?“
„Dafür dass du, nach allem, was ich dir angetan habe, immer noch mein Freund bist.“
„Oh, ich denke, du hast mit mir auch schon so einiges durch, Mac, erinnerst du dich noch daran, als ich...“
Beide schwelgten noch eine Weile in schönen Erinnerungen, bis sie das Telefonat beendeten. Mac wollte nur noch ins Bett, wenigstens ein paar Stunden schlafen, während Harm sich auf die Suche nach den Hornet – Piloten begab.

Heute Nachmittag hatte er sich beim Personal des Flugdecks ein wenig umgehört, Nachforschungen angestellt, ob vielleicht jemandem etwas aufgefallen war. Da der Fall aber offiziell abgeschlossen war, waren ihm die Hände gebunden. Er konnte niemanden zwingen, mit ihm zu reden und die Crew war wenig kooperativ. Das konnte er sogar verstehen, angesichts der Tatsache, dass er nunmehr nur als neuer Pilot an Bord war.

Am späten Abend hatte Harm zwar etliche Gespräche hinter sich gebracht, war aber immer noch nicht schlauer. Er fand einfach keinen Zusammenhang zwischen den Diebstählen und den Seeleuten.
Er beschloss deshalb Bud anzurufen, ihn um die Akten aller eventuell Beteiligten zu bitten und zu sehen, ob er dort etwas finden konnte.



USS Seahawk,
Arabisches Meer
Donnerstag, 8:30 Uhr Ortszeit



Argwöhnisch betrachtete Harm den Papierstapel vor ihm auf dem Schreibtisch. Das waren sie, die Akten aller Seeleute, die auf diesem Schiff dienten und Zugang zu den Flugzeugen hatten. ‘Also gut, Hammer, jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt,’ sprach er zu sich selbst und nahm das erste Blatt zur Hand.

Kurz vor Mittag hatte Harm alle Akten durchgesehen. Er hatte keine Auffälligkeiten gefunden, nur ein winziges Detail am Werdegang eines Lieutenants stört ihn…



USS Seahawk,
Arabisches Meer
Donnerstag, 11:22 Uhr Ortszeit



>klatsch<

Die Akte eben jenes Lieutenants landete direkt vor Clayton Webb auf dem Tisch.
Harm machte sich keine Mühe, Webb irgendetwas zu erklären, er forderte nur: „Ich höre.“
„Was wollen Sie, Rabb?“
„Soll ich erst offizielle Stellen bemühen, Nachforschungen anzustellen?“
„Ich hatte Ihnen gesagt, Sie sollten sich dort raushalten! Aber nein, unser Vorzeige – Commander kann ja nicht hören!“
‘Was zu viel ist, ist zu viel…’ Damit hatte Harm Clay am Kragen gepackt und zog ihn recht unsanft von seinem Stuhl hoch.
„Also gut, Webb, ich sage Ihnen mal was: Sie sitzen auch nicht im Flugzeug, wenn plötzlich diese tolle Rakete an Ihrem Heck klebt, weil der Feind auf einmal die vollständige Funkfernsteuerung zu ihr in der Hand hält! Ich schon! Wie viel wissen die?“
Webb versuchte erfolglos, Harms Hände von seinem Hals zu bewegen und gab schließlich auf.
„Alles. Sie haben die Technik. Wir haben aber dafür gesorgt, dass sie die EE2 lediglich sehen, nicht aber steuern können. Einige Änderungen in der Software reichten dazu aus. Sie mögen es probieren, wir warten darauf, dass sie genau dies tun! Dazu müssen sie hochfrequenten Funk nutzen… Und dann können wir deren Standort haargenau feststellen und unsere Jungs am Boden auf die Jagd schicken. Ganz einfach.“
„Hatten Sie schon mal einen ‘ganz einfachen’ Auftrag, der ohne Probleme abgelaufen ist?“
„Entgegen Ihrer Erwartung: ja.“
„Dann erklären Sie mir mal bitte, warum bis jetzt nichts dergleichen passiert ist. Warum haben die noch nicht versucht, die EE2 zu übernehmen?“
„Ganz einfach“, Webb grinste – bis Harm den Kragen wieder etwas fester zudrückte -, „wir haben denen erst heute Morgen das letzte Puzzlestück geliefert.“

Auch in Harms Kopf fielen die Puzzleteile nach und nach an ihren Platz.
Im Moment fehlte ihm noch eines:
„Und was ist mit diesem jungen Mann hier?“, er zeigte auf die mitgebrachte Akte. „Und jetzt kommen Sie mir nicht, es wäre Zufall, dass er erst drei Tage, bevor die Testflüge begannen, an Bord kam.“
„Halten Sie JAG aus der Sache raus, wenn ich kooperiere?“
„Vielleicht.“
Webb setzte zum Widerspruch an, ehe Harm mit Nachdruck hinzufügte: „Das ist das beste Angebot, was Sie kriegen.“
Rabb bekam seine Antwort.
„Er gehört zu uns. Ist nur ein ganz kleiner Fisch, soll hier an Bord sehen, wie die Stimmung unter den Piloten ist. Erstattet Bericht, über die Dinge, die er in der Luft so mitbekommt. Ab und an hat er mir geholfen, die besagten Teile verschwinden zu lassen. Und nun kommen Sie nicht auf die Idee den Jungen anzuklagen – der Auftrag ist von oberster Stelle abgesegnet.“

Für den Moment war Harm zufrieden.
„Wir reden noch miteinander,“ rief er Clay zu, bevor er dessen Kabine verließ.
Und sich auf den Weg in seine eigene begab, um den Fliegeroverall anzuziehen.
Auf dem Flugdeck wartete eine F18 auf ihn.


Luftraum über Kalifornien
Donnerstag, 0:10 Uhr Ortszeit



Das erste, was er hörte, war ein leises, beständiges Dröhnen. Dann Stimmen, die klangen, als wären sie weit entfernt. Türenklappen. Dann war es wieder still.
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Matt wieder soweit bei Bewusstsein war, dass er die Kraft aufbringen konnte, seine Augen zu öffnen.

Schließlich war es soweit. Zunächst konnte er nur unscharfe Bilder ausmachen, aber innerhalb von Sekunden wurde seine Sicht klarer.
Matt brauchte nicht lange, um herauszufinden, wo er sich befand. Für den Moment wenigstens: In einem Flugzeug. Es war Nacht. Sie flogen augenscheinlich über Land, denn am Boden konnte er die Lichter einer Stadt ausmachen. Wohin die Reise ging – daran konnte er sich beim besten Willen nicht erinnern.
Er versuchte aufzustehen, sackte aber sofort wieder in sich zusammen. Der entstandene Lärm zog die Aufmerksamkeit der beiden übrigen Passagiere auf ihn.
Sie gingen auf ihn zu.

Man half ihm zurück in den Sitz und bot ihm ein Glas Wasser an. „Keine Drogen mehr, mein Ehrenwort.“, fügte einer der Männer hinzu.
Zu diesem Zeitpunkt sah Matt das erste Mal auf, blickte den Männern ins Gesicht.
Bailey und Neeling. In seinem Kopf begann es zu arbeiten und nach kurzer Zeit konnte sich der ehemalige Marine Colonel wieder an die Geschehnisse der letzten Nacht erinnern. Der letzten Nacht… Wie spät war es eigentlich? Es hätte doch schon längst dämmern müssen! Matt schaute auf seine Armbanduhr. Kurz vor eins. Kurz vor ein Uhr nachts! *Matt, die fehlen fast 24 Stunden!*
Nun trank er das Wasser doch.

„Lange nicht gesehen, Tom, Rick.“, sprach er die beiden an.
„Fünfeinhalb Jahre, Colonel O` Hara“, Thomas Bailey betonte seinen Nachnamen besonders, „fünfeinhalb Jahre. Eine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass du noch Schulden abzugleichen hast.“
Matt lachte in sich hinein. „Ich hab Schulden bei euch? Nicht, dass ich wüsste. Klärt mich auf. Ach ja, wenn ihr einmal dabei seid, könnt ihr mir gleich noch erzählen, was in den letzten 24 Stunden passiert ist.“
Jetzt schaltete sich Neeling ins Gespräch ein. Er war ziemlich wütend darüber, dass Matt die Situation scheinbar amüsant fand. „Wir dachten da so an eine Viertelmilliarde Dollar für jeden von uns, na, fällt dir dazu was ein?“
„Ihr habt nie verstanden, worum es wirklich ging.“
„Ums Geld, Colonel, ums Geld. Es ging nie um etwas anderes.“
Matt konnte nur mit dem Kopf schütteln.
Tom erklärte weiter: „Nachdem wir dich aus deinem netten kleinen Versteck geholt haben – leider mussten dafür zwei deiner Wachhunde ihr Leben lassen – haben wir dich betäubt, schließlich hatten wir noch einiges vorzubereiten, bevor wir uns auf den Weg nach D.C. machen konnten…“
An dieser Stelle unterbrach O` Hara. „Ihr habt zwei der Jungs erschossen? Wen?“ Blinde Wut machte sich in ihm breit und er sprang vom Sitz auf.
„Was weiß ich, Matt, und es spielt auch keine Rolle mehr. Setz dich wieder.“
Matt ließ sich wieder in den Sitz zurücksinken. Trauer mischte sich mit seinem Zorn.
Rick fuhr fort. „Was zählt, ist, dass du jetzt mit uns im Flieger sitzt. Und uns endlich zu unserem wohlverdienten Vermögen verhelfen wirst.“
„Zwei Fragen, Rick. Erstens, warum sollte ich das tun? Zweitens, gesetzt den Fall ich würde es tun, wie um Himmels Willen soll ich eine halbe Milliarde Dollar auftreiben?“
„Wir haben gehört, du hast eine süße Nichte dort unten in San Diego…“
„Haltet Sarah bloß da raus!“, fuhr Matt Richard an. „Lasst sie ja aus dem Spiel!“
Zur Antwort erhielt er nur höhnisches Lachen.
„Wenn ich mich recht erinnere, Onkelchen, hast du sie mit in dein neues Leben gebracht, oder?“
*Ja, O` Hara, das hast du.* Spätestens jetzt bereute er es. Vielleicht wäre sie sicherer gewesen, wenn sie von alledem nie etwas erfahren hätte.
„Was habt ihr mit ihr angestellt?“, fragte er nach, versuchte, die Sorge aus seiner Stimme zu halten.
„Oh, noch gar nichts. Ich denke, momentan liegt sie in ihrem Bett und schläft“, erklärte Neeling weiter. „Oder Tom, was sagt die Kamera?“
„Was soll das Ganze?“, schrie Matt die beiden an.
„Okay“, sagte Bailey, „wir werden es für dich noch einmal zusammenfassen. Sarah schläft ganz ruhig. Die Kamera in ihrem Schlafzimmer ist eine von vielen, die den ganzen Tag jede ihrer Bewegungen überwacht. Wir sind ständig an ihr dran. Wir haben es aber vorgezogen, nicht ganz so viel Staub aufzuwirbeln und sie nicht persönlich auf unseren kleinen Ausflug mitzunehmen. Aber glaub uns, ein Fingerzeig unsererseits und deine Kleine ist dran, comprende?“ Seinem Blick nach meinte er das Ganze ernst. Todernst.
„Und ihr glaubt, ihr könntet einen Marine Colonel so leicht hinters Licht führen?“
„Immerhin bist du doch auch hier, Marine Colonel O` Hara. Langley. Wir haben dich gefunden und du solltest deiner Sarah zu Liebe kooperieren.“
Matts Widerstand war fürs Erste gebrochen. „Und wie stellt ihr euch das vor, das mit den 500 Millionen Dollar meine ich?“
Rick grinste. „Oh, das ist ganz einfach. Du wirst sie noch einmal stehlen und dann wird sie verkauft.“
„Sie?“, fragte O` Hara nach, auch wenn er in seinem Inneren bereits wusste, wer ‘sie’ war.
„Die Unabhängigkeitserklärung.“



Luftraum über dem Arabischen Meer,
300 Seemeilen vor der Küste des Irans
Donnerstag, 15:13 Uhr Ortszeit



*Die heiße Phase möge beginnen, Hammer,* sprach Harm zu sich selbst. Sein Wingman war eben jener Lieutenant, den Webb vorhin noch als ‘kleinen Fisch’ bezeichnet hatte. Nun, wenn er schon Webbs Respekt nicht haben konnte, seinen hatte er: Den Vogel konnte er fliegen, als hätte er sein gesamtes Leben nichts anderes getan. Vielleicht hatte er das ja, man wusste das schließlich nie so genau bei einem CIA – Agenten…

„Das Baby ist klar, Kite?“, fragte er seinen RIO.
„Es kann losgehen, Hammer!“
„Dann schicken Sie es mal auf die Reise.“
Ein winziger Ruck ging durch den Jet, als sich die Rakete aus der Verankerung löste.

„Eagle Two, hier Eagle One“, funkte Rabb seinen Wingman an. „Übernehmen Sie die Steuerung der EE2.“
„Roger, Eagle One. Ich hab sie.“

Die Minuten vergingen und nichts passierte. Die Spannung in beiden Cockpits war beinah fühlbar. Die Piloten warteten nur auf das Signal vom Boden, das Funksignal, das sie auf direktem Wege zu den Terroristen führen sollte. Die Uhren tickten weiter. Harms Instinkt sagte ihm, dass diese Mission wohl doch nicht so ganz einfach werden würde, wie Webb behauptet hatte… Und dieses schlechte Gefühl in seinem Bauch wurde von Sekunde zu Sekunde stärker.

Ein eingehender Funkspruch riss ihn aus seinen Gedanken.
„Eagle One, hier Eagle Two, wir haben sie!“ Man konnte dem Lieutenant die Freude über die geglückte Mission anhören. „Ich gebe die Koordinaten durch und dann verschwinden wir von hier.“
„Roger, Eagle Two“, antwortete Harm, jedoch mit wesentlich weniger Enthusiasmus. Sein Instinkt hatte ihn noch nie getäuscht. Und jetzt gerade sagte er ihm, dass ihnen gleich noch eine Überraschung blühen würde… Eine äußerst unangenehme.

Sie brauchten doch nur zurück zum Nest fliegen und das Baby mitnehmen…

„Eagle One, hier Eagle Two. Alles roger. Lassen Sie uns nach Hause fliegen, Hammer.”
Gerade als Harm abdrehen wollte, hörte er den Lieutenant panisch über Funk schreien: „Sie reagiert nicht Eagle One, sie macht was sie will!“
„Ich übernehme, Eagle Two.“
Aber auch auf Harms Funk sprach die EE2 nicht an. Im Gegensatz zu seinem Wingman blieb Commander Rabb allerdings ruhig.
„Welchen Kurs schlägt sie ein, Kite?“
Der checkte seine Instrumente.
„Oh mein Gott“, war für kurze Zeit die einzige Antwort, die ihm sein RIO gab. Dann fügte er hinzu: „Sie hält Kurs auf die Seahawk, Sir.“


„Sie tut was?“, rief Harm erschrocken über die Entwicklung der Dinge aus.
„Die EE2 nimmt Kurs auf den Träger, Sir. 34 Minuten bis zum Einschlag.“

Binnen Sekunden hatten auch die beiden Tomcats ihren Kurs geändert, um die Rakete notfalls abzufangen. *Wieviel mehr ‘Notfall’ brauchst du denn noch, Rabb?*, fragte Harm sich selbst, beschloss dann aber, Webb noch eine Chance zu geben, die Lage in den Griff zu bekommen.
„Lassen Sie sich Clayton Webb auf der Seahawk ans Funkgerät holen, Kite – am besten vorgestern!“, wies er seinen RIO an und fügte anschließend hinzu: „aber vorher machen Sie unsere Raketen zum Abschuss klar.“



Luftraum über dem Arabischen Meer,
15:35 Uhr Ortszeit,
26 Minuten bis zum Einschlag



„Rabb, was tun Sie da oben?“
„Sie haben vielleicht Nerven, Webb! Was in drei Teufels Namen tut die EE2? Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, sie hält Kurs auf die Seahawk!“
„Oh mein Gott!“
„Sie haben noch ein paar Sekunden, um sie von eben diesem Weg abzubringen! Sonst müssen wir das von hier oben tun, auf die etwas unelegantere Art“, Harm war sich sicher, dass Clay davon nicht begeistert sein würde.
„Sie können Sie nicht zerstören, Rabb. Sie ist programmiert, Ausweichmanöver durchzuführen, wenn sie unter Beschuss steht…“, erklärte Clay, „Warten Sie, ist das eine abhörsichere Frequenz?“
Harm war sichtlich genervt. „Nein, aber nach hier oben habe ich auch keine, Webb. Und nun beeilen Sie sich!“
„Also gut, versuchen Sie über die Ersatzfrequenz 0209 die Kontrolle zurückzuerlangen. Das ist der letzte Ausweg.“

Harm wandte sich daraufhin an seinen RIO, der das Gespräch mit angehört hatte.
„Kite?“
„Negativ, Sir. Wir kriegen Sie nicht wieder.“
„Wie lange noch?“
„17 Minuten, Hammer.“

In Harms Kopf arbeitete es. Er musste einfach eine Lösung finden.
*Zu kontrollieren ist das Ding nicht mehr… Abfangen lässt es sich auch nicht… Ausweichmanöver… Ausweichmanöver! Das ist eine Möglichkeit!*

„Webb?“
„Ich bin hier, Rabb.“
„Sie sagten eben, die EE2 bemerkt Eigenbeschuss. Wie genau tut sie das? Und nach welchen Kriterien wählt sie ihren Korrekturkurs aus?“
Für eine Sekunde glaubte Harm, Webb würde ihm die Informationen nicht geben. Er verfluchte ihn bereits dafür, als…
„Sie reagiert auf Objekte, die sich ihrer Position mit hoher Geschwindigkeit annähern. Innerhalb von Sekundenbruchteilen dreht sie dann für kurze Zeit direkt nach oben ab. Zu genaueren Manövern ist sie noch nicht in der Lage. Wird der Beschuss eingestellt, korrigiert sie wieder auf ihr ursprüngliches Ziel. Warum wollen Sie das alles wissen?“
„Wenn Sie lange genug leben, Webb, erkläre ich es Ihnen, sobald wir wieder an Bord sind. Over and Out.“



Luftraum über dem Arabischen Meer,
15:50 Uhr Ortszeit,
11 Minuten bis zum Einschlag



„Eagle Two, hier Eagle One. Wir werden versuchen, die Rakete während des Ausweichmanövers zu erwischen. Halten Sie sich bereit, auf mein Kommande eine Sparrow auf die EE2 abzufeuern.“
„Aye, aye, Sir“, kam es vom Wingman zurück.

„Und wir sehen zu, dass wir Höhe gewinnen, Kite. Wir müssen uns genau über ihr positionieren“, informierte Harm seinen RIO.
Der verstand noch nicht ganz, worauf Hammer hinauswollte.
„Sir?“
Harm hatte die F14 bereits im Steilflug auf einige tausend Fuß mehr Höhe gebracht.
„Wir werden direkt nach Eagle Two mit einer Sidewinder auf die Rakete feuern. Zu diesem Zeitpunkt wird sie hoffentlich genau in unsere Richtung fliegen, um dem ursprünglichen Beschuss auszuweichen. Ich hoffe, sie wird uns zu spät bemerken, um ein zweites Ausweichmanöver durchzuführen. Die Sidewinder bewegt sich nur etwa halb so schnell auf sie zu wie die Sparrow und die EE2 reagiert auf Geschwindigkeit, wie Webb vorhin erklärt hat.“
„Um sie innerhalb dieses kurzen Zeitfensters genau von oben zu erwischen, müssen wir uns selbst direkt auf sie zu bewegen!“
„Richtig, Kite, im Steilflug nach unten. Sobald ich ‘jetzt’ rufe, feuern Sie, alles klar?“
„Aye, aye, Sir.“



Luftraum über dem Arabischen Meer,
15:56 Uhr Ortszeit,
5 Minuten bis zum Einschlag



„Eagle One, hier Eagle Two. Sind in Position und feuerbereit.”
„Roger Eagle Two. Wir auch. FEUER!“

Die Sparrow löste sich aus ihrer Verankerung und raste auf die EE2 zu. Harms Wingman hatte aus einiger Entfernung auf die Rakete geschossen, um ihm selbst Zeit zu lassen, zu reagieren.
Mit Adleraugen beobachtete Harm die EE2 und die Sparrow.
*Komm schon, Baby, weich aus, weich aus!*, versuchte er die Rakete durch seine Gedanken zu beeinflussen.

Harm konnte nicht sagen, wie lange es tatsächlich gedauert hatte, bis die EE2 auswich, aber es kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Von jetzt auf gleich war es dann schließlich so weit und er drückte den Steuerknüppel bis zum Anschlag nach vorn, um seine F14 in Richtung Meeresoberfläche zu lenken.
Die Trägheitskraft drückte Harm und Kite in die Sitze.
Sie schossen mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit auf die Rakete zu, sahen sie immer näher und näher kommen.
Harm wagte nicht, zu früh zu feuern, damit die EE2 auf gar keinen Fall erneut ausweichen konnte.
In kurzer Entfernung sah Harm die Sparrow ihr Ziel verfehlen.
In nicht allzu weiter Entfernung sah er zudem das Wasser auf sie zukommen…
*Jetzt, Hammer, jetzt oder nie!* Ihm war bewusst, dass die Zeit nicht ausreichte, einen zweiten Versuch zu starten.
Drei.
Zwei.
Eins.
„Jetzt, Kite, Feuer!“

Sein RIO schoss.
Wieder raste eine Rakete auf die EE2 zu. Diese sollte ihr Ziel jedoch nicht verfehlen.

>WUMM<

Mit einem ohrenbetäubendem Knall explodierten beide Raketen.

Um aus dem Umfeld der Detonation möglichst schnell zu entkommen, riss Harm den Steuerknüppel sofort an sich, nachdem Kite gefeuert hatte.
Die Tomcat folgte der Kursänderung umgehend und brachte ihre Insassen wieder in eine aufrechte Lage. Nur knapp über dem Meeresspiegel…

Harm entließ die Luft aus seinen Lungen. Er war sich gar nicht bewusst gewesen, dass er sie angehalten hatte.

„Lassen Sie uns den Vogel heimwärts fliegen, Kite.“, sprach er erleichtert zu seinem RIO.
In Gedanken fügte er hinzu: „Und mit Webb ein ernstes Wörtchen über ‘ganz einfache’ Missionen reden…“




Liebe Grüsse Petra

Kalorien sind kleine Tierchen, die nachts die Kleidung enger nähen.

 
Petra-Andreas
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