So, hier eine ganz neue FF von mir. Viel Spaß.
Zurück in die Vergangenheit
Disclaimer: Alle Figuren aus JAG gehören leider nicht mir, sondern DBP.
Städtisches Krankenhaus
San Diego, Kalifornien
30.06.2015
Aufgeregt lief er vor der Tür auf und nieder. Er wartete jetzt schon seit knapp fünf Stunden auf eine Neuigkeit, aber niemand sagte ihm etwas. Das machte ihn verrückt. Er wollte doch nur wissen, wie es ihr geht. Schon zum x-ten mal bat ihn eine Schwester, sich in das Wartezimmer zu begeben, doch er weigerte sich, wie schon die Male davor. Er wollte nicht in ein Wartezimmer abgeschoben werden. Er wollte zu seiner Frau, und zwar sofort.
Plötzlich legte jemand eine Hand auf seine Schulter. Als er sich erschrocken umdrehte, erkannte er seinen Schwiegervater, der ihn besorgt ansah.
„ Was ist los? Weißt du was?“, schrie er ihn an, griff die Arme seines gegenüber und schüttelte ihn. Dann wurde ihm jedoch klar, wen er da eigentlich vor sich hatte und ließ augenblicklich wieder los.
„ Entschuldige. Das wollte ich nicht. Es ist einfach mit mir durchgegangen.“
„ Schon in Ordnung. Du machst dir wahnsinnige Sorgen um sie. Das kann ich gut nachvollziehen, mir geht es genauso. Wir müssen einfach darauf vertrauen, dass alles gut geht.“
Die Beiden sahen sich einen Moment lang an. Plötzlich begann sein Herz zu rasen. Seine Brust schmerzte richtig und er bekam kaum noch richtig Luft. Dann wurde es ihm schwarz vor Augen und er fiel in die Arme seines Schwiegervaters. Die letzten Tage waren einfach zu viel für ihn gewesen. Erst der Umzug in das neue Haus, das Verfahren gegen ihn, das ihm alles abverlangte und jetzt auch noch die Sache mit seiner Frau. Er konnte einfach nicht mehr.
Das erste was er hörte als er wieder zu sich kam war das monotone piepen eines EKGs. Langsam öffnete er die Augen. Er lag in einem Bett in einem Krankenzimmer.
„ Wie lange war ich weg?“
„ Etwa 30 Minuten.“, beantwortete sein Schwiegervater die Frage.
„ Ich muss wieder zu ihr.“ Er versuchte aufzustehen, aber sein Schwiegervater hielt ihn zurück.
„ Du solltest dich weiter ausruhen. Im Moment kannst du ihr sowieso nicht helfen. Und wenn sie es überstanden hat, will sie dich sicher sehen und wenn du dann in irgendeiner Ecke liegst macht sie sich nur Sorgen. Damit ist dann euch beiden nicht geholfen.“
Er nickte nur und legte sich langsam wieder hin. Auch wenn es ihm nicht gefiel, hatte er doch Recht. Er musste bei Kräften sein, wenn er zu seiner Frau ging. Und diese Herzschmerzen vorhin waren wirklich nicht so ganz ohne. Er hatte sie noch nie gehabt. War es etwa ein Herzanfall? Aber er war doch noch so jung.
„ Ich weiß, dass du dir wahnsinnige Sorgen machst, aber glaube mir, sie schafft das. Sie hat schon ganz andere Sachen durchgestanden. Zum Beispiel ihr Absturz. Die Prognosen waren damals nicht sehr gut und trotzdem ist sie wieder völlig Gesund geworden. Obwohl ich zugeben muss, dass du da sicher auch ein Grund für warst.“
„ Ja, da könntest du recht haben, obwohl es zu Beginn ja gar nicht mal so rosig aussah.“
Rückblende
20.05.2006
Reha Zentrum
San Diego, Kalifornien
Wie schon die letzten 5 Tage lag er in seinem Bett und schwelgte mal wieder in Selbstmitleid. Im Moment war es besonders schlimm, da der Todestag seiner Eltern immer näher kam.
<Wieso bin ich überhaupt hier. Das ganze bringt doch sowieso nichts. Ich hätte auch sterben sollen, dann müsste ich mir jetzt nicht dieses ewig Dummgelaber von den Schwestern anhören. Wenn die wüssten wie schwer das alles ist. Außerdem, wie soll man sich zu etwas durchringen, wenn man niemanden mehr hat der einen unterstütz. <
In seinen Augen sammelten sich Tränen. Er vermisste seine Eltern. Sicher, wenn sie jetzt bei ihm wären, dann hätte er die Unterstützung die er brauchte und dann würde er auch sicher mit mehr Zuversicht an die Sache gehen, aber so. Er hatte ja keinen Grund mehr wieder gesund zu werden.
Als es an der Tür klopfte wischte er sich schnell die Tränen aus dem Gesicht. Zur Vorsicht drehte er seinen Kopf noch Richtung Fenster, damit man auch seine roten Augen nicht sah. Sicher wollen die ihn wieder zu der üblichen Therapiestunde abholen und wie immer würde er sich auch diesmal wieder weigern. Doch es kam alles ganz anders.
„ So, da wären wir. Zimmer 305. Du hast im Moment noch einen Mitbewohner, aber der wird dich sicher nicht weiter stören.“
Obwohl er wusste, dass es gerade um ihn ging, drehte er sich nicht um. Er wollte gar nicht wissen, wen sie ihm da schon wieder andrehten. Die letzten zwei Zimmergenossen waren die reinsten Nervensägen gewesen. Der Erste war ein etwa 40 jähriger Anwalt gewesen, der ebenfalls einen schweren Autounfall gehabt hatte. Er sprach den lieben langen Tag nur davon wen er alle verklagen würde und wenn er mal niemanden zum verklagen fand, dann wollte er ihn davon überzeugen jemanden zu verklagen. Der zweite war ein Junge in seinem alter gewesen, der noch mehr im Selbstmitleid schwelgte als er. Er war Sportler gewesen und hatte sich bei einem Spiel eine Prellung der Wirbelsäule zugezogen. Nach etwa 5 Monaten war diese aber wieder abgeklungen und er konnte das Rehazentrum wieder verlassen. Doch er war immer noch hier. Und es würde sich auch sicher nichts daran ändern.
„ Sieht ja ganz nett aus. Und die Aussicht scheint auch toll zu sein. Es wird dir hier sicher gefallen.“, hörte er eine Frauenstimme sagen. Sie kam ihm nicht bekannt vor. Entweder gehörte sie einer neuen Schwester oder die Frau gehörte zu seinem neuen Mitbewohner.
„ Ja und einen Fernseher habt ihr auch. Du kannst also alle deine Lieblingsshows weitersehen.“, ergänzte nun eine Männerstimme.
< Na das hier scheinen Mummy und Daddy zu sein. Also wieder ein Teenager oder womöglich sogar noch ein Kind. Na das hat mir ja gerade noch gefehlt. <
Er rollte mit den Augen, was jedoch niemand sehen konnte.
„ Na mal sehen. Ich weiß ja nicht wie das hier mit dem Fernsehen so läuft. Immerhin müssen wir ihn uns ja teilen.“, sagte nun eine Mädchenstimme.
Das machte ihn stutzig. Seine letzten beiden Mitbewohner waren beide männlich gewesen. Wieso schickte man jetzt ein Mädchen zu ihm? War sonst nirgendwo mehr Platz?
< Na super erst ein nervtötender Anwalt, dann ein in Selbstmitleidzerfliessender Sportler und jetzt irgend so eine Göre. Und was kommt als nächstes? <
„ Keine Sorge. Solange du dein Zimmer mit Cameron teilst steht dir der Fernseher den kompletten Tag lang zur Verfügung. Nicht wahr?“
Er konnte nicht sehen, dass die drei etwas überrascht in seine Richtung blickten. Obwohl er genau wusste, dass sich die Frage an ihn richtete antwortete er nicht. Stattdessen steckte er sich die Ohrstöpsel seines MP3 Players in die Ohren und hörte Musik. Er hatte keine Lust sich die Gespräche noch weiter anzuhören. Vor allem diese Seitenhiebe gegen ihn hasste er.
Er war fast ganz eingedöst als er plötzlich einen Schatten vor sich sah. Langsam öffnete er eins seiner Augen und sah den Menschen, den er am meisten hasste. Seinen Onkel. Er war Schuld am Tod seiner Eltern. Sie waren damals auf der Geburtstagsfeier seines Großvaters. Sein Dad und dessen Bruder Tom hatten sich mal wieder in die Haare gekriegt. Das war eigentlich nichts neues, doch an diesem Tag ging sein Onkel echt zu weit. Er hatte wieder einiges getrunken und beschimpfte nicht nur seinen Dad, sondern machte sich auch an seine Mutter ran. Als Cameron das merkte ging er sofort dazwischen und erntete eine Ohrfeige von seinem Onkel. Seinem Vater reichte das alles und er fuhr mit seiner Familie sofort nach Hause. Auf der Fahrt regte er sich die ganze Zeit so sehr auf, dass er ein Stoppschild übersah und mit vollem Tempo auf eine Kreuzung raste, wo sie mit einem Sattelschlepper zusammenstießen, der ungebremst in sie hinein fuhr. Seine Eltern waren auf der Stelle Tod. Er hatte schwere Verletzungen am Kopf und an der Wirbelsäule davongetragen und als er im Krankenhaus aufwachte eröffnete man ihm, dass seine Eltern Tod waren und er womöglich nie wieder laufen könne.
Als er in das Gesicht seines Onkels blickte war seine ganze Wut, sein ganzer Hass auf ihn wieder da.
„ Verschwinde von hier!“, zischte er. Dann schloss er seine Augen wieder. Er wollte nicht mehr in dieses Gesicht sehen.
Sein Onkel versuchte auf ihn einzureden. Es war ihm unangenehm, dass er ihn so abwies, vor allem, da sie nicht alleine im Zimmer waren.
„ Du sollst endlich verschwinden!“, sagte er nochmals, diesmal aber lauter.
„ Cameron, ich bin hier um dich zu deinen Eltern zu bringen. Ich habe auch die Erlaubnis des Arztes.“
„ Du sollst verschwinden!“, schrie er jetzt und warf das Tablett, das auf seinem Nachttisch stand in die Richtung seines Onkels. Es verfehlte in nur knapp und schlug mit einem lauten scheppern erst gegen die Wand und dann auf den Boden. Sein Onkel sah ihn erschrocken an und auch die vier anderen Personen in Zimmer blickten mit entsetzten zu ihm rüber. Doch ihn störte das nicht weiter. Er war hier bei den Schwestern ja sowieso als etwas durchgeknallt und verrückt bekannt. Jetzt hatten sie mal wieder einen Beweis für ihre These.
Sein Onkel entschuldigte sich bei den anwesenden und verließ das Zimmer wieder.
„ Und komm am besten nie wieder!“, rief er ihm noch hinterher. Dann drehte er sich wieder Richtung Fenster und obwohl er es nicht wollte, liefen ihm die Tränen über sein Gesicht und so sehr er sich auch bemühte, er konnte nicht aufhören zu weinen. Das alles machte ihn einfach fertig. Dieser Mann war Schuld daran, dass er seine Familie verloren hatte und nun tauchte er so mir nichts dir nichts hier auf und wollte ihn zu deren Grab begleiten. Zugegeben, er würde gerne mal zu ihnen gehen. Er war noch nicht einmal dort gewesen. Und es würde sicher auch noch seine Zeit dauern, bis er dorthin gehen könnte oder eher gesagt fahren. Man hatte ihm zwar schon oft angeboten ihn mit einer Schwester zusammen dorthin zulassen, aber dass hatte er abgelehnt. Er wollte allein dorthin oder, wenn es unbedingt sein musste mit jemandem, dem er vertrauen konnte. Einem Freund oder vielleicht sogar seiner Freundin.
Gegenwart
Städtisches Krankenhaus
Krankenzimmer
„ Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als wir uns zum ersten Mal sahen. Hätte mir damals jemand gesagt, dass du mal meine Tochter heiraten würdest, ich hätte denjenigen für verrückt erklärt.“
„ Kann ich gut nachvollziehen. Ich war damals ein ganz schöner Arsch.“
„ Ja, bis zu jenem Tag warst du das wirklich.“
Rückblende
20.06.2006
Reha Zentrum
San Diego, Kalifornien
Sie waren jetzt schon seit einem Monat Zimmergenossen und trotzdem wussten sie kaum etwas voneinander. Sie wusste nur die Dinge, die ihr die Schwestern erzählt hatten und er nur das, was sie bei den Gesprächen zwischen ihr und ihren Eltern mitgehört hatte.
Es sollte jedoch der Tag kommen, an dem sich das ändern sollte.
Wie jeden Tag lag er in seinem Bett und starrte aus dem Fenster. Es war ein wirklich sonniger Sonntag. Das Fenster war geöffnet, weshalb er die Menschen im Garten reden hören konnte. Er war allein in seinem Zimmer. Sie war mit ihren Eltern ebenfalls unten. Sie hatte ihn gefragt ob er auch raus wolle, doch er wollte nicht das fünfte Rad am Wagen sein. Außerdem kannte er sie kaum und nur draußen rum sitzen wollte er auch nicht. So blieb er drin und langweilte sich, wie so oft. Irgendwann schlief er ein, weshalb er nicht mitbekam, dass die drei bereits wieder im Zimmer waren. Erst als Schwester Mary ihn sanft schüttelte wachte er wieder auf.
„ Na du Schlafmütze. Du willst doch so einen tollen Tag nicht verschlafen, oder doch?“
„ Sieht wohl ganz so aus.“, antwortete er patzig. Seine Laune hatte sich immer noch nicht gebessert, was wohl auch daran lag, dass bisher immer noch keine wirklichen Erfolge bei ihm zu erkennen waren.
„ Ein Inspektor Morris ist gerade gekommen. Er würde sich gerne mir dir Unterhalten. Er sagt es geht um deine Eltern und es wäre wirklich sehr wichtig.“
Er drehte sich von ihr weg. Er hatte keine Lust über seine Eltern zu sprechen, denn es tat ihm immer noch sehr weh. Doch er hatte wohl keine andere Wahl. Er kannte die Vorgehensweise der Polizisten bereits und wusste genau, dass sie auf sein Befinden nicht wirklich Rücksicht nahmen.
„ Wenn es unbedingt sein muss.“
„ Gut, ich werde dir in den Rollstuhl helfen und dich zu ihm bringen.“
„ Nein. Er will ja schließlich was von mir, also soll er auch hierher kommen.“
Schwester Mary wusste, dass es keinen Sinn machte, noch weiter auf ihn einzureden. Sie kannte ihn mittlerweile gut genug um zu wissen, dass `Nein` bei ihm wirklich auch `Nein` bedeutete.
„ Gut, ich gehe ihn holen.“
Sie verschwand aus dem Zimmer, um keine Minute später mit einem etwa 1,80 großen, dunkelhaarigen Mann wiederzukommen. Er hatte eine Sonnenbrille auf dem Kopf und trug ein hellblaues kurzärmeliges Hemd und eine helle Jeanshose. Sein Gesicht war braungebrannt und an seiner Statur erkannte man, dass er viel Sport treiben musste.
Als er das Zimmer betrat, nickte er den anderen anwesenden freundlich zu, bevor er sich an Cameron wandte.
„ Tag Cameron. Wie geht es dir heute? Ich weiß, wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen, aber ich hatte ziemlich viel zu tun.“
„ Also, was wollen sie.“
„ Du erkennst mich nicht mehr, habe ich Recht?“
Er musterte den Mann gründlich, aber er erkannte ihn wirklich nicht mehr.
„ Nein. Sollte ich sie den kennen?“
„ Ja, eigentlich schon.“
Cameron sah den Mann nur genervt an.
„ Ich dachte sie wollen mit mir über meine Eltern reden. Sie sehen aber nicht gerade so aus, als wären sie im Dienst“
„ Bin ich auch nicht. Zumindest heute nicht. Ich habe gehört, dass es dir bis heute nicht wirklich besser geht. Du weigerst dich hartnäckig an der Therapie teilzunehmen.“
„ Wollen sie mich deshalb verhaften?“
„ Nein, ich dachte nur es interessiert dich vielleicht was deine Eltern davon halten würden.“
Geschockt sah er den Inspektor an. Was erlaubte der sich da eigentlich. Seine Eltern waren Tod.
„ Ich werde es dir erklären. Vor etwas mehr als einem Jahr fuhren mein Partner und ich unsere übliche Runde. Als wir an eine Kreuzung kamen, bot sich uns ein schreckliches Bild. Ein Sattelschlepper stand quer auf der Kreuzung und drückte mit dem vordersten Teil einen Personenwagen gegen einen Baum. Wir verständigten sofort den Notruf und sahen nach, ob wir noch etwas tun konnten. Der Mann in dem Sattelschlepper schien nur leicht verletzt zu sein, mein Partner kümmerte sich um ihn, während ich mich um die Leute in dem Wagen kümmerte. Der Frau, die auf der Beifahrerseite saß, konnten wir nicht mehr helfen. Sie muss sofort Tod gewesen sein. Bei den anderen beiden sah das ganze etwas anders aus. Der Fahrer war eingeklemmt, aber er war bei Bewusstsein. Er fragte die ganze Zeit nach seinem Sohn, der auf der Rückbank gesessen hatte. Er wusste, dass seine Frau es nicht geschafft hatte und er spürte auch, dass er es nicht mehr schaffen würde. Aber er bat uns wenigstens seinem Sohn zu helfen. Er meinte du hättest eine große Zukunft vor dir, die du unter keinen Umständen vergeuden solltest, schon gar nicht durch den Tod, von wem auch immer.“
Er hörte nur ungläubig zu. In seinen Augen sammelten sich immer mehr Tränen. Er glaubte nicht was er da gerade hörte. Man hatte ihm doch immer versichert, dass seine Eltern sofort Tod waren und sie deshalb auch keine Schmerzen mehr gespürt hatten. Das war bisher sein einziger Trost gewesen.
„ Sie sollten jetzt lieber gehen.“, sagte er mit Tränenerstickter Stimme. Der Inspektor respektierte seinen Wunsch. Er wusste, dass diese Informationen für ihn nur schwer zu verarbeiten waren, doch er hoffte auch, dass sein Gespräch mit ihm die erhoffte Wirkung erzielt hatte. Ohne sich von ihm zu verabschieden drehte er sich um, nickte den anderen anwesenden noch einmal zu und verließ dann den Raum.
Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Sollte er weinen, oder lieber schreien. Sollte er noch weiter in Selbstmitleid schwelgen oder sollte er endlich anfangen zu kämpfen? Sein Vater war immer davon überzeugt gewesen, dass er eine große Karriere vor sich hatte. Auf der Highschool war er der fünftbeste seines Jahrgangs. Er hätte auch der beste sein können, aber er wollte nebenher lieber noch Baseball spielen statt nur zu lernen. Sein Vater hatte ihn dazu überredet, sich auch an ein paar der großen Unis wie Harvard oder Yale zu bewerben und er bekam sogar von beiden eine Zusage. Doch er kam nie dazu sich zu entscheiden, da dieser Unfall dazwischen kam.
Er war so in Gedanken, dass er gar nicht merkte, wie sie sich ihm näherte. Erst als sie seine Hand berührte bemerkte er sie. Für einen Moment sahen sie sich in die Augen. Er wusste nicht warum, aber in diesem Moment durchschoss ihn ein Gefühl, dass er nicht kannte. Es war eine Wärme, die ihn angenehm berührte, aber zugleich war da auch ein kribbeln, dass ihm eine Gänsehaut bereitete. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass es ihr in diesem Moment genauso ging.
„ Das mit deinen Eltern tut mir sehr leid. Ich habe meine Mutter ebenfalls bei einem Autounfall verloren, den mein Vater verursacht hat, als er betrunken fuhr.“
Er wollte ihr so gerne antworten. Wollte ihr sagen, dass sein Vater keine Schuld hatte und dass sie ihn nicht mit sich vergleichen sollte, weil sie trotzdem zwei Menschen hatte, die sich um sie kümmerten, doch er konnte es nicht. Er konnte diese Worte nicht über seine Lippen bringen. Stattdessen nickte er nur, während ihm seine Tränen über beide Wangen liefen. Und diesmal wollte er es auch nicht unterbinden. Sie blieb die ganze Zeit bei ihm sitzen und hielt seine Hand. Normalerweise war es ihm immer unangenehm gewesen, wenn er beim weinen beobachtet wurde, doch diesmal nicht. Diesmal füllte er sich irgendwie befreit und das beruhigte ihn. Dass dieses Mädchen solch eine Wirkung auf ihn machte wunderte ihn, denn schließlich war sie jünger als er. Doch das störte ihn im Moment überhaupt nicht. Außerdem, wen interessiert schon das Alter, wenn er wirklich verliebt ist. Und das war er. Zum ersten Mal in seinem Leben war er wirklich verliebt. Doch es dauerte noch eine ganze Weile, bis er ihr dieses Geheimnis anvertraute.
Städtisches Krankenhaus
San Diego, Kalifornien
Krankenzimmer
Nun lag er in seinem Bett und schlief. Er hatte sich lange Zeit dagegen gewehrt, doch nun überkam ihn die Müdigkeit einfach. Harm war froh, dass sein Schwiegersohn endlich mal wieder schlief. Er machte sich Sorgen um ihn, große Sorgen sogar. Immerhin waren die letzten Wochen und Monate für ihn nicht einfach gewesen. Und er war noch sehr jung. Sicher, er und Mac hatten damals auch so einige Hindernisse zu überwinden gehabt, aber das was Cameron und Mattie im Moment durchstehen musste, übertraf das alles noch.
Jetzt lehnte er sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Sofort kamen ihm wieder all die Bilder der letzten 10 Jahre in den Kopf.
Rückblende
Mc Murphys
Etwa 10 Jahre vorher
Gebannt starrten alle auf die Münze. Was zeigte sie an? Wessen Karriere beendete sie. Langsam hob Bud die Hand. Es war ganz still. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Dann war es allen klar. Es war Harm. Er hatte verloren. Mac sah ihn an.
„ Bist du traurig?“, fragte sie ihn leise, sodass es keiner mitbekam.
„ Nein Sarah. Ich kann mit dir zusammen sein, und das ist das wichtigste. Für dich würde ich alles aufgeben.“
Mac war froh, dass er das sagte, doch sie glaubte es ihm irgendwie nicht so wirklich.
Als sie fünf Stunden später auf dem Weg nach hause waren, fragte sie deshalb nochmals nach.
„ Harm, bist du wirklich nicht traurig?“
Harm fuhr an den Straßenrand und hielt an.
„ Sicher bin ich traurig Sarah, genauso wie du es wärst. Aber wenn ich weiter in der Navy bleibe, kann ich nicht mehr mit dir zusammen sein und das wäre noch viel schlimmer. Ich liebe dich Sarah MacKenzie und ich will bis zum Rest meines Lebens bei dir bleiben.“
Während Harm das sagte, sah er Mac die ganze Zeit tief in die Augen.
Sie spürte, dass er es wirklich ernst meinte und das machte sie glücklich.
Und so zogen sie kurze Zeit später nach San Diego.
Für Mattie hatten sie ein schönes Reha Zentrum ganz in der Nähe gefunden und auch Mac war in ihrem neuen Job sehr zufrieden. Und Harm. Auch er hatte seinen Traumjob gefunden. Er leitete mit einem alten Freund von Frank einen kleinen Flughafen in San Diego und fühlte sich in diesem Job pudelwohl.
Zu Beginn war Mac von Harms Job nicht so begeistert, weil sie Angst hatte, dass er dann nur noch in der Luft wäre, doch als sie merkte, dass er diesen Job wirklich sehr liebte, hatte sie ihre Bedenken über Bord geworfen.
Sie zogen in ein kleines Haus am Stadtrand und fühlten sich dort sichtlich wohl. Und auch Mattie konnten sie täglich besuchen.
Ende Rückblende
Städtisches Krankenhaus
San Diego
Krankenzimmer
Ein klopfen an der Tür holte ihn aus seinen Gedanken zurück. Als sich die Tür öffnete, sah er Trish das Zimmer betreten.
„ Wie geht es ihm? Und vor allem Mattie?“
„ Ihm geht es soweit ganz gut. Er war einfach nur geschwächt. Die letzten Tage hatten es ja auch ganz schön in sich. Und wie es Mattie geht weiß ich auch nicht, aber Mac ist bei ihr. Ich mache mir da also keine so großen Sorgen. Wenn etwas ist, wird sie sicher bescheid geben. Aber was ist mit dir? Wieso bist du hier?“
„ Wir haben es zu hause einfach nicht mehr ausgehalten.“
„ Und Nick und Caitlin?“
„ Sind mit Frank auf dem Spielplatz.“
„ Gut. Ich glaube wenn die beiden auch noch hier rumwirbeln würden, würde Cameron gar nicht mehr zur Ruhe kommen.“
„ Ja. Es muss ihm wirklich sehr schlecht gehen, wenn er in so einem Moment schlafen kann.“
„ Ja. Ich mache mir langsam wirklich sorgen um ihn und Mattie. Wie wollen die beiden das nur auf die Reihe kriegen? Er ist jetzt schon nicht für sie da und dabei brauch sie ihn doch jetzt so dringend.“
„ Muss ich dich etwa an dich und Mac erinnern? DU warst ja auch nicht da und trotzdem hat sie es geschafft.“
„ Da konnte ich doch nichts zu. Woher sollte ich den wissen, dass plötzlich dieses Unwetter aufzieht und ich in Avalon auf Santa Catalina Notlanden muss? Glaube mir, ich wäre viel lieber bei Mac gewesen.“
„ Das weiß ich doch Harm. Und Mac hätte dich damals auch sehr gerne bei dir gehabt.“
„ Ja ich weiß.“ Geknickt sah Harm zu Boden. Er machte sich immer noch große Vorwürfe, weil er bei Caitlins Geburt vor 5 Jahren nicht dabei gewesen war.
„ Wieso will Mattie Cameron eigentlich nicht dabei haben?“
„ Naja, es hat wohl mehrere Gründe. Aber ich schätze sie hat einfach gespürt, wie schlecht es ihm im Moment geht und wollte ihm das nicht auch noch zumuten.“
„ Harm. Die Geburt seines Kindes ist eine wundervolle Sache und Cameron kann im Moment wirklich ein freudiges Erlebnis gebrauchen.“
„ Das weiß ich ja auch, aber es ist nun einmal eine Sache zwischen Mattie und Cameron. Und außerdem ist Mac ja bei ihr und sie hat mir versprochen alles zu tun, damit Cameron doch noch mit dabei sei kann, aber so wie es im Moment aussieht, hätte das wahrscheinlich sowieso keinen Sinn.“
„ Wieso müssen die beiden eigentlich so weitermachen, wie Mac und ich aufgehört haben?“, fragte Harm nach einer Weile.
„ Wie meinst du das Harm?“
„ Mac und ich haben uns immerzu gegenseitig verletzt, bis wir endlich zueinander gefunden haben. Als Mattie mir gestanden hat, was sie für Cameron empfand, hatte ich gehofft, dass sie nicht denselben Fehler macht wie ich mit Mac. Und es sah ja auch ziemlich lange gut aus, doch im Moment übertreffen die beiden uns ja sogar schon.“
„ Ja ich weiß, aber glaube mir, die beiden werden das schon schaffen. Sie haben schon einmal eine sehr schwere Zeit gemeinsam durchgestanden und sie werden auch das jetzt gemeinsam durchstehen. Darauf müssen wir jetzt vertrauen.“
Harm nickte nur. Dann sah er wieder zu Cameron hinüber, dessen Schlaf langsam unruhig wurde. Immer wieder rief er leise einen Namen, es war jedoch nicht der von Mattie.
„ Kelly…..geh nicht…...nein….tut das nicht…...tu mir das nicht an…“
Harms Blick wurde immer sorgenvoller. Er wusste, worum es in dem Traum ging, doch das konnte er seiner Mutter nicht sagen. Und auch Mac und Mattie wussten es nicht. Er hatte Cameron immer wieder versucht dazu zu überreden, zumindest Mattie von der Sache zu erzählen, um seine Ehe zu retten, doch bisher hatte er sich standhaft geweigert. Und er konnte ihnen beiden nichts sagen, weil er im Moment nicht nur Camerons Schwiegervater war, sondern auch sein Anwalt war.
„ Wieso ruft er denn diesen Namen?“, wollte Trish wissen.
„ Das kann ich dir leider nicht sagen Mum.“, bekam sie zur Antwort. Doch in seinem Kopf kamen schon wieder die Erinnerungen.
Rückblick
San Diego
Polizeirevier
2 Monate vorher
„ Mein Name ist Harmon Rabb Junior. Ich bin der Anwalt von Cameron Mitchell.“ [Ja ich weiß, ist von Stargate geklaut, aber mir gefällt der Name so gut]
„ Einen Moment bitte Mr Rabb.“, erwiderte der Officer am Empfang.
Kurze Zeit später kam eine etwa 50 jähriger Mann mit leicht grauen Haaren auf ihn zu. Er hatte eine nicht gerade sehr sportliche Figur und war auch nicht gerade einer der größten.
< Oh man, wie kann der den mit so einer Figur auf Verbrecherjagd gehen? Dem laufen doch alle Verdächtigen weg.>, dachte Harm.
„ Mr Rabb? Ich bin Detective Johnson.“ Der Mann gab Harm die Hand.
„ Ich würde gerne mit meinem Klienten Cameron Mitchell sprechen.“, kam Harm sofort zur Sache.
„ Dann folgen sie mir bitte. Er ist in Verhörraum 2.“
„ Verhörraum? Was wird ihm vorgeworfen?“
„Mord!“
„Mord? An wem?“
„ Ihr Name war Kelly Pearson. Jurastudentin. 24 Jahre alt.“
Harm konnte es nicht fassen. Sein Schwiegersohn sollte eine Frau getötet haben.
„ Kann ich jetzt endlich mit ihm reden?“
„ Sicher doch. Er ist gleich dort drin.“
„ Haben sie ihn schon verhört?“
„ Nein, er wollte erst mit ihnen reden. Wenn sie mich fragen, hat er sich damit sehr verdächtig gemacht.“
Harm ignorierte diese Aussage des Detectives und betrat den Verhörraum.
„ Harm, endlich. Ich bin hier schon fast durchgedreht.“, begrüßt Cameron ihn.
„ Sag mal was ist hier los?“, wollte der nur wissen.
„ Keine Ahnung. Dieser Detective ist heute einfach bei mir im Büro aufgetaucht und hat mich festgenommen. Keine Ahnung wieso.“
„ Das müssen sie dir doch gesagt haben.“, schrie Harm ihn an. Er war stinksauer.
„ Ja, dass haben sie. Aber das ist völliger quatsch. Ich habe mit der Sache absolut nichts zu tun.“, schrie Cameron zurück. Dann fing er plötzlich an zu weinen.
„ Ich würde Kelly niemals so etwas antun. Sie……sie……“
„ Was?“
„ Sie ist doch meine Schwester gewesen.“
Nun war Harm baff. Er hatte Cameron immer für ein Einzelkind gehalten, zumal er nie etwas von einer Schwester erzählt hatte.
„ Deine Schwester?“, fragte er nur.
„Ja meine Schwester.“
„Wieso hast du nie etwas von ihr erzählt?“
„ Weil ich es selber auch erst seit etwa einem Monat weiß. Sie stand eines Tages auf einmal bei mir im Büro und eröffnete mir, dass sie meine Halbschwester sei. Ich habe es ihr erst nicht geglaubt, doch dann habe ich selber angefangen Nachforschungen anzustellen und habe die ganze Wahrheit erfahren.“
„ Und die wäre?“
„ Mein Vater war mal längere Zeit auf Geschäftsreise in New York. Meine Mutter und ich waren in San Diego geblieben, weil ich zu dieser Zeit im Kindergarten angemeldet werden sollte. In New York hatte er dann wohl ein kurzes Stell-dich-ein mit einer alten Schulfreundin und neun Monate später kam dann Kelly.“
„Wusste dein Vater von ihr?“
„ Anscheint schon. Und Mum wohl auch, denn er hat jeden Monat eine kleiner Summe an ihre Mutter überwiesen.“
„Und wieso denkst du dann, dass deine Mum es wusste?“
„Weil das Geld von ihrem gemeinsamen Konto abging. Und das hätte Dad niemals ohne Mums wissen machen können.“
„ Und wieso kam es zu der Verhaftung?“
„Ich weiß es nicht. Ich habe ihr nichts getan. Ich wollte sie morgen sogar zu unserm Essen einladen, damit ihr sie kennen lernen könnt.“
„Wann hast du sie denn zuletzt gesehen?“
„ Vorgestern. Wir waren zusammen essen. Wir haben uns unterhalten, hauptsächlich über uns, um uns besser kennen zu lernen. Ich hab ne blöde Bemerkung über ihren Freund gemacht, weil der sie andauernd anrief und kontrollierte und dann haben wir uns gestritten. Sie ist einfach gegangen. Ich wollte sie noch davon abhalten, aber sie sagte, dass ich alles vergessen könnte und sie gleich mit. Sie wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich habe sie noch angefleht zu bleiben, aber sie ist trotzdem einfach gegangen.“
„Und kurze Zeit später wird sie ermordet.“
„Ja.“
Nun konnte Cameron seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Harm setzte sich erst einmal neben ihn und legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter. Seit Cameron und Mattie eine Beziehung führten, war Cameron so etwas wie ein Sohn für ihn geworden.
„ Was weißt du schon alles?“, fragte er nach, als Cameron sich wieder beruhigt hatte.
„ Noch gar nichts. Ich wollte erst mit ihnen reden, wenn du da bist.“
„ Gut, dann werde ich dem Detective jetzt bescheid geben und dann sehen wir weiter.“
Harm stand auf und klopfte an die Tür des Verhörraumes um zu signalisieren, dass Detective Johnson nun zum Verhör kommen konnte.
San Diego
Städtisches Krankenhaus
Krankenzimmer
Wieder war es ein klopfen, welches Harm aus seinen Gedanken zurückholte. Als sich die Tür öffnete, sah er Mac hereinkommen.
„ Na endlich. Wie geht es ihr? Ist alles gut gegangen?“, fragte Harm aufgeregt.
„ Keine Sorge. Alles lief bestens. Mattie geht es gut und den Babys auch.“
„ Na Gott sei dank.“
„ Und was ist mit Cameron? Mattie wollte ihn doch dabei haben, aber die Ärzte sagten ihr, dass das in seinem Zustand nicht möglich wäre.“
„ Er ist vor dem Kreissaal einfach umgekippt. Die letzten Tage und Wochen haben ihn ganz schön mitgenommen. Die Ärzte wollen ihn noch einen Tag lang hier behalten, um sicher zu gehen, dass ihm nichts Ernsthaftes fehlt.“
„ Dann sollten wir nachfragen, ob er und Mattie wenigstens in einem Zimmer liegen können. Es würde beiden sicher gut tun. Mattie würde sehen, dass es ihm gut geht und er wäre bei seinen Kindern.“
„ Ja, ich werde mich gleich darum kümmern. Apropos, wer ist den jetzt zuerst gekommen?“
„ John Thomas.“
„ Na dann wird es Cassie Jean aber ganz schön schwer haben.“
„Wieso?“
„Na weil sie jetzt nicht nur eine Vater hat, der sie beschützen will, sondern auch noch einen großen Bruder.“
„ Der nur 4 Minuten älter ist.“
„ Ja, aber er ist älter.“, lachte Harm.
Von seinem Lachen wurde Cameron wieder wach.
„ Mac, was ist los? Wie geht es Mattie? Und wie geht es den Babys?“, fragte er und versuchte aufzustehen, wurde aber von Mac und Harm daran gehindert.
„ Den dreien geht es gut. Wir werden gleich mit dem Arzt sprechen, ob man dich in Matties Zimmer verlegen kann.“
„ Wenn sie das überhaupt will.“
„ Glaub mir, sie will es. Sie hat sich große Sorgen um dich gemacht, als sie von deinem Zusammenbruch gehört hat.“
„So, ich gehe dann mal mit dem Arzt reden. Du kannst ihn ja in der Zwischenzeit über alles wichtige aufklären.“, sagte Harm, bevor er Mac noch einen Kuss gab und das Zimmer verließ.
Mac setzte sich in der Zwischenzeit an Camerons Bett und berichtete ihm jede kleine Einzelheit über die Geburt seiner Kinder.
Nachdem Harm mit dem Arzt geredet hatte, machte er sich auf den Weg zu Mattie. Er wollte sie und seine Enkelkinder sehen und ihr von Cameron berichten. Sanft klopfte er an die Tür und trat dann ein.
Mattie lag im Bett und hielt Cassie Jean im Arm. John Thomas lag im Bettchen und schlief.
„ Hey, wie geht es meiner großen Tochter?“
„Gut Dad. Und deinen Enkeln auch.“
Harm stand nun vor John Thomas Bettchen und sah seinen Enkel voller stolz an.
„ Du kannst ihn ruhig herausholen wenn du möchtest.“
Harm zögerte einen Moment. Er wollte den Jungen nicht wecken, aber dann siegte doch seine Neugier und er hob seinen kleinen Enkel auf den Arm. John Thomas gähnte einmal kurz und strampelte mit seinen kleinen Beinchen, wachte aber nicht auf. Harm trug seinen kleinen Enkel nun voller stolz zu Mattie herüber und setzte sich zu ihr aufs Bett, um auch Cassie Jean betrachten zu können.
„Harm, wie geht es Cameron?“, fragte Mattie nun voller Sorge.
„Er braucht noch etwas Ruhe, aber sonst geht es ihm ganz gut. Du musst dir keine Sorgen um ihn machen.“
Harm sah, wie sich die Erleichterung in Matties Gesicht breit machte. Auch wenn sie und Cameron in letzter Zeit fast nur noch am streiten waren, liebte sie ihn noch immer. Es war diese verdammte Verhandlung, die den Streit immer wieder auslöste. Mattie wusste, dass Cameron den Mord nicht begangen hatte, verstand aber nicht, wieso er ihr nicht sagte, wer diese Frau war und warum er nicht bestritt, dass er mit ihr eine Affäre hatte.
„Wenn du willst, kann er hierher zu dir verlegt werden. Ich hab das ganze schon mit dem Arzt besprochen.“
Mattie nickte. Sie war froh, dass dies Möglich war. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als sein Gesicht zu sehen und zu sehen, wie er seine Kinder in den Armen hält.
„Gut, dann sage ich Dr. Wilson jetzt bescheid.“
Harm stand auf, legte John Thomas in sein Bettchen zurück und verließ dann das Zimmer wieder.
Pinapple Road 2901
San Diego, Kalifornien
Harm und Mac lagen zusammen in ihrem Bett und berichteten sich gegenseitig von ihren Erlebnissen des Tages.
„Glaubst du die beiden finden wieder zueinander, jetzt wo die beiden Babys da sind.“
„Weiß nicht. Es wird nicht sehr einfach werden. Vor allem, weil er sich immer noch weigert, Mattie die Wahrheit zu sagen.“
„So wie du auch.“
„Mac, du weißt doch, dass ich dir nichts sagen darf.“
„ Ja, ich weiß, aber es macht mich einfach verrückt zu sehen, wie die beiden ihre Liebe wegwerfen.“
„Ich weiß. Mich ja auch.“
Harm nahm Mac fest in den Arm.
„Ich verspreche dir, ich werde ihn schon dazu bringen, Mattie endlich die ganze Wahrheit zu sagen. Ich weiß auch nicht, wieso er es nicht tut.“
„Harm, hätte er wirklich eine Affäre mit dieser Frau?“
„ Mac….“
„Ich weiß, du darfst es mir nicht sagen, aber dass musst du auch nicht. Es reicht, wenn du einfach nur nickst oder den Kopf schüttelst.“
Harm sah Mac in ihrer tiefbraunen Augen, dann schüttelte er mit dem Kopf.
„Gut. Dann werde ich Mattie auch weiterhin raten um ihn zu kämpfen.“
„Tu das. Und ich werde ihm weiterhin raten, ihr die Wahrheit zu sagen.“
Dann kuschelten sich die beiden eng aneinander und schliefen kurze Zeit später ein.
Städtisches Krankenhaus
San Diego
Zur gleichen Zeit
Cameron war mittlerweile zu Mattie und seinen beiden Kinder ins Zimmer verlegt worden. Als er John Thomas und Cassie Jean das erste Mal sah, kamen ihm sofort die Tränen. Sofort fragte er sich, wie er nur so dumm sein konnte und seine Familie aufs Spiel setzte.
Mattie hatte ihn eine Weile lang nur beobachtet. Sie genoss es zu sehen, wie er seine beiden Kinder liebevoll im Arm hielt und hin und her schaukelte. Sie wollte ihn nur zu gerne wieder auf das Thema ansprechen, was sie schon seit Monaten beschäftigte, doch sie hielt es im Augenblick für besser, es nicht zu tun. Sie wollte diesen wundervollen Moment einfach nicht kaputt machen. Doch in ihrem Kopf kamen schon wieder all die Erinnerungen auf.
Rückblick
Aufgewühlt lief Mattie im Wohnzimmer auf und ab. Sie hatte am Mittag mal bei Cameron auf der Arbeit angerufen und so erfahren, dass er verhaftete wurde. Sie hatte sofort bei Harm und Mac angerufen und Mac hatte ihr versichert, dass Harm bereits auf dem Weg zur Polizeistation war, um zu klären, was da los war. Nun wartete sie mit Mac zusammen auf die beiden.
Als sie den Schlüssel im Schloss hörten, lief Mattie sofort zur Tür.
„Was ist den passiert? Wieso wurde Cameron verhaftete? Und wo ist er jetzt?“, wurde Harm mit Fragen bombardiert.
Der legte erst einmal seinen Mantel ab und begleitete Mattie ins Wohnzimmer, damit sie sich wieder setzte. Sie war mittlerweile im sechsten Monat schwanger, weshalb Harm ihr die Neuigkeiten so schonend wie möglich beibringen wollte.
„Wo ist Cameron?“, rief Mattie nun noch einmal und man hörte die Angst, die in ihrer Stimme lag, ganz deutlich.
„Er ist in Untersuchungshaft.“, sagte Harm ihr dann doch gerade heraus. Er fand einfach keinen Weg es ihr schonend beizubringen.
Mattie sah ihn erschrocken an und Tränen kullerten über ihre Wangen.
„Was wird ihm denn vorgeworfen?“, fragte Mac. Sie ahnte jedoch schon böses, da Cameron sonst sicher nicht in U-Haft wäre.
„Er soll eine junge Studentin ermordet haben.“
Nun war es endgültig um Mattie geschehen. Verzweifelt lehnte sie sich an Mac und weinte fürchterlich.
Auch Mac war fassungslos. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit so etwas.
„Ich hoffe doch, er ist nicht so dumm und verteidigt sich nicht selbst.“, fragte Mac, nachdem sie sich wieder gefasst hatte.
„Nein. Er will mich.“, gab Harm zur Antwort.
„Dich?“
„Ja.“
„Wirst du es tun?“
„Ich wollte erst mit dir und Mattie darüber reden.“
„Was soll das heißen? Du musst ihn sofort wieder nach hause holen, wir brauchen ihn. Wir drei brauchen ihn.“, schrie Mattie und fing wieder an zu weinen.
„Das weiß ich doch. Aber es kann ziemlich kompliziert werden. Ich könnte Dinge über ihn erfahren, die mir nicht gefallen und ich dürfte sie dir nicht sagen.“, versuchte Harm ihr zu erklären.
„Cameron hat nichts zu verbergen. Und er hat es sicher auch nicht getan. Du musst ihn wieder zu uns holen Harm, bitte.“, flehte Mattie ihn nun an.
„Das werde ich.“, gab er ihr zur Antwort.
„Was werden wir jetzt tun?“, wollte Mac wissen.
„Wir?“
„Ja, wir.“
„Wir werden gar nichts tun.“
„Harm…“, versuchte Mac ihn zu überreden, aber er blieb stur.
„Mac, Cameron wollte nur mich haben. Er will nicht, dass du oder Mattie in die Sache mit hineingezogen werden. Bitte akzeptiere das.“
Mac wollte noch einmal widersprechen, ließ es aber dann doch bleiben. Sie wusste, dass sie Harm sowieso nicht überreden konnte und dass es für sein Verhalten auch einen ziemlich guten Grund geben musste.
Mattie blieb an diesem Abend bei Harm und Mac und auch die nächsten zwei Monate änderte sich nicht sonderlich viel daran.
Rückblick Ende
Cameron hatte seine Kinder mittlerweile ins Bettchen gelegt und schlief nun seelenruhig in seinem Bett. Mattie, die jetzt so lange von ihrem Mann getrennt gewesen war, konnte nicht anderes und legte sich kurzerhand ihm. Sie wollte diese Nacht ganz nah bei ihm sein, denn sie wusste nicht, wann sie das nächste Mal die Gelegenheit dazu hatte. Zwar wurde Cameron Freigesprochen, doch der Staatsanwalt hatte Revision eingelegt und nun wusste keiner der beiden, was als nächstes kam. Kurze Zeit später schlief auch sie seelenruhig ein.
Pinapple Road 2901
San Diego, Kalifornien
Zwei Wochen später
Mattie war froh, endlich wieder aus dem Krankenhaus zu kommen. Seid ihrem Absturz damals hatte sie eine große Abneigung gegen Krankenhäuser entwickelt.
Nun saß sie bei Harm und Mac im Wohnzimmer auf der Couch und half Caitlin dabei die kleine Cassie Jean zu halten.
„Die Babys sind aber noch ganz schön klein.“, bemerkte Nick an, der vor den beiden stand.
„Du warst auch mal so klein und deine Schwester auch.“, entgegnete Mattie.
Daraufhin schüttelte der kleine Nick nur den Kopf, was so süß aussah, dass sich Mattie kein Lachen verkneifen konnte.
Doch es verschwand genauso schnell wie es gekommen war, denn ihre Gedanken waren sofort wieder bei Cameron.
Ein Tag nachdem ihre gemeinsamen Kinder geboren worden waren, wurde er wieder aus dem Krankenhaus entlassen und keine 12 Stunden später saß er wieder in Untersuchungshaft, da es angeblich neue Beweise gegen ihn gab.
Harm hatte versucht, ihn wieder raus zu holen, aber es gelang ihm nicht, da Cameron sich immer noch weigerte die Wahrheit zu sagen. Mattie verstand ihn einfach nicht. Dabei hatte er ihr vor langer Zeit einmal versprochen, nie wieder ein Geheimnis vor ihr zu haben.
San Diego
Sea World
8 Jahre zuvor
Mattie und Cameron verstanden sich mittlerweile immer besser. Während Mattie immer noch in die Reha musste, war Cameron mittlerweile wieder völlig gesund. Das Gespräch mit Inspektor Morris hatte seinen Kampfgeist wiedererweckt und die Unterstützung, die er von Mattie erhielt, tat sein übriges. Die beiden lernten sich im Laufe der Zeit immer besser kennen. Nur ein Paar waren sie immer noch nicht.
An diesem Tag hatte Cameron sie zu einem Besuch in Sea World eingeladen. Er hatte von ihr erfahren, dass sie noch nie am Meer gewesen war und auch von Sea World total begeistert war und so wollte ihr nun eine Freude machen.
Er hatte Mattie am frühen morgen bei Harm und Mac abgeholt, ihr die Augen verbunden, und war dann mit ihr losgefahren. Als sie ankamen nahm er ihr die Augenbinde ab und sagte:
„Ist zwar nicht der Ozean, aber du kannst hier schon mal all seine Bewohner kennen lernen, und wenn du wieder ganz fit bist, fahren wir ans Meer.“
Mattie war sprachlos vor Begeisterung. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit Sea World. Plötzlich wurde sie wieder ein bisschen traurig.
„Hey, was ist los?“
„Na ich weiß nicht, ob ich es schon schaffe, den ganzen Tag zu laufen und mit dem Rollstuhl will ich nicht hier durch.“
„Hey“, sprach Cameron und hob ihr Kinn leicht an, „du musst dir darum keinen Kopf machen. Wir haben den ganzen Tag Zeit und können so viele Pausen machen wie du brauchst. Und wenn wir heute nicht fertig werden, kommen wir halt noch mal hierher.“
Nun war Mattie endgültig von der Rolle.
„Na dann los, ich will keine Zeit verlieren.“
Cameron konnte nur mit dem Kopf schütteln. Mattie war mittlerweile 18 Jahre alt, doch manchmal benahm sie sich wie ein kleines Kind. Doch es war dieses Verhalten, was er so an ihr liebte.
Sie zogen eine ganze Zeit lang durch den Park. Schauten sich die vielen verschiedenen Tiere an und machten Späße miteinander. Jeder der sie sah, war der festen Überzeugung, dass da ein frisch verliebtes Paar vor ihnen herging.
Am Nachmittag sahen sich die beiden dann die Shows mit den Orkas an. Beide waren beeindruckt, wie die Tiertrainer mit diesen riesigen Tieren umgingen. Höhepunkt der Show war, als einer der Trainer sich auf den Rücken des Wals Keiko stellte und sich von ihm in die Mitte des Beckens bringen ließ. Dort verharrte der Wal dann und der Trainer machte seiner langjährigen Freundin, die ebenfalls im Park arbeitete, einen Heiratsantrag.
Nach der Show war Mattie hin und weg. Die beiden hatten sich auf eine Bank im Park gesetzt um eine Kleinigkeit zu essen und unterhielten sich angeregt. Vor allem Mattie schwärmte die ganze Zeit von der Show.
„Wie die mit diesen riesigen Tieren umgehen, einfach unglaublich. Und das die so gar keine Angst haben. Immerhin sind die Orkas ja nicht gerade ungefährlich. Und der Antrag war wirklich romantisch. Ich hoffe, ich kriege auch mal so einen Antrag.“
„Ich bin doch nicht irre und klettere auf einem Wal rum.“, flüsterte Cameron leise.
„Was hast du gesagt?“, fragte Mattie nach.
„Och nichts.“, kam nur zurück.
< Oh man, jetzt hätte sie es fast rausgekriegt. Aber wieso eigentlich nicht? Wieso sag ich es ihr nicht einfach? Wovor habe ich eigentlich Angst? Mehr als Nein sagen kann sie ja nicht. Und wenn sie es tut, was soll’s. >, fragte er sich.
< Ich habe es genau gehört. Aber wieso sagt er es mir nicht? Wieso lügt er mich die ganze Zeit an? Oder bilde ich es mir nur ein, dass er mich liebt? Vielleicht sollte ich ihm sagen, dass ich ihn liebe, dann erfahre ich vielleicht auch, was er für mich empfindet. >
Und so hingen die beiden noch einen Moment lang ihren Gedanken nach.
„Sag mal Mattie, wie sieht es bei dir eigentlich im Moment aus?“, druckste Cameron rum.
„Was meinst du? Du weißt doch, wie die Reha vorangeht.“, antwortete Mattie etwas überrascht.
„ Naja, das meinte ich eigentlich nicht. Eigentlich meinte ich eher…...ich wollte eigentlich wissen….hast du eigentlich…im Moment…“
„Nun spuck es schon aus.“
„Ich….ich hab…..ich habe mich…in…..ich hab mich in dich verliebt.“ Cameron atmete tief durch. Er war froh, dass er es ihr endlich gesagt hatte.
Mattie hingegen war so überrascht, dass sie vor Schreck ihr Sandwich fallen ließ.
„Du bist…? In mich…..? Seid wann?“
„Erinnerst du dich an den Tag, als Inspektor Morris bei mir war und mir die Sache von meinen Eltern erzählte? Du bist anschließend zu mir gekommen und hast mich getröstet. An diesem Tag hab ich mich in dich verliebt.“
Mattie konnte es immer noch nicht fassen. Ein so attraktiver und liebevoller Mann wie Cameron war in sie verliebt.
Cameron bekam es langsam mit der Angst zu tun. Mattie hatte bisher noch nicht auf sein “Geständnis“ reagiert. Fühlte sie etwa nicht so wie er?
„Hey, was ist los?“, fragte er sie liebevoll und strich ihr durch ihr lockiges Haar.
„Nichts. Ich kann nur einfach nicht fassen, was du mir gerade gesagt hast.“
„Wieso? Ich meine, wenn es dir unangenehm ist oder du nicht so fühlst, dann ist das Ok. Ich will dich zu nichts zwingen.“
„Nein, es ist mir nicht unangenehm. Es ist nur. Das ganze ist jetzt über zwei Jahre her. Wieso hast du es so lange vor mir geheim gehalten? Was, wenn ich in der Zwischenzeit jemand anderes kennen gelernt hätte? Was hättest du dann gemacht?“
„Dann hätte ich wohl Pech gehabt.“
„So, dass ist also alles, was du dazu zu sagen hast.“
Nun war es Cameron, der sie verwirrt ansah.
„Ja, eigentlich schon.“
„Versprich mir etwas.“
„Was?“
„Wenn ich dir jetzt sage, dass ich genauso für dich empfinde, musst du mir versprechen, nie ein Geheimnis vor mir zu haben.“
„Niemals? Das wird aber sehr schwer. Dann weißt du ja immer bescheid, wenn ich eine Überraschung plane.“
„Überraschungen sind Ok, aber nur positive.“
„Ok. Ich verspreche dir, ich werde nie ein Geheimnis vor dir haben, welches unser Beziehung gefährden könnte.“
Nun war Mattie hochzufrieden. Das Versprechen, welches sie Cameron abnahm, basierte auf reinem Selbstschutz. Sie hatte oft genug zu hören bekommen, wie Mac und Harm sich gegenseitig verletzt hatten, weil sie Geheimnisse voreinander hatten und sie wollte nicht, dass ihr und Cameron dasselbe passierte.
Rückblick Ende
Nun saß Mattie auf der Couch in Harms und Macs Wohnzimmer und dachte nach.
< Er hat sein Versprechen gebrochen. Wieso hat er das getan? Und wieso würde ich es ihm verzeihen? Ein gebrochenes Versprechen ist etwas, was man nicht so einfach verzeihen sollte, vor allem, wenn es die Ehe gefährdet. Doch wieso tut er das? Hat er etwa noch ein Versprechen gebrochen? Hat er mich etwa wirklich mit dieser Frau betrogen? >
Langsam füllten sich Matties Augen mit Tränen und auch ihre Tochter konnte sie nun nicht mehr vom weinen abhalten.
San Diego Staatsgefängnis
Camerons Zelle
Zur selben Zeit
Cameron lag auf seiner Pritsche und dachte über die vergangenen Monate nach. Das Treffen mit seiner Halbschwester, ihre Ermordung, seine Verhandlung, die Geburt seiner Kinder und seine erneute Verhaftung. Und er stellte sich nun schon seit etwa drei Stunden immer wieder dieselben Fragen.
Wieso hatten seine Mutter und sein Vater nie etwas gesagt? Wieso glaubte jeder, dass er der Mörder war? Wer wollte ihm diese Sache anhängen? Aber die wichtigste Frage, die er sich stellte, war, wieso er seine Liebe zu Mattie und seine Familie aufs Spiel setzte, um den Ruf seines Vaters, den er bei Mattie, Harm und Mac aufgebaut hatte, zu schützen.
Diese Frage stellte er sich noch bis tief in die Nacht hinein. Als er endlich einschlief, träumte er von dem bisher schönsten Tag in seinem Leben, neben der Geburt seiner Kinder, seiner Hochzeit.
Flashback:
Nervös lief er in seiner Wohnung auf und ab. Er fragte sich, ob er heute wirklich das richtige tat. Gehörten Mattie und er wirklich zusammen? Würden sie wirklich zusammen glücklich werden? Er wusste es nicht. Andererseits, kann man so etwas wirklich vorher wissen?
Er setzte sich auf die Couch und atmete tief durch. Er hätte jetzt seinen Vater bei ihm gebraucht, doch der konnte nicht bei ihm sein. Genauso wenig wie seine Mutter. Seine Mutter hatte ihm früher oft von ihrer Hochzeit erzählt und sich dann ausgemalt, wie seine Hochzeit wohl werden würde. Damals hatten sein Vater und er noch darüber gelacht, doch heute würde sie genauso werden, wie seine Mutter sich die Hochzeit vorgestellt hatte.
Langsam liefen ihm ein paar Tränen über die Wange.
< Gut, dass Mattie mich nicht so sehen kann, wer weiß, was sie sonst von mir denken würde. >
Als es an der Tür klopfte wischte er sich die Tränen schnell aus dem Gesicht und öffnete sie.
„Oh, hey Harm, du bist es.“
„Ja, bist du soweit?“
„Ich weiß nicht.“, antwortete Cameron ganz ehrlich.
Harm verstand seine Unsicherheit. Ihm ging es bei seiner Hochzeit nicht anderes. Er beschloss mit Cameron zu reden, um ihm die Angst zu nehmen.
„Setz dich.“, forderte er Cameron auf.
Cameron setzte sich wieder auf die Couch, Harm direkt daneben. Er legte seinen Arm auf Camerons Schulter und versuchte ihm gut zuzureden.
„Ich weiß, wie du dich im Moment fühlst. Glaub mir, mir ging es an meinem Hochzeitstag nicht sehr viel anders. Ich hatte auch meine Zweifel. Mac und ich hatten uns schon so oft gegenseitig verletzt und ich hatte Angst, dass es während unserer Ehe nicht anderes werden würde. Glaub mir, diese Angst ist normal.“
„Ich wünschte meine Mum und mein Dad könnten heute dabei sein.“
„Ich weiß. Aber ab heute gehörst du zu meiner Familie. Du heiratest meine Tochter und ich weiß, dass du ihr ein guter Ehemann sein wirst. Du wirst ein genauso guter Ehemann sein, wie es dein Vater war.“
Nun nickte Cameron. Harm hatte Recht. Er hatte seid heute eine neue Familie. Ab heute würde er für den Rest seines Lebens mit der Frau, die er über alles liebte, zusammen sein können. Er würde bald einen eigene Familie gründen und selbst ein Dad sein. Er würde ein genauso guter Dad sein, wie seiner es war, dessen war er sich sicher.
„Danke Harm.“
„Hey, ich sagte doch, dass du jetzt zu meiner Familie gehörst. Und jetzt mach dich fertig, Mac wird mich nämlich mehr als einen Kopf kürzer machen, wenn ich dich nicht pünktlich in der Kirche abliefere.“
Nun musste Cameron lachen. Er wusste, dass Mac auf Pünktlichkeit bestand, und dass Harm einer der unpünktlichsten Menschen auf Erden war.
Etwa 30 Minuten später waren die beiden auch schon in der Kirche und sie kamen genau richtig. Cameron und Harm hatten sie gerade betreten, als ihnen auch schon Mac entgegengelaufen kam.
„Wow, hätte nie gedacht, dass du pünktlich bist.“, begrüßte die Hochschwangere Mac ihren Ehemann.
„Tja Marine, wie du siehst kann ich dich immer noch überraschen.“, kam als Antwort.
„Wo ist Mattie?“, fragte nun Cameron. Er wollte, dass sie weiß, dass er da war und er wollte sicher sein, dass auch sie da war.
„Sie ist hinten und macht sich fertig und Nein, du kannst nicht zu ihr, denn das bringt Unglück.“, sagte Mac und hielt Cameron am Arm fest, da dieser sich bereits auf den Weg zu Mattie machen wollte.
„Ich will doch nur dass sie weiß, dass ich hier bin.“, versuchte es Cameron nun und setzte seinen Hundeblick auf.
„Ok, sie wird es erfahren, aber nicht von dir. Harm wird es ihr sagen, wenn er zu ihr geht um sie abzuholen und zum Altar zu führen.“ Mac kannte seinen Blick nur zu gut. Sie konnte sich gegen ihn besser wehren als gegen den von Harm, aber es viel ihr von mal zu mal schwerer, da er Harm in dieser Hinsicht immer ähnlicher wurde. Das lag wahrscheinlich daran, dass Harm mehr und mehr die Vaterrolle bei Cameron übernahm.
Während Harm sich auf den Weg zu Mattie machte, begrüßte Cameron den Pater und einige Gäste, die bereits eingetroffen waren.
Dann war es endlich soweit. Alle Gäste nahmen ihre Plätze ein und Cameron wartete voller Spannung auf Mattie, die von Harm zum Altar geführt werden sollte.
Gerade als die Musik ertönte und er Mattie in ihrem Brautkleid sehen sollte, wurde er von einem Wärter geweckt.
„Mitchell, besuch für sie.“
Cameron brauchte einen Moment, um sich zu orientieren und zu begreifen, wo er eigentlich war. Aber dann viel es ihm wieder ein und seinen Niedergeschlagenheit und seine Fragen kamen ihm wieder in den Sinn.
Und mit diesen Fragen machte er sich auf den Weg zu seinem Besucher.
San Diego Staatsgefängnis
Besucherraum
Cameron wusste nicht genau, wer ihn besuchen kam, aber er hatte schon so eine Ahnung. Als er seinen Besucher sah, bestätigte sich seine Ahnung. Es war Harm.
„Hey, wie geht es dir? Wirst du gut behandelt?“
„Harm, ich bin im Knast. Wie soll’s mir hier schon gehen? Und behandelt werde ich wie ein Mörder.“
„Keine Sorge. Ich werd dich hier wieder rausholen. Ich habe heute einen Termin mit dem Staatsanwalt, der die Anklage führen wird. Ich hoffe ich kann ihn von deiner Unschuld überzeugen. Am einfachsten wäre es jedoch, wenn du endlich die Wahrheit sagen würdest.“
„Das kann ich nicht.“
„Verdammt noch mal, wieso denn nicht?“ Harm war lauter geworden als er eigentlich wollte.
„Du willst also wirklich wissen wieso?“
„Ja.“
„Harm, mein Dad hat meine Mutter betrogen. Er war mit ihr verheiratet und hat trotzdem mit einer anderen Frau geschlafen. Mattie hat sich damals von mir gewünscht, dass ich ihr ein so guter Ehemann sein werde, wie mein Vater es war. Es gefiel ihr so, was ich ihr von ihm erzählt habe. Wenn sie erfährt, dass er meine Mum betrogen hat, wird sie mir sicher auch nicht mehr trauen.“
„Das ist doch Blödsinn Cameron. Mattie liebt dich nicht, weil du deinem Vater so ähnlich bist. Sie liebt dich, weil du du bist. Sie wird dir nicht weniger vertrauen, nur weil dein Vater mal eine Affäre hatte. Du verlierst sie höchstens wegen deiner Sturheit.“
„Was meinst du damit?“
„Mattie glaubt mittlerweile immer mehr daran, dass du und Kelly eine Affäre hatten. Sie zweifelt immer mehr an dir. Wenn du ihr nicht bald die Wahrheit sagst, dann wirst du sie verlieren und deine Kinder auch.“
Cameron stand auf und lief nervös auf und ab. Er musste nachdenken. Er wollte Mattie keinesfalls verlieren. Und auch seine Kinder nicht. Doch er fühlte sich noch nicht bereit, Mattie die Wahrheit zu sagen. Er hatte einfach viel zu große Angst vor ihrer Reaktion.
„Was, wenn ich die Wahrheit sage und mir keiner glaubt? Wenn es jeder für eine Lüge hält.“
„Das wird nicht geschehen.“
„Was macht dich da so sicher?“
„Weil es sich sicher beweisen lässt.“
„Und wenn nicht? Oder wenn sie mich trotzdem weiter für den Mörder halten? Wenn sie denken ich hätte sie ermordet, weil ich nicht damit klarkam, dass sie meine Schwester ist.“
„Cameron. Mach dir darüber keine Sorgen. Wenn der Staatsanwalt weiß, wieso ihr euch immer getroffen habt und wieso du ihr Geld gegeben hast, ändert dass einiges. Im Moment geht er davon aus, dass ihr zwei eine Affäre hattet und sie dich anschließend erpresst hat, weshalb du sie getötet hast. Wenn er die Wahrheit weiß, wird er seine Ermittlungen weiterführen müssen, weil dein Motiv dann nicht mehr vorhanden ist.“
„Aber….“
„Kein aber Cam. Du hast keine andere Wahl.“
„Ok. Aber bevor ich es dem Staatsanwalt sage, will ich es Mattie erzählen.“
„Gut. Ich werde sie gleich anrufen und sie beten mit Mac herzukommen.“
„Gut.“
Harm stand auf und klopfte an die Tür. Dann verließ er den Raum, um Mac anzurufen, damit diese Mattie so schnell wie möglich herbrachte.
San Diego Staatsgefängnis
30 Minuten später
Mac und Mattie waren so schnell wie möglich gekommen. Mattie war gerade bei Cameron und redete mit ihm, während Harm und Mac draußen warteten.
„Weißt du, worum es geht?“, wollte Mac wissen.
„Ja.“
„Kannst du es mir sagen?“
„Jetzt nicht.“
„Und wann dann?“
„Heute Abend.“
„Ok.“
„Und was machen wir jetzt?“
„Camerons Verteidigung planen.“
„Camerons Verteidigung? Wir beide?“
„Ja. Ich habe mit ihm geredet und ihn davon überzeugt, dass es besser wäre, wenn du an der Verteidigung mitarbeitest.“
„Also, wenn wir zwei seine Verteidigung planen, dann hat das Gespräch der beiden also nichts mit dem Fall zu tun.“
„Doch.“
„Wieso sagst du es mir dann nicht jetzt schon?“
„Weil es eine ziemlich lange Geschichte ist und wir nicht soviel Zeit haben. Wir müssen gleich mit ihm zum Staatsanwalt.“
„Also, dann gib mal die Kurzfassung.“
„Cameron und das Opfer waren Geschwister.“
„Was?“
„Ja. Sie war seine Halbschwester. Die beiden haben sich vor ein paar Monaten kennen gelernt. Sie wusste wohl schon seit einiger Zeit, dass sie einen Bruder hat und wollte ihn kennen lernen. Die beiden haben sich ein paar Mal zum Essen getroffen.“
„Also ist seine Affäre in Wirklichkeit seine Schwester?“
„Jep.“
„Und wieso hat er das nicht gesagt?“
„Weil er Angst hatte. Mattie hatte ihm immer wieder gesagt, dass er so wie sein Dad werden sollte. Er dachte, dass wenn sie von der Sache erfährt, sie ihm nicht mehr vertrauen würde.“
„Das hat er gedacht?“
„Ja.“
„Hast du ihm nicht gesagt, dass es Blödsinn ist?“
„Doch, aber…..“
„Aber er wollte seinen Dickschädel durchsetzten.“
„Ja.“
„Er wird immer mehr wie du.“
„Was?“
„Du wolltest auch immer deinen Dickschädel durchsetzen.“
„Wann?“
„Na zum Beispiel bei unserer Hochzeit.“
Flashback:
Pineapple Road 2901
San Diego, Kalifornien
1 Monat vor der Hochzeit
„Harm, wo bist du schon wieder?“, rief Mac durch das Haus
„Hier im Keller.“
„Und was machst du da?“
„Ich räume auf.“
„Harm, jetzt komm schon her, wir müssen noch so viel für die Hochzeit vorbereiten.“
„Kannst du das nicht alleine?“
„Harm, es ist unsere Hochzeit. Ich will das wir sie gemeinsam planen.“
„Na gut, ich komm ja schon.“
Nur widerwillig kam Harm nach oben und setze sich zu Mac ins Wohnzimmer.
„Also gut, was willst du mit mir besprechen?“
„Zuerst einmal müssen wir uns erst einmal entscheiden wo wir nun heiraten.“
„Ich dachte das hätten wir schon?“
„Und wann?“
„Na als du gesagt hast, dass du gerne unter freiem Himmel heiraten würdest, hab ich dir vorgeschlagen, dass ganze bei Mum und Frank im Garten zu machen und da du nicht widersprochen hast, bin ich davon ausgegangen, dass wir es so machen.“
„So, du bist also davon ausgegangen. Und wenn ich es nicht will?“
„Was?“
„Na bei deinen Eltern im Garten zu heiraten:“
„Mac, es ist doch schon so geplant. Außerdem, was ist so schlimm daran.“
„Nichts. Ich habe es nur noch nicht gewusst, dass ist alles.“
„Bist du jetzt etwa sauer?“
„Nein.“
„Na dann.“ Harm wollte schon wieder gehen, was Mac aber nicht gefiel. Sie hatten noch viel mehr zu besprechen.
„Hey, du kannst jetzt nicht einfach gehen. Wir haben noch mehr zu besprechen.“
„Zum Beispiel?“
„Na zum Beispiel wer dein Trauzeuge wird, wer meine Brautjungefern werden, was wir tragen werden, wo die anschließende Feier stattfinden wird, was es zu essen geben wird, wer wo sitzen wird und noch vieles anderes.“
Harm konnte nur die Augen verdrehen. Er hatte keine Lust das alles zu planen. Für ihn gehörte dies zu den Aufgaben der Braut.
„Mac, dass ist doch jetzt nicht dein Ernst? Das alles willst du heute planen?“
„Harm, wir haben nur noch einen Monat.“
„Nur noch?“
„Ja, nur noch.“
„Ok, dann lass uns loslegen.“, sagte Harm. Er wollte das ganze so schnell wie möglich hinter sich bringen.
„Gut, zuerst einmal deine Trauzeugen.“
„Nunja, ich dachte da an Bud und AJ.“
„Und was ist mit Cameron?“
„Cameron?“
„Ja. Immerhin sind er und Mattie ein Paar. Und wir kennen ihn schon seit 4 Jahren. Du hast selbst gesagt, dass er für dich mehr und mehr wie ein Sohn wird.“
„Ja, aber kein Trauzeuge.“
„Harm….“
„Mac, er wird keiner meiner Trauzeugen.“
„Na gut, dann halt nicht.“
„Gut, nächster Punkt.“
„Nun, meine Brautjungefern sind Harriet, Jen, Mattie und Chloe.“
„Mattie? Glaubst du nicht, dass das ganze zu anstrengend für sie wird?“
„Was?“
„Nunja, sie ist immer noch in der Reha.“
„Harm, du hast dir nicht in deine Trauzeugen reinreden lassen, also lass ich mir auch nicht in meine Brautjungfern reinreden.“
„Von mir aus.“
„Gut, was ist mit dem Essen.“
„Was soll schon damit sein?“
„Na was sollen wir servieren?“
„Was heißt servieren? Es ist Sommer. Es wird sicher heiß werden, da kannst du doch nicht auch noch heißes Essen servieren. Ein kaltes Buffet reicht auch.“
„Harm. Es wird unsere Hochzeit, da erwartet man ein ordentliches Essen.“
„Mac, niemand isst viel, wenn es heiß ist. Das meiste wird verkommen. Glaub mir, ein kaltes Buffet ist am besten. War bei Franks und Mums Hochzeitfeier auch schon der Renner.“
„Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?“
„Nichts, wieso?“
„Nun, zuerst interessiert es dich überhaupt nicht, wie die Feier abläuft und dann musst du bei allem deinen Willen durchsetzten.“
„Wieso will ich meinen Willen durchsetzten? Ich gebe nur meine Meinung bekannt.“
Flashback Ende
„Ich habe dich doch zu nichts gezwungen. Und außerdem war es eine wundervolle Hochzeit.“, flüsterte Harm ihr ins Ohr und gab ihr dann einen Kuss.
Dann warteten die beiden darauf, dass Mattie und Cameron ihr Gespräch beendeten, damit sie das Gespräch mit dem Staatsanwalt führen konnten.
San Diego Staatsgefängnis
Besucherraum
Zur gleichen Zeit
Mattie war sofort mit Mac ins Gefängnis gekommen. Nun saß sie Cameron gegenüber und wartete darauf, dass er ihr endlich erzählte, was los war.
Sie hatte wahnsinnige Angst vor dem, was er ihr sagen wollte.
< Was will er mir nur sagen? Gesteht er mir seine Affäre? Hat er vielleicht sogar wirklich etwas mit dem Mord zu tun? > Diese und noch viele andere Frage schossen ihr durch den Kopf.
Als Cameron in Handschellen hereingeführt wurde erschrak sie. Er war immer so liebevoll gewesen, doch nun, wie er so vor ihr stand, fühlte sie sich in seiner Nähe irgendwie unwohl. So wie er vor ihr stand hatte sie das Gefühl, mit einem Schwerverbrecher verheiratet zu sein. Als der Wärter Cameron die Fußschellen abgenommen hatte, setzte er sich zu ihr an den Tisch, seine Hände, die weiterhin gefesselt waren, faltete er vor sich zusammen. So konnte man die Handschellen wenigstens nicht auf Anhieb sehen.
„Schön das du gekommen bist.“, begrüßte er Mattie vorsichtig und etwas schüchtern.
„Naja. Mac meinte, dass du wohl unbedingt mit mir reden müsstest.“
„Ja.“
„Und?“
„Mattie, dass ganze fällt mir nicht sehr leicht, also dräng mich bitte nicht so.“
„Also ist es wahr?“, fragte Mattie und ihr liefen dabei ein paar Tränen über die Wange.
„Was? Nein, natürlich nicht.“
„Was ist denn dann?“
„Es ist…. Die Frau die ermordet wurde, Kelly Pearson, sie…sie war…...sie war meine Schwester.“
Erstaunt sah Mattie Cameron an. Sie hatte ja mit vielem gerechnet. Das er ihr die Affäre gestand, vielleicht sogar denn Mord, aber damit hatte sie nun wahrlich nicht gerechnet.
„Das ist alles?“, fragte sie ungläubig nach.
Cameron sah sie erstaunt an.
„All die Streitereien, die lange Gerichtsverhandlung, all das weil du mir nicht sagen wolltest, dass du eine Schwester hast. Du spinnst jawohl total. Ich hatte dich verlassen Cam. Hätte sogar die Scheidung eingereicht, wenn Harm mich nicht daran gehindert hätte. Ich hätte unsere Kinder alleine großgezogen, ganz ohne dich und das nur, weil du zu feige bist um mir von deiner Schwester zu erzählen. Wäre es das wirklich wert gewesen?“, schrie Mattie ihn nun an. Sie war wütend. Sehr wütend sogar.
„Mattie bitte versteh das doch. Ich hatte einfach Angst, dass du mich verlässt, wenn ich es dir sage.“
„Ich sollte dich wegen deiner Schwester verlassen. Jetzt bist du jawohl völlig durchgeknallt. Haben die dir hier irgendwelche Drogen verabreicht? Wieso sollte ich dich denn wegen deiner Schwester verlassen.“
„Naja, weil mein Vater meine Mutter betrogen hat und sie das Resultat war. Und du wolltest doch immer, dass ich so werde wie er. Ich dachte, wenn du von seiner Affäre weißt, würdest du mir nicht mehr vertrauen.“, gab Cameron kleinlaut zur Antwort.
„Also das ist jawohl das dümmste was ich jemals gehört habe. Ich dachte immer du hättest was im Kopf, aber im Moment bin ich mir da gar nicht mehr so sicher. Ich weiß nicht einmal ob ich dich für diese Dummheit nicht doch verlassen sollte.“
„Mattie bitte. Tu mir das nicht an. Nicht jetzt. Ich würde es nicht ertragen dich und die beiden kleinen zu verlieren.“, flehte Cameron und war den Tränen nahe.
Nun tat es Mattie schon wieder Leid, dass sie das gesagt hatte. Immerhin liebte sie Cameron sehr und war froh, dass er keine Affäre gehabt hatte. Doch sie konnte es ihm auch nicht so einfach verzeihen, dass er solange geschwiegen und somit alles aufs Spiel gesetzt hatte.
„Du wirst einige tun müssen um das wieder gut zu machen.“
„Ich weiß.“
„Die Besuchszeit ist vorüber.“, unterbrach sie ein Wärter.
„Können wir….“
„Ist schon gut Mattie. Bald bin ich hier wieder raus und dann klären wir das alles in Ruhe. Pass solange auf unsere kleinen auf. Ich liebe dich Mattie.“
„Ich liebe dich auch.“
Cameron stand auf und ihm wurden wieder die Fußketten angelegt. Dann führte ihn der Wärter aus dem Raum heraus und Mattie war wieder ganz alleine.
San Diego Staatsgefängnis
Besucherraum
1 Stunde später
Harm, Mac und Cameron saßen gemeinsam am Tisch und gingen noch einmal Camerons Aussage durch. In wenigen Minuten fand das Gespräch mit dem Staatsanwalt statt und Harm und Mac wollten sichergehen, dass Cameron durch seine Aussage wirklich entlastet werde würde. Deswegen sollte er genau auf seine Worte achten und erst auf eine unbekannte Frage antworten, wenn Harm oder Mac ihm zustimmten.
„Ok, hast du alles verstanden?“, fragte Harm ihn.
„Ähm, was hast du gesagt?“
„Das ist doch jetzt nicht dein ernst.“, wetterte Harm.
„Harm, ihr erzählt mir jetzt seit über einer Stunde was ich zu sagen habe und was nicht. Ich bin auch Anwalt, schon vergessen? Ich weiß wie man sich bei einem Verhör verhält.“
„Hey ihr zwei. Hört auf zu streiten.“, unterbrach Mac die beiden, bevor die Situation noch eskalierte. Sie wusste wie sehr Cameron es hasste, wenn man ihn bevormundete und sie wusste auch, dass Harm Cameron immer als Sohn ansah und ihn dementsprechend bevormundete.
„Wir streiten doch gar nicht.“, erwiderten beide wie aus einem Mund.
Mac wollte noch etwas erwidern, doch in diesem Moment ging die Tür auf und der Staatsanwalt betrat den Raum.
„Mr. Turner.“, begrüßte Harm ihn.
„Mr Rabb.“ Die beiden Männer gaben sich die Hand.
„Meinen Mandanten kennen sie ja schon und das ist meine Frau Sarah Rabb. Sie ist ebenfalls Anwältin und wird ab heute an dem Fall mitarbeiten.“
„Guten Tag Mrs Rabb. Schade das wir uns unter solchen Umständen kennen lernen.“
„Mr Turner.“
Nachdem sich alle begrüßt und gegenseitig vorgestellt hatten, begann Staatsanwalt Turner mit der Befragung und Cameron mit der Schilderung der Geschehnisse.
Rückblick
San Diego, Kalifornien
Tag von Kelly Pearsons Ermordung
Es war ein schöner Frühlingstag und Cameron hatte nicht sonderlich viel zu tun gehabt. So konnte er sich den ganzen Tag lang auf das Essen mit Kelly vorbereiten. Er wollte sie heute zu einem Essen am Wochenende bei sich zu hause einladen, damit sie Mattie, Harm, Mac, Nick und Caitlin kennen kernen konnte. Außerdem hatte er beschlossen, ihr bei ihrem Studium etwas unter die Arme zu greifen. Er wusste selbst wie wichtig es war, Unterstützung von der Familie zu bekommen. Er selbst hätte sein Studium nie geschafft, wenn Mattie, Harm und Mac und auch Trish und Frank ihn nicht unterstütz hätten.
Er hatte Mattie gesagt, dass er an diesem Abend mit ein paar Kollegen Essen gehen würde und sie deshalb nicht auf ihn warten sollte. Er hatte bisher einfach noch nicht den Mut gehabt, ihr die Wahrheit zu sagen. Er wusste nicht woran es lag. Schämte er sich, weil sein Vater nicht so perfekt war wie Harm, oder hatte er Angst, dass sie Kelly nicht akzeptieren würde. Vielleicht hatte er auch einfach Angst davor, dass sie ihn zu einem Beweis überreden würde, einem Test oder ähnlichem und dann herauskam, dass sie gar nicht seine Schwester war.
So machte er sich um 18.00 Uhr auf den Weg zu ihrem wöchentlichen Treffpunkt. Es war ein kleines Lokal in der Innenstadt, wo er auch der Möglichkeit aus dem Weg ging, auf Mattie, Harm oder Mac zu treffen. Wie sonst auch, war er etwas zu früh da, aber das machte ihm nichts. Er suchte einen Tisch und musste an diesem Tag auch nicht lange auf Kelly warten. Cameron bemerkte sofort, dass sie an diesem Tag anders war als sonst.
„Hey!“, begrüßte er sie. Er nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Hey!“, kam es nur matt zurück.
„Was ist los?“, fragte Cameron sofort nach.
„Peter!“, kam es nur von ihr zurück.
„Was hat er getan?“ Cameron war aufgebracht. Er hatte bisher nicht viel Gutes von ihm gehört und deshalb zur Vorsicht auch mal ein paar Erkundigungen eingeholt und das was er erfahren hatte, machte ihm ein wenig Angst.
„Gar nichts. Er war nur tierisch sauer weil wir wieder Essen gehen. Er glaubt mittlerweile du wärst gar nicht mein Bruder, sondern mein Geliebter.“
„Also wenn er dir so wenig vertraut solltest du dich vielleicht von ihm trenne. Immerhin ist vertrauen das wichtigste in einer Beziehung. Außerdem scheint er einer der besonders Eifersüchtigen Typen zu sein. Das kann auch nach hinten losgehen.“
„Na das sagt ja jetzt mal genau der richtige. Wer hat seiner Frau denn bis jetzt verschwiegen das er eine Schwester hat?“
„Also das ist etwas völlig anderes.“, versuchte Cameron sich rauszureden.
„Ach ja. Und wieso?“ Kelly war mittlerweile auch sauer auf ihn, denn auf seine dummen Ratschläge konnte sie gut und gerne verzichten.
„Nunja, weil…..weil….weil Mattie schwanger ist und ihre Hormone im Moment dementsprechend Karussell fahren. Die wird schon Eifersüchtig wenn ich die Postbotin grüße. Wenn ich jetzt sagen würde, dass ich mich einmal die Woche mit meiner bisher unbekannten Halbschwester zum Essen treffe, wäre ich bei unserem nächsten Treffen mindesten einen Kopf kürzer.“
„Na das ist jawohl ne ziemlich lahme ausrede, findest du nicht?“
„Du kennst Mattie nicht, die….“, weiter kam er nicht, denn Kelly unterbrach ihn wütend.
„Genau, ich kenne Mattie nicht. Genauso wenig wie du Peter kennst. Und obwohl ich mehr Vertrauen in meinen Partner habe, als du in deine Frau, urteilst du so negativ über ihn. Weißt du was, es war ne blöde Idee zu dir zu kommen. Vielleicht sollten wir uns einfach nicht mehr treffen. Wir haben es immerhin auch all die Jahre vorher ohne Geschwisterhilfe geschafft. Also mach’s gut Cameron.“
Mit diesem Worte stand Kelly auf und verließ das Lokal. Cameron rannte ihr noch hinterher, versuchte sie aufzuhalten, aber sie ließ sich nicht mehr umstimmen. Er hatte seine Schwester in diesem Augenblick verloren.
Flashback Ende
„Und da haben Sie ihre Schwester also zum letzten mal gesehen?“, fragte Staatsanwalt Turner nach.
„Ja!“, antwortete Cameron leise. Das alles noch einmal zu erleben ging ihm ziemlich nahe, denn es wurde ihm wieder einmal bewusst, dass er die Ermordung seiner Schwester hätte verhindern können, wenn er nicht diese dumme Bemerkung gemacht hätte. Sie wäre dann länger geblieben und man hätte sie dann vielleicht auch nicht getötet.
„Und ihre Frau hat ihnen alles abgekauft?“, fragte Staatsanwalt Turner nach.
„Was wollen sie damit andeuten?“, kam Harm Cameron zuvor.
„Nun, mir kann keiner erzählen, dass seine Frau nicht dahinter gekommen ist, dass er sich einmal die Woche mit einer anderen Frau getroffen hat. Sie hätte ein blendendes Motiv.“
„Ja, und ein Wasserdichtes Alibi. Sie war nämlich den ganzen Abend bei uns, ihren Eltern.“, gab Mac nun zur Antwort. „Und ja, sie war wirklich den ganzen Abend bei uns, bis Cameron sie abgeholt hat. Außerdem war sie im 5 Monat schwanger, und zwar mit Zwillingen. Selbst wenn sie von der Sache gewusst hätte, wäre sie schon damals nicht mehr in der Lage gewesen eine so kräftige, junge Frau zu ermorden. Egal ob sie eine Affäre mit ihrem Mann hatte oder nicht.“, fügte sie dann noch hinzu.
Staatsanwalt Turner sah die drei überrascht an. Nie hätte er damit gerechnet, dass die Verteidiger des Angeklagten gleichzeitig seine Schwiegereltern waren. Das ganze brachte ihn völlig aus der Fassung. Er war bisher völlig von Camerons Schuld überzeugt gewesen, doch dass lies ihn in einem völlig neuen Licht erscheinen. War er vielleicht wirklich unschuldig.
< Ok, lass dir deine Verwunderung jetzt nicht anmerken, sonst zerreißen die zwei dich wahrscheinlich in der Luft. Und die Beweise sagen auch was anderes, also. >, sagte Turner zu sich selbst, bevor er weitermachte.
„Gut, wenn also weder Sie, noch ihre Frau Kelly Pearson ermordet haben, wie kommt dann die Tatwaffe in ihr Büro?“
Nun waren es Harm und Mac, die ihre Überraschtheit gut verbergen mussten. Cameron jedoch war nicht im Geringsten überrascht, was die beiden sehr verwunderte. Hatte er etwa doch was mit der Sache zu tun?
„Nun, vielleicht können Sie mir das ja verraten. Ich Sie jedenfalls nicht dort versteckt haben.“
„Und wieso nicht?“
„Ganz einfach, seit meiner Verhaftung vor etwa 3 Monaten war ich nicht mehr in meinem Büro. Und an diesem Tag wurde bereits alles durchsucht. Hätte ich was mit der Sache zu tun gehabt und die Tatwaffe dort versteckt, hätte man Sie also bereits am Tage meiner Verhaftung finden müssen.“
„Nun, dass klingt einleuchtend. Aber warum sind dann ihre Fingerabdrücke auf der Tatwaffe?“, fragte Turner weiter nach. Er hofft Cameron so aus der Reserve locken zu können.
„Antworte jetzt nicht auf diese Frage.“, flüsterte Harm ihm ins Ohr, „ dass geht sonst wahrscheinlich mächtig nach hinten los.“
„Keine Sorge, ich weiß was ich tue.“, entgegnete Cameron nur.
„Wenn Sie mir sagen, was die Tatwaffe war, sag ich ihnen, wie meine Fingerabdrücke drauf gekommen sind.“ Cameron provozierte Turner absichtlich. Er wollte ihn aus der Reserve locken, wollte ihn zum Nachdenken bewegen.
Turner spürte, was Cameron damit bezweckte, doch er wollte sich nicht aus der Reserve locken lassen.
„Können Sie denn beweisen, dass sie seit ihrer Verhaftung nicht mehr im Büro waren und dass die Stelle, an der die Tatwaffe gefunden wurde bereits damals mit durchsucht wurde?“, fragte Turner nun nach.
„Nun, wieso befragen sie nicht einfach meine Arbeitskollegen und den Detektiv, der die erste Durchsuchung geleitet hat?“, mischte sich nun auch Mac wieder ein. Sie hatte ihre Zweifel mittlerweile wieder über Bord geworfen und glaubte nun Felsenfest an Camerons Unschuld.
„Gut, dass werde ich. Solange bleibt ihr Mandant jedoch weiter in Haft.“
Turner verabschiedete sich von den dreien und ging.
„Sag mal was sollte das denn gerade? Wir hatten doch abgemacht, dass du auf unbekannte Fragen nicht antwortest.“, meckerte Harm, als Turner die Tür geschlossen hatte.
„Hätte ich nicht auf diese Frage geantwortet, wäre ich für ihn sofort schuldig gewesen, so wie ich es doch auch für euch war.“
„Jetzt red doch nicht so ein Blödsinn. Wenn wir dich für schuldig halten würden, würden wir dich sicher nicht verteidigen. Im Gegenteil, wir würden alles dafür tun, damit du Mattie und den Zwillingen nicht mehr zu Nahe kommen kannst.“
„Also so wie ihr gerade geguckt habt, habt ihr dem Staatsanwalt aber mehr geglaubt als mir.“
„Das…“, weiter kam Harm nicht, weil Mac die beiden nun unterbrach.
„Bevor ihr euch gleich womöglich noch an die Gurgel geht, sollten wir unsere nächsten Schritte planen. Also, ich befrage deine Kollegen und du Harm, redest noch einmal mit dem Detektiv. Ich traue diesem Staatsanwalt nämlich nicht so wirklich. Und du Cameron, machst in der Zwischenzeit keinen Unsinn.“, bestimmt Mac einfach.
Dann kam auch schon der Wärter, der Cameron wieder in die Zelle bringen sollte. Die drei verabschiedeten sich noch voneinander und dann machten sich Harm und Mac auch schon auf den Weg zu Mattie, die die ganze Zeit in einem Cafe um die Ecke auf Sie gewartet hatte.